Südeuropa braucht ein Zukunfts - ein Investitionsprogramm

Axel Troost im Gespräch mit Christiane Kaess auf Deutschlandfunk

30.11.2012 / www.dradio.de, 30.11.2012

Die Bewilligung der Griechenlandhilfe soll der Bundesregierung dazu verhelfen, im Wahljahr 2013 keine weitere Finanzdebatte zu haben, sagt Axel Troost von der Links-Partei. Griechenland benötige eine nachhaltige Wirtschaftsförderung, damit die Ökonomie wieder auf die Beine komme.

Christiane Kaess: Der Bundestag hat im Anschluss an die entsprechende Debatte den neuen Griechenlandhilfen mit breiter Mehrheit zugestimmt. Es handelt sich um zahlreiche Änderungen am zweiten Hilfspaket für das überschuldete Land, die von den Finanzministern der Eurogruppe ausgehandelt wurden. Darunter sind Zinssenkungen, die Streckung von Krediten sowie die Weitergabe von Gewinnen aus Griechenland-Anleihen an Athen. Mit dem Paket verbunden ist die grundsätzliche Freigabe von Hilfszahlungen in Höhe von insgesamt fast 44 Milliarden Euro an Griechenland.

Am Telefon ist jetzt Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Links-Fraktion im Bundestag. Guten Tag, Herr Troost.

Axel Troost: Ja, schönen guten Tag.

Kaess: Herr Troost, wir haben es gehört: Die Links-Fraktion hat gegen die Griechenland-Hilfen gestimmt. Warum wollen Sie denn das Land in die Pleite laufen lassen?

Troost: Es geht nicht darum, das Land in die Pleite laufen zu lassen, und es geht auch nicht darum, Solidarität mit Griechenland und den anderen südeuropäischen Ländern zu üben. Aber das, was praktiziert wird seit 2010 mit allen Schirmen, mit allen Rettungsmaßnahmen, ist gnadenlose Spar- und Auflagenpolitik zu machen, mit denen man die Wirtschaft ruiniert und letztlich dann das Gegenteil von dem erreicht, was man erreichen will, also keine Reduzierung der Schulden, sondern einen Anstieg der Schulden. Ich fand das, was Herr Trittin im Bundestag gesagt hat, in weiten Teilen durchaus richtig. Aber dann darf man nicht die Schlussfolgerung daraus ziehen, dieser Politik weiter zuzustimmen, sondern dann muss man sagen, wir brauchen eine andere Politik, wir brauchen eine nachhaltige Wirtschaftsförderung in Griechenland, damit die Ökonomie wieder auf die Beine kommt, damit die Arbeitslosigkeit wieder runtergeht. Dann steigen auch Steuereinnahmen und dann kann man auch an eine Konsolidierung der Haushalte herangehen.

Kaess: Aber, Herr Troost, wenn wir jetzt noch mal ganz pragmatisch auf die Situation jetzt schauen - und darum geht es ja. Ohne die Hilfen wäre Griechenland zahlungsunfähig, müsste eventuell die Eurozone verlassen und das mit nicht abzusehenden Folgen.

Troost: Ja das ist auf der einen Seite schon richtig, dass wir dann Bankenzusammenbrüche und anderes erleben würden, und insofern …

Kaess: Nicht nur Bankenzusammenbrüche wahrscheinlich.

Troost: Bitte?

Kaess: Nicht nur Bankenzusammenbrüche wahrscheinlich.

Troost: Ja, aber auch, und viele Maßnahmen, die dann notwendig wären an Rettung, und insofern hat Griechenland ja durchaus auch ein Pfund in der Hand zu sagen, wir wollen auch eine andere Politik mit vereinbaren, wir wollen eine andere Politik machen, zu der natürlich auch gehört, dass die wirklich reichen Griechen und Griechinnen, also die Millionäre, auch wirklich mit zur Finanzierung des Staatswesens herangezogen werden. Was wir aber erleben ist eine immer weitere Fortsetzung der bisherigen Politik, und diese Politik wird scheitern und wir werden erleben, dass das Jahr 2013 noch einmal einen massiven Abschwung bedeuten wird. Die Wirtschaft in Griechenland, in Spanien, in Italien wird noch mal rückläufig sein mit steigender Arbeitslosigkeit, mit sinkenden Steuereinnahmen, und da muss gegengesteuert werden. Wir erleben in den USA, dass alle sagen, wir müssen Maßnahmen ergreifen, damit die sogenannte Fiscal Cliff, also die Fiskalklippe, an der die Wirtschaft möglicherweise zum Jahreswechsel herabstürzen würde, dass man dort alle möglichen Maßnahmen macht, um das zu verhindern. Europa ist auf einem ganz anderen Kurs, durch die Bundesregierung eingeschworen, und das halten wir für falsch.

Kaess: Aber, Herr Troost, in Athen selber wurden ja die Hilfsmaßnahmen begrüßt.

Troost: Die Hilfsmaßnahmen werden von der gegenwärtigen Regierung dort begrüßt, weil sie natürlich ihren Kurs so fortsetzen wollen. Aber dieser Kurs in Griechenland bedeutet eine riesige Verarmung für große Teile der Bevölkerung, er bedeutet noch mehr Arbeitslosigkeit. Insofern nutzen auch Kräfte in Griechenland diese Politik noch mal zu weiterer Umverteilung. Und wir sind in der Tat der Ansicht, wir brauchen Hilfen, aber die müssen anders aussehen als das, was mit diesen Auflagen gemacht wird.

