Die vier Geschädigten: Die Zeche zahlen die Kunden, die Umwelt und Beschäftigten sowie die Lieferanten!

Von Heinz-J. Bontrup

19.10.2015 / alternative-wirtschaftspolitik.de, Oktober 2015

Wer hat den Gau bei VW zu verantworten? Sind es einzelne Personen, wie die jetzt geschassten Manager, oder ist es vielmehr das System, das hier versagt hat? Natürlich sind es immer Menschen die versagen, dies geschieht aber nicht systemunabhängig. Das war in der Banken- und Finanzkrise nicht anders als jetzt in der VW-Krise oder auch bei den ADAC Betrügereien. Entscheidende Ursache ist letztlich immer der systemisch kapitalistisch immanente Profittrieb von Seiten der Kapitaleigner, der gegen Konkurrenzunternehmen und Konsumenten am Markt befriedigt werden muss. Deshalb versuchen Unternehmer und vom Kapital eingesetzte Manager ständig die ungeliebte Konkurrenz auszuschalten, um in marktbeherrschende Macht- und Ausbeutungspositionen gegenüber Nachfragern zu gelangen. Jüngste spektakuläre Fälle von Kartellenttarnungen sind da nur die Spitze des Eisbergs für die Manifestation von Betrügereien und kriminellen Handlungen zum Schaden der Allgemeinheit. Um einzelwirtschaftliche Kosten zur Maximierung des Profits zu senken werden auch massenhaft Umweltschädigungen und Raubbau am Menschen, selbst der Tod von Beschäftigten, billigend in Kauf genommen. Nicht vergessen sind die 1.130 toten Fabrikarbeiter in Bangladesch, denen 2013 das vollkommen unsicher gebaute Fabrikgebäude über dem Kopf einstürzte. Eine unbegrenzte Raffgier der Fabrikbesitzer machte das Gericht als Ursache aus. Bei der Rendite fürs Kapital hört schließlich jegliche Moral auf. Nach wie vor gilt, wie Marx den englischen Gewerkschaftler Dunning zitierte: „Mit entsprechendem Profit wird das Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden. 20 Prozent und es wird lebhaft; 50 Prozent positiv waghalsig: für 100 Prozent stampft es alle menschliche Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens.“

Und jetzt sind die Abgasmanipulationen bei VW aufgeflogen. Sie reihen sich ein. „Umweltauflagen zu umgehen,“ schreibt der renommierte Ökonom Rudolf Hickel, „dienten dem Ziel geringere Kosten durch die Reduktion der Katalysatortechnik zu erzielen,“ und um damit schließlich höhere Profite zu realisieren. Ein vermehrter gesundheitsschädigender Ausstoß an Stickoxiden wurde so in Kauf genommen. Aber nicht nur dafür steht VW weltweit in der Kritik und es drohen jetzt gigantische Schadensersatzforderungen. Experten gehen womöglich von 50 Milliarden Euro aus. Gleichzeitig klagt man VW auch in Brasilien wegen Bespitzelung und Folter von Beschäftigten während der Militärdiktatur in den Sechziger und Siebzigerjahren an. Auch dies könnte gewaltige Entschädigungen nach sich ziehen. Und vielleicht trauen sich jetzt auch noch die von VW systematisch ausgebeuteten Lieferanten, den offensichtlich nicht mehr kontrollierbaren Riesenkonzern mit 600.000 Beschäftigten beim Bundeskartell wegen Nachfragemachtmissbrauch anzuzeigen. Tun die Lieferanten dies weiter aus nackter Angst vor VW nicht, werden auch sie die Zeche zu zahlen haben. Und die Beschäftigten wird das Management für das eigene Versagen, dies ist eine totale Pervertierung, mit Entgeltkürzungen und Entlassungen büßen lassen. Die vielen Leiharbeiter bei VW werden es unter den Beschäftigten als Erste zu spüren bekommen. Dagegen sind die Beruhigungssprüche des Konzernbetriebsratsvorsitzenden, Osterloh, nur als naiv einzustufen, wenn er vom Management keine Auswirkungen der VW-Krise auf die Beschäftigten einfordert bzw. sogar erwartet. Hier ist übrigens die Frage zu stellen, wo eigentlich die vielzitierte erweiterte Mitbestimmung bei VW war? Schon einmal ist sie realiter negativ bei der Hartz-Affäre aufgefallen. Und auch das sogenannte VW-Gesetz, mit dem öffentlichen Eigentümer Land Niedersachsen, war offensichtlich kein widerstreitender Garant für den jetzt eingetretenen Gau. Und warum nicht? Weil beide sich den Wahnvorstellungen eines Managements Bester, Erster und der größte Automobilproduzent der Welt werden zu wollen, kritiklos untergeordnet haben. Dies hat schließlich eine Unternehmenskultur geschaffen, die einerseits von autoritär-paternalistisch führenden Eliten nach wie vor dominiert ist und andererseits alles dem Bessersein und dem Ausbeuter-Profit unterordnet.