Antwortschreiben Matthias W. Birkwald auf den Offenen Brief des Sozialverbandes Deutschland - SoVD an die Mitglieder des Deutschen Bundestages

Matthias W. Birkwald - Rentenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE.

18.08.2010 / vom 30.07.2010

Sehr geehrter Herr Bauer,

herzlichen Dank für Ihren Offenen Brief zur Rentenpolitik, auf den ich Ihnen auch im Namen der Fraktion DIE LINKE im Bundestag sehr gerne antworte. Meine Kolleginnen und Kollegen und insbesondere ich als rentenpolitischer Sprecher der Fraktion, haben uns sehr über Ihre klaren Worte und vor allem auch über die Tatsache gefreut, dass die Richtung und die Positionen des SoVD und der LINKEN in der Rentenpolitik sich weit­gehend decken. Die gesetzliche Rentenversicherung muss den Lebensstandard sichern und vor Alters­armut schützen. „Gute Arbeit – gute Löhne – gute Rente“ lautet der rentenpolitische Dreiklang der Partei DIE LINKE. Die LINKE stimmt Ihnen ausdrücklich zu, wenn Sie feststellen, dass eine solidarische Alterssicherungspolitik sowohl über den Arbeitsmarkt als auch über die gesetzliche Rentenversicherung gestaltet werden muss. Der zuneh­mende Verlust des einmal Erreichten und die wachsende Armut im Alter sind Folgen einer falschen Arbeitsmarkt-und Rentenpolitik.

In den vergangenen zehn Jahren haben die Bundesregierungen nach dem Motto „Jede Arbeit ist besser als keine Arbeit“ den Niedriglohnsektor massiv ausgebaut und gleich­zeitig die gesetzliche Rentenversicherung zu Gunsten einer weder wünschenswerten noch für die Einzelnen wirksamen privaten Alterssicherung demontiert. Mini-Jobs, Leih­arbeit, Ein-Euro-Jobs und die Kürzungsfaktoren in der Rentenformel (insbesondere Riester-Faktor und Nachholfaktor, aber auch der Nachhaltigkeitsfaktor) sowie die Rente erst ab 67 sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Sehr geehrter Herr Bauer, Sie können sicher sein, dass die Fraktion DIE LINKE im Bun­destag die rentenpolitischen Forderungen des SoVD aus voller Überzeugung unter­stützt. In der laufenden Legislaturperiode haben wir bereits entsprechende Anträge in den Bundestag eingebracht, die jedoch sowohl von den Regierungsfraktionen als größ­tenteils auch von den anderen Oppositionsfraktionen abgelehnt worden sind:

DIE LINKE setzt sich arbeitsmarkpolitisch für gute Arbeit ein (BT-Drs. 17/1396). Gute Arbeit gibt es nur in sicheren, geregelten, geschützten und vor allem auch Existenz si­chernden Beschäftigungsverhältnissen, die Frauen und Männern gleichermaßen und zu gleichen Bedingungen offen stehen (BT-Drs. 17/891). Deshalb setzen wir uns unter an­derem dafür ein, Leiharbeit strikt zu begrenzen (BT-Drs. 17/426) und die Befristung von Arbeitsverhältnissen einzudämmen (BT-Drs. 17/1968). Ein flächendeckender, gesetzli­cher Mindestlohn in Höhe von zehn Euro ist für DIE LINKE eine Mindestbedingung guter Arbeitsmarktpolitik (BT-Drs. 17/890). Wir wollen Langzeitarbeitslosigkeit und nicht Lang­zeiterwerbslose bekämpfen. Deswegen steht die DIE LINKE für eine gute öffentlich ge­förderte Beschäftigung (BT-Drs. 17/1397) und fordert, das restriktive, strafende und auf Lohndumping zielende System Hartz IV abzuschaffen und durch eine sanktionsfreie, bedarfsdeckende Mindestsicherung zu ersetzen (BT-Drs. 17/659).

