"Wir sind alle Attac!"

Erklärung des Instituts Solidarische Moderne e.V. (ISM)

23.10.2014 / Instituts Solidarische Moderne, 22.10.2014

Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Netzwerks Attac durch das Finanzamt Frankfurt ist eine schallende Ohrfeige für demokratisches und zivilgesellschaftliches Engagement in der BRD. Dem Netzwerk, seinen 30.000 Mitgliedern und ungezählten Mitstreiter_innen im Handstreich den finanziellen Boden zu entziehen, erweist dem vom Finanzamt in Anspruch genommenen „Gemeinwohl" einen Bärendienst.

Es fällt uns schwer zu glauben, dass es sich dabei um einen juristischen Zufall handeln soll. Die Stadt des Geschehens jedenfalls erlebt nicht zum ersten Mal in jüngster Zeit eine eigenwillige Auslegung demokratischer Rechte. Wie das für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit verantwortliche Finanzamt hat Attac seinen Sitz in Frankfurt – der Stadt, in der staatliche Stellen in den letzten Jahren wiederholt rechtswidrig gegen die Blockupy-Demonstrationen vorgegangen sind, zu deren maßgeblichen Träger_innen Attac gehörte und gehört.

Das Finanzamt kassiert mit diesem Schritt nun kurzer Hand die Geschäftsgrundlage des Netzwerks. Im Gegensatz zu den millionenschweren Meinungsmachern der neoliberalen Politik sind Attac und andere auf ihren vereinsrechtlichen Status angewiesen, um ihre politische Unabhängigkeit durch breite Spendenaufkommen zu gewährleisten. Wirksames zivilgesellschaftliches Engagement kostet Geld - Geld, das nicht von mächtigen Interessen spen- diert wird. Die Chancen, gegen die finanzstarken Akteure der politischen Öffentlichkeit anzukommen, sind für zivilgesellschaftliche Initiativen und soziale Bewegungen ohnehin stark begrenzt. Diese Möglichkeiten dürfen nicht weiter beschnitten, sondern müssten im Gegenteil deutlich gestärkt werden.

Der Zustand der Demokratie wird allenthalben beklagt: wachsende Entpolitisierung, aggressiver Lobbyismus und eine zunehmend sensationsorientierte Öffentlichkeit sind nur einige prominente Beispiele einer weit geteilten Zeitdiagnose. Die Zeit, in der wir leben, verlangt offensichtlich und dringend nach mehr unabhängigem politischem Engagement - und nicht nach dessen staatlicher Behinderung. Erneut schaut man aber lieber mit Argusaugen denjenigen auf die Finger, die sich durch eine kritische Haltung gegenüber diesem Zeitgeist unbeliebt machen.

„Wir sind alle Attac!“: Viele von uns sind Mitglieder, einige haben sich aktiv in das Netzwerk eingebracht, viele Personen aus Attac haben an der Arbeit unseres Instituts aktiv mitgewirkt. Als Programmwerkstatt versucht das ISM, Brücken zu bauen zwischen unterschiedlichen Akteuren und Strömungen des linken Spektrums. Personen aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Parteien und Bewegungen arbeiten hier zusammen mit dem Ziel, ein breites gesellschaftliches Bündnis um ein neues Gegenprojekt zum neoliberalen Kapitalismus zu versammeln. Dieses Engagement ist in Deutschland ohne Attac kaum denkbar. Die Gemeinnützigkeit des Netzwerks muss wieder zugestanden und seine wertvolle Arbeit anerkannt werden.

Die Entscheidung des Finanzamtes Frankfurt könnte als Präzedenzfall Geschichte machen und nach dem Netzwerk eine Vielzahl anderer Initiativen treffen. Sie ist im Übrigen nicht die erste ihrer Art: Im Februar 2008 sprach das Finanzamt Frankfurt bereits dem Frankfurter Dritte Welt Haus (DWH) die Gemeinnützigkeit ab - rückwirkend auf das Jahr 2003. Umso dringender sind wir alle aufgefordert, dem Netzwerk zur Seite zu stehen: es geht um unsere grundlegenden Rechte und unsere gemeinsame politische Praxis. Wir sollten beides gemeinsam verteidigen.

Der Vorstand des ISM