Frau Merkel muss Garantiezusagen für private Spareinlagen per Gesetz absichern

08.10.2008 / Statement von Ulrich Maurer, Mitglied des Geschäftsführenden Parteivorstandes, auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren! Spätestens nach den Abläufen und vor allem den abenteuerlichen Bekundungen der letzten Tage steht aus unserer Sicht fest, dass die Bundesregierung, insbesondere Frau Merkel und Herr Steinbrück, nicht die Lösung des Problems sind, sondern ein Teil dessen.

Ich habe – wie Sie wahrscheinlich auch – mir gestern die Augen gerieben und zur Kenntnis genommen, dass die beiden, Frau Merkel und Herr Steinbrück, alle Spareinlagen, alle Girokonten, alle Termingeldeinlagen aller Deutschen garantiert haben. Wir rätseln seitdem, auf wie viel sich Frau Merkel da verbal verpflichtet hat. Da geistern ja jede Menge Zahlen durch die Gegend. Der Pressesprecher des Bundesfinanzministers, von dem man ja vielleicht glauben sollte, dass er irgendwas von dem Zeug versteht, hat gesagt, es seien 568 Milliarden, 511 Milliarden wurde heute auch schon geboten. Auch die „Süddeutsche“ hat heute gerechnet und kommt auf 1,2 Billionen, andere kommen auf 1,6 Billionen und sogar 3 Billionen werden geboten. Das zeigt natürlich, in welchem Zustand sich die Akteure befinden.

Wir erwarten von der Frau Bundeskanzlerin, dass sie entsprechend dieser vollmundigen Ankündigung umgehend im Deutschen Bundestag ein Gesetzentwurf vorlegt, in dem dieses Versprechen rechtlich verbindlich konkretisiert wird. Wenn das nicht geschieht – und immerhin haben die Vereinigten Staaten per Gesetz alle Spareinlagen bis 250.000 Dollar garantiert, und Frau Merkel will ja alles garantieren, wenn ich das richtig verstanden haben – also wenn ein solches Gesetz nicht umgehend eingebracht wird, dann muss man allerdings sagen, waren diese Sprüche von gestern und heute nicht mal soviel wert, wie das Mikrofon, in das sie hineingehustet worden sind. Wir erwarten in der morgigen von uns beantragten Debatte des Parlaments ebenfalls eine Erklärung der Frau Bundeskanzlerin, was und wie sie sich das eigentlich gedacht hat.

Wir müssen heute zur Kenntnis nehmen, dass die Aktienmärkte sich auch in Deutschland im freien Fall befinden. Das ist offensichtlich eine Reaktion auf diese Ankündigung. Ich weise darauf hin, dass die österreichische Regierung gestern erklärt hat, dass sie solche Ankündigungen nicht machen werde. Sie hat es damit begründet, dass damit nur Unsicherheit und Angst erzeugt würden. Ich bitte die Bundesregierung, das zur Kenntnis zu nehmen. Aber wie gesagt, es ist jetzt zum Besten gegeben worden und wehe uns allen, wenn jetzt nicht die entsprechenden Taten folgen. Deswegen erwarte ich in kürzester Frist die rechtlich verbindliche Konkretisierung – also ein Gesetz – dieser vollmundigen Ankündigung.

Ich habe heute gelesen, dass der Finanzminister sich sogar noch zu einer höheren Wolke verstiegen hat. Er will jetzt den gesamten deutschen Bankensektor garantieren. Nach dem Vorbild der Republik Irland, nehme ich an. Da hat man das ja schon ausgerechnet, da kostet es das Zweifache des Bruttosozialproduktes der gesamten Republik Irland. Ich schätze mal grob, in Deutschland wäre es der Gegenwart von sieben bis acht Bundeshaushalten. Auch da hätten wir gern konkrete, rechtlich verbindliche Vorlagen gesehen, anstatt solche Dinge in die Welt zu blasen.

