Harte Auflagen und eine Restrukturierung des Finanzsektors ersetzen keine europäische Investitions- und Wachstumsstrategie

Von Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE und stellvertretender Vorsitzender der Partei DIE LINKE

14.08.2012

Im Streit um die Bekämpfung von Steuerhinterziehung hat der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel Schweizer Banken organisierte Kriminalität vorgeworfen. Wer bandenmäßig Steuern hinterziehe, müsse hart bestraft werden. Seit Wochen variiert der SPD-Chef diese Attacke und die veröffentlichte Meinung wird dieser beständigen Ankündigung der Re-Regulierung des Finanzsektors auch nicht überdrüssig. Auflagen für den aufgebläh­ten Finanzsektor finden immer die Zustimmung der Linkspartei, aber wie bei anderen politischen Themen – Mindestlohn, armutsfeste Altersrenten etc.– bleiben Zweifel am politischen Kurswechsel.

Der SPD-Vorsitzende will die Bundestagswahl im kommenden Jahr zu einer Entschei­dung über die „Bändigung“ des Finanzsektors machen. „Die Bundestagswahl 2013 muss zu einer Entscheidung über die Bändigung des Banken- und Finanzsektors wer­den.“ Wenn der SPD-Chef die Rückdeckung der Partei erhält, soll mit der CDU-Vorstellung aufgeräumt werden, „marktkonforme Demokratien“ zu schaffen. Gabriel will bei einem Wahlsieg stattdessen den Hochfrequenzhandel an den Börsen verbieten so­wie mehr Eigenkapital und größere Sicherungssysteme für die Einlagen erreichen. Der Bankensektor soll gesund geschrumpft werden. Statt großer und nicht mehr kontrollier­barer Banken mit Bilanzsummen, die einem Mehrfachen der wirtschaftlichen Jahres­leistungen ganzer Länder entsprechen, sollen künftig wieder kleinere Banken mit einem tragfähigen Geschäftsmodell dominieren. Das Spar- und Kreditgeschäft müsse vom In­vestmentbanking rechtlich oder bilanziell getrennt werden.

Ohne Zweifel: Diese massive Banken-Kritik ist zu recht populär. Mit hohen Bonus-Zahlungen, manipulierten Zinssätzen, Einbindung in die Steuerflucht etc. liefert die Fi­nanzbranche immer wieder reichlich Anlässe für die Grundsatzkritik. Allerdings bleiben auch viele berechtigte Zweifel, denn die SPD hat den Re-Regulierungskonzeptionen der schwarz-gelben Koalition zugestimmt, obwohl die meisten Reformen unzureichend an­gegangen worden sind.

Gravierender ist allerdings: Die sozialdemokratische Politik ist in Deutschland und eini­gen anderen europäischen Nachbarländern der entscheidende politische Faktor für die Deregulierung gewesen. Auch Finanzminister Schäuble verweist auf die Rolle der SPD: „Wir mussten in der Krise schmerzlich lernen, dass wir die Finanzmärkte strenger regu­lieren müssen. Ich glaube an die Überlegenheit der Marktwirtschaft – aber sie braucht einen Rahmen, weil sich freiheitliche Ordnungen ansonsten selbst zerstören. Das gilt auch für Finanzmärkte. Wir alle miteinander sind bei der Deregulierung, die Ende der 90er-Jahre begann, zu weit gegangen. Damals regierte Rot-Grün. Ein Jahrzehnt später standen wir in der Finanzkrise vor der Situation, dass wir die Finanzmärkte auf Kosten der Steuerzahler retten mussten. Das war notwendig, um Schlimmeres zu verhindern. Aber wir müssen nun für Regeln sorgen, die eine Wiederholung verhindern.“ Schäuble schließt einschneidende Schritte wie eine Zerschlagung von Universalbanken nicht aus. „Wenn es in Europa nachgewiesenen Bedarf für einen solchen Schritt gibt, wird Deutschland sich nicht sperren“, sagte der Bundesfinanzminister. In Deutschland hin­gen die Probleme des Finanzsektors allerdings nicht mit der Existenz von Universal­banken zusammen.