Gute Arbeit und gute Löhne führen nur dann zu einer guten Rente, wenn die gesetzliche Rentenversicherung endlich wieder so gestaltet wird, dass sie vor sozialem Abstieg ebenso wie vor Armut schützt. Die Bunderegierungen der vergangenen zehn Jahre ha­ben dieses Ziel der Beitragssatzstabilität geopfert. Diese falsche politische Weichenstel­lung muss korrigiert werden. Deswegen fordert DIE LINKE, die Kürzungsfaktoren in der Rentenformel zu streichen (BT-Drs. 17/1145) und den Schutz bei Erwerbsminderung umfassend zu verbessern (BT-Drs. 17/1116). Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE „Beschäftigungssituation Älterer, ihre wirtschaft­liche und soziale Lage und die Rente ab 67“ (BT-Drs. 17/2271) dokumentiert umfassend und eindeutig, dass die Rente erst ab 67 nichts anderes als ein groß angelegtes Ren­tenkürzungsprogramm ist. Die Regelaltersgrenze auf 67 anzuheben war und ist falsch. Deswegen muss sie ohne Wenn und Aber zurück genommen werden. Denn niemand darf bestraft werden, weil die Wirtschaft keinen adäquaten Arbeitsplatz für sie oder ihn bietet. Das gilt für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenso wie für Langzeit­erwerbslose. Im Zuge des so genannten „Sparpakets“ will die Bundesregierung den bis­her für Langzeiterwerbslose an die Rentenkasse gezahlten Beitrag wegkürzen. Dieser Beitrag zur Rentenversicherung ist systematisch unter Beteiligung oder Zustimmung von CDU/CSU und FDP gesenkt worden, und von den gleichen Akteuren wird nun festge­stellt, dass der verbliebene Rest nun so gering sei, dass auch er noch gestrichen wer­den könne. Noch Mitte der 1990er Jahre wurden für Langzeiterwerbslose, die Arbeitslo­senhilfe bezogen, durchschnittlich pro Kopf 235 Euro an die Rentenkasse überwiesen. Die Basis, auf die der Beitrag an die GRV zu berechnen war, ist seitdem wiederholt ge­ändert worden, so dass der tatsächliche Zahlbetrag stetig auf schlussendlich 40 Euro gesunken ist. DIE LINKE fordert deshalb, den Betrag nicht nur beizubehalten, sondern auf das 6,5-Fache zu erhöhen (BT-Drs. 17/1735).

DIE LINKE folgt einem einfachen Grundsatz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit und glei­che Rente für gleiche Lebensleistung. Daraus folgt unweigerlich, dass nach zwanzig Jahren Sankt-Nimmerleins-Politik endlich der aktuelle Rentenwert (Ost) auf das Westni­veau angehoben und die Höherwertung beibehalten werden muss (BT-Drs. 16/6734). Wir wollen die rentenpolitische Benachteiligung der ostdeutschen Rentnerinnen und Rentner endlich beenden. In dieser Legislaturperiode werden wir erneut einen entspre­chenden Antrag in den Bundestag einbringen.

Aus Sicht der Fraktion DIE LINKE muss die falsche, weil sozialen Abstieg und Altersar­mut befördernde, Rentenpolitik der vergangenen zehn Jahre rückgängig gemacht wer­den. Das ist für eine gute Rente notwendig, aber nicht hinreichend. Langfristig muss die gesetzliche Rentenversicherung zu einer solidarischen Erwerbstätigenversicherung ausgebaut werden. Ob nun bereits heute Versicherungspflichtige, Selbständige oder Beamte – alle Erwerbstätigen sollen in die Erwerbstätigenversicherung einbezogen wer­den. Wir wollen im Rahmen unseres Konzepts das solidarische Moment in der Alterssi­cherung stärken, die Einnahmeseite ausbauen und zugleich die Kosten für die Versi­cherten absenken. Im nächsten Jahr werden wir unser Konzept aus der vergangenen Legislaturperiode (BT-Drs. 16/6440) aktualisiert in den Bundestag einbringen.

Sehr geehrter Herr Bauer, in der Hoffnung und in der festen Absicht, auch weiterhin mit dem SoVD an einem rentenpolitischen Strang zu ziehen verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen,

Matthias W. Birkwald, Rentenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE.

Anhang

Liste der im Brief genannten arbeitsmarkt-und rentenpolitischen Anträge der Fraktion DIE LINKE im Bundestag