Insofern ist das Handeln und Treiben des Bundesfinanzministers und der Frau Bundeskanzlerin außerordentlich besorgniserregend und keinesfalls geeignet, wirklich zu beruhigen. Es passt sich natürlich ein in die Art und Weise, wie der Fall Hypo Real Estate bisher behandelt worden ist. Da reibt man sich ja die Augen. Die Beteiligten tun jetzt so, als ob das Geschäftsmodell der DEPFA-Bank, die zum Zweck der Vermeidung von Steuerzahlungen ihren Sitz in Irland hat, dass dieses Geschäftsmodell der Bundesregierung bis vor wenigen Tagen unbekannt gewesen sei. Die Bundesregierung hatte aber über ein Jahr Zeit, sich mit diesem Geschäftsmodell zu befassen. Da muss man ja wohl zu recht die Frage stellen, ob es überhaupt eine Finanzaufsicht in Deutschland gibt und warum die Beteiligten jetzt zu solchen überraschenden Erkenntnissen über die Geschäftsmodelle der Hypo Real Estate kommen, nachdem sie vorher Monate Zeit hatten, diese Geschäftsmodelle zu studieren und ggf. auch zu unterbinden. Das ist ja wohl Sinn und Zweck einer Finanzaufsicht.

Schlechtes Krisenmanagement der Bundesregierung

Das passt sich ein in die Art und Weise, wie dann dieses Krisenmanagement gemacht worden ist, indem man Knall und Fall mit dieser Bürgschaft überzogen hat. Im Moment versuchen wir noch herauszufinden, was wohl die beteiligten Banken jetzt veranlasst hat, ihr Kreditengagement gegenüber der Hypo Real Estate zu erhöhen. Wenn ich es mir richtig erschlossen habe, dann ist es wohl gelungen, die EZB dazu zu drängen, Wertpapiere, die sie vorher für nicht werthaltig gehalten hat, als Sicherheit zu akzeptieren. Wenn das so wäre, wäre das auch ein gefährlicher Weg, weil es dann eine besondere Form der Geldschöpfung wäre. Leider ist es so, dass Notenbanken sogar Gelder zur Verfügung stellen können, ohne Sicherheiten zu erhalten. Das war in früheren Zeiten der Weg in die Inflation.

Ich muss feststellen, dass es ein erstaunlicher Vorgang ist, wenn jetzt von Seiten der Grünen, aber insbesondere auch von Seiten der Union der Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden der Hypo Real Estate heute verlangt wird. Man fragt sich dann, warum eigentlich der Rücktritt eines Managements, das nach Aussagen des Bundesfinanzministers ihn getäuscht habe, nicht zur Bedingung zur Vergabe einer Bürgschaft gemacht worden ist. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Deswegen offenbart diese vollmundige Kritik bei gleichzeitiger eigener Handlungsunfähigkeit auch nur Hilflosigkeit. Und deswegen ist auch das nicht glaubwürdig, was da jetzt an Ankündigungen in die Welt gesetzt wird.

Ich höre auch, dass jetzt angekündigt wird, man wolle nun harte Spielregeln für die Finanzmärkte haben. Auch da hatte die Bundesregierung ein Jahr Zeit. Die Finanzmarktkrise ist jetzt über ein Jahr alt. Die deutsche Regierung hat in dieser ganzen Zeit die Dinge nur schön geredet, ausgesessen und nichts gemacht. Das ist ein objektiver Befund. Und deswegen haben alle Beteiligten schon in der Vergangenheit objektiv versagt. Es ist relativ einfach – man beklagt jetzt, selbst vollmundig in Talkshows, das System der Ausgründungen und Zweckgesellschaften. Die Bundesregierung hätte solche Zweckgesellschaften verbieten können. Das kann sie auch heute noch. Man beklagt das Kettenbriefsystem mit Kreditverbriefung. Die Bundesregierung könnte das sofort beenden. Dann müsste sie allerdings den Koalitionsvertrag ändern, in dem die Förderung von Kreditverbriefungen ausdrücklich als Ziel der Regierungen drin steht. Im Übrigen könnte ja auch die Bundesregierung die Zulassung von Hedge-Fonds sofort untersagen. Tut sie aber nicht.