Kaess: Aber die Regierung in Athen, die Sie gerade angesprochen haben, die ist ja demokratisch gewählt worden.

Troost: Das ist richtig. Insofern ist diese Politik durchaus im Augenblick auch in den Parlamenten mehrheitsfähig. Aber wir halten sie [unverständlich; Anmerkung der Redaktion] nicht im Interesse der Bevölkerung für sinnvoll und für richtig.

Kaess: Aber, Herr Troost, wie viel Solidarität kann man denn noch mehr üben als zu sagen, Griechenland bekommt noch mehr Zeit und wir füllen auch noch die vorhandenen Finanzlöcher auf?

Troost: Das Problem ist, dass sich das gut anhört, wenn man sagt, wir strecken oder wir machen Schuldenschnitte und anderes. Aber es bleibt dabei: Das Entscheidende ist natürlich, kriege ich die Realökonomie wirklich auch in den Griff. Sonst kann ich so viele Schuldenschnitte und Schuldenstreckungen machen, wie ich will. Unten bauen sich ständig weitere und immer mehr Schulden auf. Das ist das, was wir in den letzten Jahren erlebt haben und das werden wir auch in den nächsten Jahren erleben. Aber die Maßnahmen, die jetzt beschlossen sind - und deswegen sind sie natürlich im Interesse auch der Bundesregierung -, sollen letztlich bewirken, dass wir möglichst im Jahr 2013 keinerlei Finanzdebatte über Griechenland mehr haben bis zur Bundestagswahl, und dann ist es Frau Merkel und Herrn Schäuble gelungen, dieses Thema sozusagen über den Wahltermin hinauszuschieben.

Kaess: Was wären denn die Maßnahmen, die Sie beschließen würden?

Troost: Wir müssen - und dafür gibt es Überlegungen auch im Deutschen Gewerkschaftsbund, gibt es Überlegungen auch in der Wirtschaftswissenschaft -, wir müssen ein Zukunfts-, ein Investitionsprogramm für Südeuropa auflegen, um dem drohenden wirtschaftlichen Ruin entgegenzuwirken und um wirklich zu versuchen, auch Massenarbeitslosigkeit dort zu beseitigen. In die Richtung muss sozusagen Politik nachdenken und nicht in die Politik, in der es gegenwärtig läuft.

Kaess: Und was würde das den deutschen Steuerzahler kosten?

Troost: Das würde zunächst einmal sicherlich auch den Steuerzahler, die Steuerzahlerin etwas kosten, wobei Vorschläge schon sind, dafür zum Beispiel die Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer auch zu nutzen, auch eine europaweite Vermögensabgabe für Millionäre einzuführen. Insofern: Wir müssen eben, auch wenn wir solche Maßnahmen und solche Politikelemente nutzen wollen, diejenigen heranziehen, die bisher von der Politik ausschließlich profitiert haben.

Kaess: Also vom Sparen in Griechenland selber wäre dann keine Rede mehr?

Troost: Sparen kann eben auch heißen, zunächst einmal natürlich auch Reformen zu machen. Sparen kann aber eben auch heißen, endlich eine vernünftige Steuerreform in Griechenland zu machen.

Kaess: Das versucht man ja.

Troost: Das versucht man aber mit wesentlich zu wenig Elan. Letztlich ist es schon so, dass nach wie vor die Besserverdienenden, die Reichen nicht wirklich zur Finanzierung herangezogen werden.

Kaess: Zu wenig Elan von griechischer Seite aus?

Troost: Eindeutig! Was diese Fragen angeht, eindeutig wesentlich zu wenig Elan. Insofern hätten wir …

Kaess: Wie würden Sie denn dann Druck ausüben?

Troost: Druck ausüben schon, indem man auch andere Auflagen formuliert, also nicht Auflagen formuliert, wie Renten zu kürzen sind, wie im öffentlichen Dienst die Gehälter zu kürzen sind, wie Entlassungen vorzunehmen sind, wie Privatisierungen unter Druck durchgeführt werden müssen, sondern Auflagen zu machen, dass bestimmte Steuerreformen angesetzt werden, dass man Kontrollmitteilungen von den Schweizer Bankkonten verlangt, was an Zinseinnahmen Griechen dort haben, und die entsprechend auch mit in die Besteuerung hineinnimmt.

Kaess: Herr Troost, Die Linke will das Rettungspaket vor das Bundesverfassungsgericht bringen. Wie aussichtsreich glauben Sie denn ist das tatsächlich, nachdem das Bundesverfassungsgericht schon den ESM gebilligt hat?

Troost: Ich glaube, dass die Chancen nicht besonders groß sind. Man sollte es trotzdem versuchen. Aber ich setze eben weniger auf den juristischen Weg, sondern mehr auf den inhaltlich-politischen Weg.

Kaess: Axel Troost war das, er ist finanzpolitischer Sprecher der Links-Fraktion im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Troost.

Troost: Bitte schön - Tschüß!

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