Die Reichen sollen für "Raubzüge" zahlen

Von Heinz-Josef Bontrup

05.04.2013 / www.2.alternative-wirtschaftspolitik.de, 03.04.2013

Die ersten Reaktionen auf die Finanzkrise waren richtig: Regierungen legten Konjunktur- und Beschäftigungsprogramme auf, Zentralbanken senkten die Zinsen. Jetzt bekommen die Neoliberalen wieder Oberwasser. Dabei wäre eine Lösung der Krise greifbar - weltweit gibt es immer noch 200 Billionen Dollar Finanzvermögen.

Weltweit sind die Finanzvermögen noch immer aufgebläht, weil von den Arbeits- zu den Besitzeinkünften umverteilt und zusätzlich reichlich Geld durch Kreditvergaben im Bankenbereich geschöpft wird. Diese Konstellation wird auch in Zukunft wieder für Krisen sorgen. Nicht nur in Irland, Griechenland und Zypern oder den anderen schwer angeschlagenen südeuropäischen Staaten. Auch in Deutschland. Auch hier herrscht entgegen politischer Behauptungen Massenarbeitslosigkeit, eine zunehmende Aufspaltung der Gesellschaft in Arm und Reich und eine öffentliche Armut durch Staatsverschuldung. Die Infrastruktur verkommt und in Sachen Bildung werden in Deutschland nach wie vor allenfalls Sonntagsreden gehalten.

Trotzdem: Die wirtschaftspolitische Antwort auf die von den Marktradikalen zu verantwortende Umverteilungskrise war zunächst richtig. Jene haben sich zwar geekelt, den zuvor diskreditierten Keynesianismus zur Hilfe rufen zu müssen. Einige Neoliberale sind sogar aus der Sektenbewegung ausgestiegen. Ihr Glaube an die Irrlehre von sich über das Konkurrenzprinzip selbst regulierenden Märkten trug nicht mehr. Doch es kam weltweit zu keynesianischen Konjunktur- und Beschäftigungsprogrammen, die Zentralbanken senkten die Zinsen und die Europäische Zentralbank kaufte notleidende Staatsanleihen auf. In der tiefen Not wurde also viel richtig gemacht. Der Autor

Aber dann, die „kapitalistische Kernschmelze“ ist gerade noch einmal verhindert worden, bekommen die weiter höchst einflussreichen Neoliberalen wieder Oberwasser. Kausalitäten werden auf den Kopf gestellt und Wirkungen zu Ursachen erklärt. Es wird der Versuch einer Personalisierung der Krise vorgenommen. Die Investmentbanker und ihre Gier hätten Schuld. Sie seien die Verursacher. Investmentbanker gibt es aber immer noch und ihre skandalösen hohen Einkommen ebenso. Auch zocken die Investmentbanken weiter. Die bisher erfolgten politischen Interventionen sind hier insgesamt nicht ausreichend.

Als Krisenursache wird aber auch die zu expansive Geldpolitik in den USA ausgerufen und später eine Staatsschuldenkrise, auf die – das war klar – die prompte Antwort der Neoliberalen kommt: Schuldenbremse, Fiskalpakt und staatliche Kürzungsprogramme in Verbindung mit einem Ausverkauf des letzten öffentlichen Tafelsilbers. Natürlich soll diese weitere Privatisierung zum Schnäppchenpreis für die aufkaufenden Vermögenden umgesetzt werden. Jetzt wird ein weiterer Lohnsenkungswettbewerb zwischen den EU-Staaten ausgerufen. In Deutschland eine „Agenda 2020“ mit Rente ab 70. Schließlich muss die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen weiter gehen.

Zu guter Letzt gibt es noch die Renationalisten, die Europa in den alten Zustand mit nationalen Währungen und einem daraus folgenden Abwertungswettlauf zurückversetzen wollen. Das Ergebnis wären dramatische und nicht mehr im Geringsten aussteuerbare ökonomische und soziale Verwerfungen mit einem D-Mark-Imperialismus.

Das Problem liegt jedoch ganz wo anders. Nach einer Aufstellung von McKinsey sind trotz der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise weiter weit über 200 Billionen US-Dollar Finanzvermögen vorhanden und suchen nach Anlage mit Profit. Das wird von der herrschenden Politik zum Tabu erklärt. Auf Zypern kam es jetzt aber zum ersten Mal zum Tabubruch. Die privaten Anleger von Geldvermögen sollen zahlen. Ab 100.000 Euro. Das Geschrei ist groß; zu Recht von Kleinsparern, die Zyperns konservative Regierung zuerst auch zur Kasse bitten wollte. Es geht nun aber nur um das große Geld. Hier liegt die Lösung. Die wirklich Vermögenden müssen endlich für die Krise, für ihre „Raubzüge“ in der Vergangenheit zahlen und die öffentlichen Haushalte entlasten.

Dies geht aber nicht mit einer selbst 100-prozentigen Einkommensteuer, weil hiermit nicht mehr die in der Vergangenheit aufgebauten Vermögensbestände besteuert werden können. Deshalb muss dies über eine einmalige Vermögensabgabe zur akuten Krisenbekämpfung, zum Abbau der Staatsverschuldungen, und zur Zukunftsvorsorge durch permanente Vermögens- und Erbschaftsteuern geregelt werden. Und zwar jeweils in den einzelnen EU-Ländern immanent gemäß ihrer jeweiligen ökonomischen Konstitutionen. In Deutschland würde eine Vermögensabgabe von 20 Prozent, verteilt über zehn Jahre, ausreichen. Das brächte 300 Milliarden Euro für die öffentlichen Kassen. Keine Angst ihr Reichen: Es gibt auch Freibeträge. Ein persönlicher Freibetrag von einer Million Euro und pro Kind von 250.000 Euro. Und die Unternehmen werden erst ab zwei Millionen Euro Betriebsvermögen in die gesellschaftliche Verantwortung genommen.

Erschienen in: Frankfurter Rundschau, 3. April 2013