Deswegen ist alles, was im Moment geredet wird, nicht ehrlich und nicht glaubwürdig. Unsere Einschätzung ist, dass alle Beteiligten nur versuchen, Zeit zu gewinnen in der Hoffnung, dass irgendetwas Wundersames geschieht und alles wieder gut wird und sie nichts tun müssen. Das ist mein Eindruck. Nur so ist es im Übrigen auch zu erklären, warum man – wie wir das verlangen und auch andere jetzt verlangen – nicht zur Bedingung für die Rettung von Banken gemacht hat, dass dann Aktienpakete an den Staat gehen, zum Beispiel im Weg der Vorzugsaktien oder anderen Möglichkeiten. Es kann doch nicht sein, dass mit dem Geld und dem Risiko des Steuerzahlers diese Institute gerettet werden, die Verluste werden sozialisiert, und danach verdienen, wenn sie Glück haben, die Herrschaften wieder Geld und deren Gewinn wird dann wieder privatisiert. Das kann nicht sein. Alles, was bisher in Deutschland gelaufen ist, sind Rettungsaktionen ohne jede Gegenleistung. Das ist vollkommen unakzeptabel. In einem Land, in dem dieser Tage wieder festgestellt worden ist, dass Hartz IV gerade für das nackte Überleben reicht und nicht für die Teilnahme am kulturellen und sozialen Leben von Menschen, ist dieses Verhalten der Bundesregierung besonders skandalös.

Wir beharren darauf, dass die Vorgänge – das war der erste Akt bei KfW und IKB – einer Untersuchung zugeführt werden müssen. Ich bedaure sehr, dass offensichtlich die FDP die Courage verloren hat in dieser Frage. Ich bin im Übrigen der Ansicht, dass diese Vorgänge eigentlich auch ein Feld wären, wie andere Vorgänge auch, für die Staatsanwaltschaften in Deutschland. Es ist nicht umsonst so, dass selbst in den USA jetzt die Bundespolizei ermittelnd tätig wird bei diesen Vorgängen. Wenn es so ist, wie ich überall höre, dass im Fall der IKB vom Verkäufer der IKB Papiere angedreht wurde, bei denen der Verkäufer längst schon auf Verlust gewettet hat, dann ist das – und ich bin von Hause aus Strafverteidiger und kann das manchmal nicht verleugnen – schlicht Betrug. Wenn Ihnen jemand ein Auto verkauft, von dem er weiß, dass der Motor nicht mehr funktioniert, dann ist das Betrug. Auch da muss man staunen, dass offensichtlich die Rechtskultur selbst in diesem neoliberalen Amerika des Herrn Bush noch besser entwickelt ist als in der Bundesrepublik Deutschland.

Koalitionsausschuss: Entscheidungen zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger

Das sind die Dinge, die ich zum Thema Finanzmarktkrise sagen möchte. Ich möchte aber auch noch ein paar Sätze zur Sitzung des gestrigen Koalitionsausschusses sagen. Die Koalition hat aus unserer Sicht erneut bewiesen, dass sie es mit der Mehrheit der Bevölkerung nicht gut meint. Die Beschlüsse zum Thema Anhebung der Krankenkassenbeiträge bei gleichzeitiger Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung muten an wie ein Taschenspielertrick. Man nimmt es den Leuten aus der einen Tasche und steckt einen Teil davon wieder in die andere Tasche. Das Ganze ist wieder eine Operation vor allem zugunsten des Arbeitsgeberlagers. Es ist unschwer vorherzusagen, dass bei einem Teil der Krankenkassen dieser jetzt festgesetzte Beitrag nicht reichen wird. Sie werden sich dann mit Sonderzahlungen zu Lasten ihrer Versicherten bedienen, das haben sie schon angekündigt. Da sind dann die Arbeitnehmer wieder fein raus bei dieser Angelegenheit. Ob es angesichts der wirtschaftlichen Verwerfungen, die uns jetzt durch die Finanzmarktkatastrophe drohen, klug ist, die Arbeitslosenversicherung in ihren Möglichkeiten zu beschränken, will ich sehr bezweifeln. Das wird dann im Zweifel wieder zu erneuten Leistungskürzungen zu Lasten der Arbeitslosen führen. Und ich nehme an, dass die, die das machen, das auch schon billigend in Kauf nehmen.

