Im Streit ums Geld wird die Bankenaufsicht gerupft

Von Dr. Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE und Mitglied im Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin)

22.07.2013 / 21.07.2013

Die Euro-Staaten wollten mit der Bankenunion ihre Zombiebanken beleben. Nun rückt dies in weite Ferne – und dafür bekommen wir eine unausgereifte gemein­same Bankenaufsicht.

Im Juni 2012 schien es, als würden die Staats- und Regierungschefs der EU endlich das Problem der Zombie-Banken angehen – Banken, die weder tot noch lebendig sind. Angesichts schlechter Konjunkturaussichten vergeben die Banken in den Krisenländern kaum noch Kredite und sind hauptsächlich damit beschäftigt, Löcher in ihren eigenen Bilanzen zu stopfen. Das Beispiel Japans zeigt, wie solche Banken eine Volkswirtschaft über Jahre nach unten ziehen können. Erfahrungsgemäß sind für den Staat eine schnelle Bilanzbereinigung, verbunden mit Kapitalspritzen oder Abwicklungen, der effi­zienteste und mitunter sogar profitable Weg, mit Zombiebanken fertig zu werden. Das Problem nur: einige Eurostaaten können oder wollen ihre Banken nicht auf eigene Rechnung sanieren, da dies ihr eigenes Staaten-Rating ruinieren würde. Stattdessen sollte dafür der Euro-Rettungsschirm ESM (Europäische Stabilitätsmechanismus) ran.

Die Bundesregierung stimmte der neuen Aufgabe des ESM unter der Bedingung zu, dass vorher eine einheitliche Bankenaufsicht für die Banken des Euroraums geschaffen werden müsse (obwohl sie sich früher noch explizit gegen weitergehende Aufsichts­kompetenzen der EU-Bankenaufsichtsbehörde EBA (Europäische Bankenaufsicht) ge­wehrt hatte).

Das Projekt bekam den Namen „Bankenunion“. Neben der Aufsicht soll dabei auch die Bankenabwicklung und die Einlagensicherung vergemeinschaftet werden. Der gemein­same Abwicklungsmechanismus und die Einlagensicherung sind nach wie vor hoch umstritten, die gemeinsame Aufsicht ist aber bereits so gut wie beschlossen und soll bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt werden. Obwohl sie ursprünglich be­reits im Januar 2013 starten sollte, wird sie nun frühestens Mitte 2014 einsatzfähig sein. So lange darf auch kein Geld vom ESM an Banken fließen. Für die jetzige Krise bringt die Bankenunion deswegen zunächst nur eines: Vor Übernahme der vollen Aufsichts­funktion wird die EZB die Bilanzen der Großbanken unter die Lupe nehmen. Es ist un­klar, wie gut ihr dies gelingen wird oder sie das Schicksal der EBA teilt, deren beide Stresstests nach kurzer Zeit von der Wirklichkeit eingeholt wurden. Dies wird die erste Bewährungsprobe der EZB als Aufsichtsbehörde sein, aber zur Bilanzanalyse hätte man keinen Beschluss zur Bankenunion gebraucht.

Die dann festgestellten Kapitallücken müssen dann aber noch national und nicht vom ESM geschlossen werden. Das Problem dabei: Niemand kann die Staaten dazu zwin­gen, ihre Banken zu rekapitalisieren oder abzuwickeln. Dafür fehlt eine dazu bevoll­mächtigte europäische Abwicklungsbehörde, welche die Bundesregierung aber wiede­rum gerade ebenfalls ausgebremst hat. Die Eurostaaten stecken nach wie vor in Finan­zierungsproblemen und sträuben sich daher gegen neue Bankenrettungspakete. Sie könnten dafür natürlich selbst ESM-Kredite beantragen, wollen sich aber (aus guten Gründen) nicht unnötig den damit einhergehenden Auflagen für Ausgabenkürzungen und Strukturanpassungsprogrammen unterwerfen, welche die Troika auf Druck der Bundesregierung verlangen würde. Faktisch bedeutet die Bankenunion also wieder einmal viel verschenkte Zeit. Die Krise wird dadurch noch länger und teurer.

Ist die Bankenunion aber auch langfristig eine schlechte Sache?

