Wir haben unsere Infrastruktur nur von der nächsten Generation geliehen – ein Denkanstoß

Ein Plädoyer für einen bundesweiten Infrastruktur-Erhaltungs-Fonds von Axel Troost

15.01.2015 / 15.01.2015

Mittlerweile fast unumstritten in allen politischen Lagern und gesellschaftlichen Kreisen wird ein dringender und großer Investitionsbedarf zur Erhaltung der öffentlichen Infra­struktur in Deutschland anerkannt.[1] Die Bundesrepublik investiert in vielen Bereichen weniger in ihrer Infrastruktur als zu ihrer reinen Erhaltung notwendig wäre und hinkt damit anderen nordeuropäischen Ländern weit hinterher.[2] Die Kommunen, welche den größten Teil der öffentlichen Infrastrukturmaßnahmen tragen müssen, sind mit immer weniger dafür verfügbaren Mitteln nicht mehr in der Lage, dies zu leisten.[3] Die Stimmen werden immer lauter, die eine konzentrierte und nachhaltige Initiative fordern, bei­spielsweise in Form eines dauerhaften Investitionsfonds für Öffentliche Infrastruktur.[4]

Hier soll dieser interessante Vorschlag um einen wichtigen Aspekt konkretisiert werden: Denn für eine Gesamtschätzung der öffentlichen Investitionslücke werden zu den Erhal­tungskosten (z.B. Straßennetz) zumeist auch weitere dringende Zukunftsinvestitionen addiert (z.B. Breitbandausbau). Erstere dienen aber ausschließlich der Erhaltung des Bestehenden, während letztere das Bestehende verbessern und ausbauen sollen.

In der aktuellen Situation kommt der Unterscheidung dieser beiden „Baustellen“ eine zentrale Rolle in der politischen Diskussion zu: Denn selbst wenn eine Generation be­schließt, sich mit der vorhandenen Infrastruktur zu begnügen (um beispielswiese lieber eine „schwarze Null“ im Bundeshaushalt als schnelles Internet im ganzen Bundesgebiet zu realisieren), so wäre es absolut verantwortungslos gegenüber nachfolgenden Gene­rationen, die bereits vorhandene Infrastruktur herunterzuwirtschaften und verfallen zu lassen. Ähnlich einer egoistischen Erbengeneration würde das von den Eltern und Großeltern Aufgebaute und Erwirtschaftete verprasst und den eigenen Kinder das schwere Los aufgebürdet, wieder von vorne anfangen zu müssen. Mit Recht würden nachfolgende Generationen Anklage erheben.

Es liegt also in der Verantwortung jeder Generation, die Erhaltung des Bestehenden weitgehend nach technischen Dringlichkeitsgesichtspunkten zu entscheiden (also kei­nen Sanierungsstau aufkommen zu lassen), hingegen über die Verbesserung und den Ausbau des Bestenden eine politische Diskussion zu führen, welche qualitativen Neue­rungen wohl am zukunftsfähigsten wären.

Ein zweckgebundener Fonds zur Erhaltung der Infrastruktur könnte hier die dringend benötigte Handlungsfähigkeit und Kostentransparenz schaffen.[5] Zur Schaffung und Er­haltung einheitlicher Lebensverhältnisse in Deutschland sollte dieser Infrastrukturerhal­tungs-Fonds zentral aus Bundesmitteln gespeist und seine Mittel nach objektiven Krite­rien für die Instandhaltung von Infrastruktur im gesamten Bundesgebiet verwendet wer­den.

Zur Finanzierung eines solchen Fonds sind verschiedene Vorschläge im Gespräch, die von Anleihen6 bis Steuern reichen. Naheliegend ist, dass dies eine angemessene und sinnfällige Verwendung für den Solidaritätszuschlag wäre, welcher damit auch seinen schlechten Ruf durch die „Bevorzugung“ des Ostens los wäre und wieder breite Akzep­tanz in der Bevölkerung gewinnen könnte.

Entscheidend ist, dass wir der Verantwortung unserer Generation gerecht werden und die uns anvertraute Infrastruktur erhalten, um sie in einem guten Zustand an die nächs­te Generation zu übergeben.

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[1] Der deutsche Städte- und Gemeindebund hierzu in einer aktuellen Stellungnahme: „Nahezu unverändert hoch ist auch der Investitionsrückstand in deutschen Städten und Gemeinden. Bei kommunalen Straßen, Schulen und Sportstätten wird seit Jahren nur noch notdürftig ge­flickt und nicht mehr grundlegend saniert oder neu gebaut. Die KfW Bankengruppe beziffert den kommunalen Investitionsrückstand im Jahr 2014 auf 118 Milliarden Euro.“ Quelle: Bilanz 2014 und Ausblick 2015 der deutschen Städte und Gemeinden. Online: www.dstgb.de

[2] Siehe Grafik Verkehrsinvestitionen im EU-Vergleich (Handelsblatt vom 4.12.21012) nach Kie­pe, Folkert: Der ÖPNV als tragende Säule der kommunalen Verkehrsinfrastruktur – Rechts­rahmen, Finanzbedarf und neue Finanzierungsmodelle, 2014. Online: www.arbeitnehmerkammer.de

[3] „Größter Investor sind in Deutschland die Kommunen, auch wenn ihr Anteil an staatlichen Bruttoinvestitionen von 63,6 % in 1991 heute auf 50,1 % gesunken ist. Sie brauchen dringend finanzielle Unterstützung und Handlungsspielraum für rentierliche Investitionen, um die öffent­liche Daseinsvorsorge bedarfsgerecht auszugestalten.“ Quelle: „Sieben Thesen aus Sicht der Gewerkschaften für die Expertenkommission ‚Investitionsstrategie‘“ (2014). Online: www.igmetall.de

[4] „Mit der Flickschusterei vor Ort muss es ein Ende haben. „Wir müssen schnell und effektiv investieren, um den fortschreitenden größten Verfall von öffentlichem Eigentum seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland in unseren Städten und Gemeinden zu beenden“, (…) Dabei geht es uns nicht nur ums Geld, sondern wir fordern einen Masterplan, der auch die Investiti­onshemmnisse systematisch beseitigt. Der Masterplan sollte folgende Eckpunkte enthalten:

(1) Einrichtung eines dauerhaften Investitionsfonds für Öffentliche Infrastruktur der Städte und Gemeinden. (…)“ Quelle: DStGB-Pressemitteilung Nr. 02/2015. Online: www.dstgb.de

[5] Vergleiche hierzu Kiepe, Folkert: Zur Finanzierung der kommunalen Infrastruktur nach der Föderalismusreform – Rechtsrahmen, Bedarfsentwicklung, Finanzierungsgrundlagen (Teil 1 & 2), in: Infrastruktur-Recht Energie Verkehr Abfall Wasser, Heft 9 & 10, 2014

[6] Beispielsweise folgende Konstruktion: „So könnten öffentliche Investitionen in den Mitglieds­staaten auch durch die Ausgabe von Anleihen der Europäischen Investitionsbank (EIB) zu niedrigen Zinsen finanziert werden. Kaufe die EZB im Rahmen ihrer Politik der quantitativen Lockerung solche EIB-Bonds auf den Sekundärmärkten, könnten die Mitgliedsstaaten in not­wendige Projekte, die das zukünftige Wachstumspotenzial erhöhen, investieren, ohne, dass die Staatshaushalte für eine Übergangszeit belastet würden.“ Quelle: OFCE, ECLM, IMK: In­dependent Annual Growth Survey, Third Report, 2014. Online: www.boeckler.de