Ich will in dem Zusammenhang auf etwas hinweisen – da schließt sich wieder die Brücke zur so genannten Finanzmarktkrise: Wir haben derzeit schon in den Vereinigten Staaten die Situation der so genannten Kreditklemme. Das heißt, das kleine und mittelständische Unternehmen keine Kredite mehr bekommen. Was zum Teil dazu führt, dass sie Energierechnungen und Lohnkosten nicht mehr begleichen können. Warum die Bundesregierung glaubt, dass das hier nicht stattfinden wird, ist ihr großes Geheimnis. Aber sie hat ja, wie gesagt, auch ein ganzes Jahr lang nichts getan, weil sie geglaubt hat, dass sie mit all dem hier nichts zu tun hat.

Wir sind der Auffassung, dass wir stattdessen jetzt alles tun müssen, um uns zu wappnen für eine Rettung der Realwirtschaft in Deutschland, nicht dieser maroden Bankenlandschaft in Teilen, falls es so laufen sollte wie in den USA. Und deswegen ist es natürlich unsinnig, das Geld des Steuerzahlers einzelnen Banken hinterher zu werfen und nachher, wenn es zum Schwur kommt, nicht mehr fähig zu sein zur Reaktion. Durch die Politik der Regierung jetzt und der Vorgängerregierung Schröder ist das Land so extrem exportabhängig geworden, dass uns für den Fall, dass es so weiter geht mit unseren Haupthandelspartnern in Westeuropa und in den USA, sehr schlimme Dinge drohen. Und dann müssten wir erst recht in der Lage sein, mit realem Geld die reale Wirtschaft zu stützen in Deutschland. Und insbesondere müssten wir dringend dafür sorgen, dass die Binnenkonjunktur angehoben wird in dieser Situation. Dazu aber sehe ich nach wie vor keine Bereitschaft. Selbst auf diesem Feld ist der französische Präsident Sarkozy geradezu ein Linksradikaler verglichen mit Frau Merkel.

Diesen Bogen wollte ich zum Thema Taschenspielertricks bei den Sozialversicherungssystemen schlagen.

Wir sind unverändert für die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung. Wir glauben, dass alle Einkommensarten beteiligt werden müssen an dieser Bürgerversicherung. Wir glauben, dass das Zwei-Klassen-Gesundheitssystem überwunden werden muss in diesem Zug und nur so das Gesundheitssystem mit den notwendigen Finanzmitteln ausgestattet werden kann, ohne wie bisher immer wieder die Masse der Arbeitnehmer einseitig zu belasten.

Die Kindergelderhöhung von 10 Euro für die ersten beiden Kinder und 16 Euro ab dem dritten Kind ist gegenüber den Familien fast eine ähnliche Beleidigung wie die Anhebung der Rente um 1 Prozent gegenüber den Rentnerinnen und Rentnern. Das bedeutet nämlich nicht mal Inflationsausgleich. Das heißt, die Lage der Familien mit Kindern verschlechtert sich.

Ich habe zu meinem Entsetzen gelesen, dass die SPD einer Verfassungsänderung zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren zugestimmt hat. Ich kann nur sagen, ich habe in der alten Bundesrepublik immer gelernt, schon in der Schule und später an der Universität, das Kennzeichen eines Rechtsstaat sei die strikte Trennung der Aufgaben von Polizei, Nachrichtendiensten und der Armee, nur in Diktaturen wird die Armee im Inneren eingesetzt. Darin realisiere sich das eherne Prinzip der Gewaltenteilung. Das soll jetzt offenkundig durchbrochen werden. Ich muss sagen, ich halte das für eine geradezu verfassungsfeindliche Aktion, die da verabredet worden ist. Wir werden dem einen äußersten Widerstand entgegensetzen und ich hoffe, dass sich dieses Parlament sich soweit aufrafft, dass hier eine verfassungsändernde Mehrheit nicht zustande kommt.