EuroMemorandum 2018

Kann die EU noch gerettet werden? Die Folgen eines Europas der verschiedenen Geschwindigkeiten

02.03.2018 / EuroMemo Gruppe

Zusammenfassung

Es ist nun fast zehn Jahre her, dass die Krise begann. Doch nachdem sich die Europäisch Union (EU) für Austerität und Deregulierung entschieden hatte, suchen die Mitgliedsstaaten noch immer nach einem Ausweg. Die EuroMemo Group hat vergeblich vor den Gefahren gewarnt, die bereits aus der Architektur der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) resultieren. Zu den Konsequenzen zählt die europaweite Zunahme von rechtsextremen politischen Kräften, die die weit verbreitete antieuropäische Stimmung, die gerade von diesen Kräften mit hervorgerufen wurde, beflügeln. Der Ausstieg aus der EU gewinnt zunehmend an Bedeutung und wird im Falle von Großbritannien bald sogar Realität sein. Dies ist ein Wendepunkt in der Geschichte der EU, die auf dem Grundsatz einer "immer engeren Union" beruht hat.

Kann die EU noch gerettet werden? Dies ist in der Tat eine schwierige Frage. Das Weißbuch zur Zukunft Europas der Europäischen Kommission legt fünf Szenarien dar. Doch lassen diese immanente Spannungen in Europa mehr oder weniger unberücksichtigt, z.B. die gestiegene Unsicherheit auf den Arbeitsmärkten, die Rolle des Finanzwesens nach der Krise sowie das Anwachsen einer neuen "Unterschicht" überall in Europa.

Die französisch-deutsche Achse in der europäischen Politik scheint wiederbelebt zu werden, auch wenn die Führungen der beiden Länder keine gemeinsame Vision teilen. Die Vorstellung von Präsident Macron, einen großen Schritt hin zu einer europäischen Fiskalunion, die dauerhafte Fiskaltransfers in die durch die EWWU benachteiligten Länder ermöglicht, zu gehen, wird von der deutschen Führung abgelehnt. Aus unserer Sicht sollte eine Kompromisslösung, bei der der Fiskalpakt in das EU-Recht verankert wird und ein Eurozonen-Haushalt mit deutlichen Finanzmitteln nicht vorgesehen ist, ganz klar vermieden werden.

Außerdem muss die Diskussion über die Zukunft Europas berücksichtigen, dass die EU eine zusammengesetzte politische Ordnung ist, die viele Merkmale eines Staates, aber auch erhebliche Asymmetrien, Multikulturalismus sowie ein unterschiedlich starkes Vertrauen in die europäischen Institutionen aufweist. In diesem Zusammenhang hat die aktuelle Krise die demokratische kapitalistische Übereinkunft, in welche die EU historisch verankert ist, infrage gestellt. Die Gemeinschaftsmethode, die die Rolle der supranationalen Institutionen hervorhebt, ist immer stärker durch den Intergouvernementalismus abgelöst worden.

Die deutschen Interessen haben sich weg von Südeuropa hin zu Osteuropa und den Schwellenmärkten verschoben. Dies stellt Strategien, die auf eine progressive, europaweite produktive Entwicklung abzielen, ernsthafte Hürden in den Weg. Das Erstarken der extremen Rechten in ganz Europa und insbesondere in Deutschland wird sich negativ auf die europäischen Entwicklungen auswirken. So werden die Regierungen unter Druck gesetzt sein, nationalistischen Positionen Rechnung zu tragen, während sich die Beziehungen zu den südeuropäischen Staaten, die sich von der Krise erholen, wahrscheinlich verschlechtern werden.

Das wirtschaftliche System, das Europa infolge der Krise auferlegt wurde, muss durch einen gemeinsamen europäischen Prozess verändert werden. Die europäische Politik sollte auf mehreren Ebenen gestaltet werden, sodass europaweite Initiativen mit denen einzelner Regierungen verbunden werden. Die größte Herausforderung wird es sein, die Schlüsselfaktoren einer solchen Strategie festzulegen und die notwendigen Allianzen zu bilden. Die Zukunft der europäischen Integration hängt von einer Stärkung der Demokratie auf Grundlage von Stabilität, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit ab.

Die deutschsprachige Langfassung finden Sie hier...

Die englischsprachige Langfassung des EuroMemorandum 2018 findet sich auf www.euromemo.eu

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Dieses EuroMemorandum stützt sich auf Diskussionen und Arbeiten, die auf dem 23. Workshop zu einer alternativen Wirtschaftspolitik in Europa vom 28.-30. September 2017 in Athen präsentiert wurden. Der Workshop wurde von der EuroMemo Gruppe in Kooperation mit der geografischen Fakultät der Harokopio Universität und dem Nicos Poulantzas Institut organisiert. Die deutsche Übersetzung des EuroMemorandum 2018 entstand mit Unterstützung von transform! europe.