In der Tat: Die Banken und der aufgeblähte Finanzsektor stellen massive Probleme dar. Aber einen Ausweg aus der 2007 ausgebrochenen globalen Finanzkrise und der seit 2010 hartnäckigen Krise in der Euro-Zone ist allein mit einer strikten Regulierung der Banken nicht zu erreichen. Europas Währungsunion trudelt trotz verschiedener Refi­nanzierungsoperationen von Finanzinstituten und Staaten immer tiefer in die Krise hin­ein. Trotz aller politischen Bemühungen ist die Finanzkrise, die bereits mehrere Gestal­ten in Form der Banken-, Staatsschulden- und Euro-Krisen angenommen hat, nicht überwunden. Die Leistungsbilanzdefizite innerhalb der Euro-Zone, die sich innerhalb eines Jahrzehnts aufgebaut haben, können durch Umverteilungsoperationen einge­dämmt werden, erfordern aber eine koordinierte, zukunftsorientierte und nachhaltige Wachstumsstrategie. Weder zinslose Notenbankenkredite der EZB oder eine Bankli­zenz für den Euro-Rettungsfonds ESM noch eine Fiskal- oder Bankenunion, d.h. eine Vergemeinschaftung der Schulden, können allein das Grundproblem der Euro-Zone, die unterschiedliche Wirtschaftskraft der beteiligten Länder, grundsätzlich ändern.

Die gegenwärtig den Krisenstaaten aufgeherrschte Austeritätspolitik führt zu einer wachsenden Einschnürung oder gar einem Kollaps der Inlandnachfrage und einer Er­höhung der realen Schuldenlast. Diese repressive, undemokratische Politik der Austeri­tät würde in letzter Konsequenz Jahrzehnte brauchen, um Preise und Löhne auf das Maß zu reduzieren, das diese Länder auf den Weg der Wettbewerbs- und Exportorien­tierung zurück bringen könnte. Abgesehen von den schwerwiegenden sozialen Verwer­fungen würde damit ein Lebensniveau etabliert, das völlig unakzeptabel ist. Mutige Schritte zur Konsolidierung und einen Ausbruch aus der gefährlichen Entwicklung errei­chen wir nicht durch einen Schuldentilgungspakt, denn die negative Rückkopplung von Sparmaßnahmen auf die Konjunktur und damit auf die Steuereinnahmen und konjunk­turreagiblen Ausgaben macht jede isolierte Stabilisierung von Banken und Finanzinstitu­ten zu Nichte.

Der Vorsitzende des griechischen Linksbündnisses SYRIZA, Alexis Tsipras, weist zu recht Forderungen nach einem Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone und die Tendenz zur Re-Nationalisierung der europäischen Politik zurück. Mit den Forderungen der Troika aus Internationalem Währungsfonds, EU und EZB lasse sich die Krise nicht bewältigen. Die Probleme könne „man nicht durch Austeritätspolitik bekämpfen, son­dern nur, indem man mehr Geld zur Verfügung stellt. Wir brauchen so etwas wie einen Marshallplan für soziale Entwicklung.“

Auf dem EU-Gipfel in Brüssel haben sich die Staats- und Regierungschefs auf einen Pakt für Stabilität und Wachstum verständigt. Der Wachstumspakt soll den Fiskalpakt ergänzen, der die Staaten mit einer Schuldenbremse zur Sanierung ihrer Haushalte zwingen soll. Er sieht Ausgaben von 120 Mrd. Euro vor. Mit dem Geld sollen die euro­päische Konjunktur angekurbelt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Aber es ist wie immer: Selbst dieser zögerliche, halbherzige Ansatz wird nicht energisch verfolgt. Auch die SPD beteiligt sich an dem Wettlauf in die politische Sackgasse. Wir brauchen harte Auflagen und Restrukturierungsmaßnahmen für den Finanzsektor, aber wir brauchen auch eine Investitions- und Wachstumsstrategie gekoppelt mit europäischen Sozialstandards.