Fiskalvertrag: Richtungsentscheidung für Europa nicht durch faule Kompromisse abkaufen lassen

MdB Axel Troost: Über das Junktim der SPD und Grünen zum Fiskalvertrag

07.06.2012

Für ihr Prestigeprojekt, den Fiskalvertrag, muss die Bundesregierung das Grundgesetz ändern und ist deswegen auf Stimmen aus den Reihen der Opposition angewiesen. Bis zum 13. Juni laufen dazu Verhandlungen auf verschiedenen Ebenen, an denen auch DIE LINKE teilnimmt.

DIE LINKE lehnt den Fiskalvertrag grundsätzlich ab. Mangels Verhandlungsmasse können wir das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Koalition und Opposition wenig beeinflussen. Wir sind unseren Wählerinnen und Wählern, aber auch den anderen Parteien, jedoch eine Antwort schuldig, wie wir uns zu den gemeinsamen Vorschlägen von SPD und Grünen verhalten.

Warum wir dem Fiskalvertrag nicht zustimmen können

Der Fiskalvertrag sieht insbesondere vor, dass alle teilnehmenden Staaten eine Schuldenbremse einführen, möglichst mit Verfassungsrang. Dies lehnen wir aus folgenden Gründen ab:

  • Zum ersten sprechen ökonomische Argumente gegen den Fiskalvertrag: Eine aktive Konjunkturpolitik wird künftig ebenso schwer möglich sein, wie eine gestaltende Finanzpolitik, etwa zur Einleitung der sozial-ökologischen Wende.
  • Zum zweiten ist der Fiskalvertrag ein Angriff auf die Demokratie, weil die nationalen Parlamente ihr Haushaltsrecht abtreten müssen, sofern sie gegen die ökonomisch ungerechtfertigten Vorgaben des Fiskalpakts verstoßen.
  • Zum dritten lehnen wir den Fiskalvertrag aus sozialpolitischen Gründen ab: Das Prinzip der Staatenkonkurrenz wird dazu führen, dass Haushaltskonsolidierung nicht etwa über höhere Steuern auf Vermögen oder Unternehmensgewinne erfolgen wird, sondern primär über Ausgabenkürzungen zu Lasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Empfängerinnen und Empfängern staatlicher Leistungen.
  • Der Fiskalvertrag ist eine Gefahr für den europäischen Integrationsprozess. Er wird in vielen Staaten dazu führen, dass die EU nur noch mit Sozialabbau und Entdemokratisierung in Verbindung gebracht wird.

Angesichts dessen halten wir einen Kompromiss mit der Koalition nicht für vertretbar. Zudem haben die Forderungen von SPD und Grünen einige erhebliche Schwächen.

Wachstumspakt

SPD und Grüne fordern, ähnlich der Wortwahl des französischen Präsidenten Hollande, den Fiskalpakt um einen Wachstums- und Beschäftigungspakt zu ergänzen. Die in diesem Zusammenhang ins Spiel gebrachten Projektanleihen zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten dürften jedoch lediglich einen Tropfen auf den heißen Stein darstellen. Das gilt ebenfalls für das geforderte Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit und die zusätzlichen zehn Milliarden Euro für die Europäische Investitionsbank.
Der Wachstumspakt ist somit eher eine PR-Nummer als ein Programm, das dem Namen gerecht wird.

Finanztransaktionssteuer

Tatsächlich ist es an der Zeit, die Blockade der widerborstigen FDP endlich aufzubrechen und entschlossen für eine teileuropäische Einführung einzutreten. Insofern ziehen hier SPD, Grüne und LINKE mit ihren Forderungen an einem Strang. Sinnig ist es auch, gegen verschiedene Aufweichungsversuche einzutreten.

Trotz allem: Die Finanztransaktionssteuer ist traditionell ein Instrument zur Finanzierung globaler Angelegenheiten, sprich Entwickungshilfe und weltweitem Umwelt- und Klimaschutz, wie Attac und die Kampagne "Steuer gegen Armut" fordern. Der Bundestag darf sich nicht aus seiner Verantwortung gegenüber dem Rest der Welt stehlen, weil die Gelder aus der Steuer nun für die Eurokrise gebraucht werden. Entsprechend sind weitere Einnahmequellen notwendig. Umso befremdlicher, dass sich die Forderung der Grünen nach einer Vermögensabgabe nicht mehr im gemeinsamen Papier mit der SPD wiederfindet. In Fragen der Vermögensbesteuerung könnte der Bundestag sehr viel mehr in Eigenregie erreichen als bei der Finanztransaktionssteuer, wo es wegen widerspenstiger europäischer Regierungen nur schleppend voran geht.

Schuldentilgungsfonds

SPD und Grüne haben sich den Vorschlag eines Schuldentilgungsfonds angeeignet, der vom "Sachverständigenrat zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung" ausgearbeitet wurde. Demnach würden die teilnehmenden Staaten ihre über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinausgehenden Schulden in einen gemeinsamen Fonds auslagern und dafür zeitweise eine Finanzierung durch Anleihen des Fonds erhalten (im Sinne von Euroanleihen). Im Gegenzug müssten sich die Staaten auf eine Schuldenbremse und einen Tilgungsplan verpflichten, was allerdings bereits mit dem Fiskalvertrag geschehen wird.

Die zeitweise Finanzierung über den gemeinschaftlichen Fonds soll den Staaten Zeit verschaffen, damit sie das Vertrauen der Finanzinvestoren zurück gewinnen können. Ziel einer emanzipatorischen Politik sollte jedoch nicht sein, die Finanzmärkte wieder gnädig zu stimmen, sondern ihr Diktat dauerhaft zu überwinden – etwa durch Euroanleihen oder eine Neuausrichtung der Europäischen Zentralbank.

Darüber hinaus ist der Vorschlag insgesamt nicht besonders erfolgversprechend: Spanien leidet unter düsteren Zukunftsaussichten, nicht unter einem hohen Schuldenstand. Gemäß Schuldentilgungsfonds stünden Spanien nur 88 Milliarden Euro zu, was kaum Druck vom Kessel nehmen würde. Der zweite große Wackelkandidat, Italien, müsste gemäß Schuldentilgungspakt nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, was schon schwierig genug wäre. Italien müsste sogar zusätzlich jährlich Schulden in Höhe von etwa 50 Milliarden Euro tilgen. Wie das geschehen soll, bleibt ausgeklammert.

Somit ist der Schuldentilgungsfonds eine nette Idee, wenn man die Bundesregierung mit der Vergemeinschaftung von Schulden ärgern will, aber impraktikabel, wenn die Krise überwunden werden soll.

Ausblick

Viel können wir uns also nicht von den Verhandlungen versprechen: Die SPD-Führung wird eher Willy Brandt verstoßen anstatt dem Fiskalvertrag die Zustimmung zu verweigern. Deswegen werden die SPD (und mit ihr auch die Grünen) sich ihre Zustimmung wohl billig abkaufen lassen. Am einfachsten wird dies bei der Finanztransaktionssteuer sein, wo die Koalition in sich uneins ist. Angesichts der Dimension der Eurokrise, die das europäische Projekt grundsätzlich in Frage stellt, wäre eine Steuer auf Finanzgeschäfte im Promillebereich aber kein wirklicher Durchbruch. Auch ein paar Milliarden für einzelne Projekte sind eine unzureichende Antwort auf die gravierenden Probleme der Währungsunion und die falsche Rettungsstrategie der Bundesregierung. Wer einen Kurswechsel in der Krisenpolitik erreichen will, muss auf DIE LINKE setzen.