Unter die direkte Aufsicht der EZB fallen nur die „bedeutenden“ Banken der Eurozone voraussichtlich etwa 150 bis 200 der insgesamt 6000 Banken. Als bedeutend gelten Banken mit einer Bilanzsumme von über 30 Mrd. Euro oder mehr als 20 Prozent des BIP eines Mitgliedstaates, mindestens aber die jeweils drei größten Institute eines jeden Eurostaates und auch alle Banken, die von EFSF oder ESM gestützt werden. Dabei wird die EZB von den nationalen Aufsichtsbehörden „unterstützt“. Wie die Zusammen­arbeit mit den nationalen Aufsichtsbehörden genau aussehen soll, ist wie die meisten operationellen Fragen jedoch noch weitgehend ungeklärt. Trotzdem hat der Bundestag der neuen Aufsicht zugestimmt und der Bundesregierung einen Freifahrtschein für die weiteren Verhandlungen gegeben. Das ist bedauerlich, denn insgesamt sprechen mehr Gründe gegen die neue Bankenaufsicht als dafür:

Dafür spricht, dass in einem zunehmend transnationalisierten europäischen Finanz­markt große Banken durch eine Aufsicht auf europäischer Ebene besser überwacht werden können. Nationale Aufsichten hatten viele Entwicklungen, die in Bankniederlas­sungen im Ausland stattfanden und die Krise mit auslösten, schlicht verpennt. DIE LIN­KE steht einer Europäisierung daher grundsätzlich offen gegenüber. Eine zentralisierte Aufsicht bietet ferner auch die Chance, dass Banken nicht mehr von den nationalen Behörden ihrer Hauptsitzländer protegiert und bevorteilt werden.

Dagegen sprechen jedoch mehrere Gründe:

  • Nur die Staaten der Eurozone nehmen an der Bankenunion teil. Dadurch werden die Bankaktivitäten am größten europäischen Finanzplatz London und ihre Wechselwir­kungen mit den Großbanken nicht erfasst.
  • Zusätzlich droht in Deutschland der Verlust der Allfinanzaufsicht. In der BaFin wer­den ganz bewusst alle drei Sektoren – Banken, Versicherungen und Börsen – in einzelnen Abteilungen beobachtet, aber zugleich auch ihre Vernetzungen unter die Lupe genommen. Nun werden gerade die besonders riskanten systemrelevanten Banken aus der deutschen Bankenaufsicht herausgenommen und der Aufsicht durch die EZB unterstellt. Dies birgt die Gefahr, dass Krisen nicht erkannt werden und einfach von einem Bereich auf einen anderen überschwappen.
  • Durch das von der Bundesregierung ausgesprochene Junktim von ESM-Hilfen und Aufsicht ist ein enormer Zeitdruck entstanden. Daher wurde als Rechtsgrundlage ei­ne rechtlich umstrittene Konstruktion gewählt. Die Europäische Bankenaufsicht steht mit dieser Notlösung von vornherein juristisch auf wackeligen Füßen. Das schwächt sie in der Auseinandersetzung mit mächtigen Finanzkonzernen.
  • Wie andere Eurozonen-Konstrukte leidet die Bankenaufsicht auch an einem Demo­kratiedefizit. Die deutsche Aufsichtstätigkeit bei BaFin und Bundesbank unterstehen der Rechts- und Fachaufsicht des Finanzministeriums, welches wiederum der par­lamentarischen Kontrolle durch den Bundestag unterliegt. Die Eurozone hat dage­gen weder eine eigene Regierung noch ein eigenes Parlament. Dem Europäischen Parlament als Ersatzkandidaten fehlen nicht nur typische Rechte eines Parlaments, sondern ihm gehören auch Parlamentarier aus EU-Staaten an, die gar nicht an der Bankenunion teilnehmen. Auch das ist unbefriedigend. Die Ansiedlung bei der EZB bringt außerdem einen Zielkonflikt zwischen Geldpolitik und Aufsichtstätigkeit mit sich, der sich weder praktisch noch rechtlich befriedigend lösen lässt. Denn die EZB ist eigentlich als „unabhängige Institution“ in besonderer Weise den Weisungs- und Kontrollrechten der Regierungen und Parlamente entzogen. Sie ist daher der falsche Ort für die Bankenaufsicht – nur durch den Zeitdruck wurde nicht nach einer guten Alternative gesucht.

Fazit: Die Bankenunion war ursprünglich dazu gedacht, neue Finanzquellen aufzutun. Die Bundesregierung wollte genau dies verhindern. Kaum verwunderlich, dass am Ende ein fauler Kompromiss raumkommen wird, der die Aufsicht in vielen Aspekten schwächt statt stärkt. DIE LINKE – und ich als Mitglied im Verwaltungsrat der BaFin – hat diesen Plan daher abgelehnt.