Politikwechsel in Richtung der Stabilisierung der Binnenökonomien nötig

Von Axel Troost

02.08.2012

Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, dass die seit längerem erörterte Idee einer Banklizenz für den ESM in der Euro-Zone immer mehr politische Unterstützung erhalte. Für diese Erhöhung der Brandschutzmauer durch den permanenten Finanzfonds setzten sich Eurostaaten wie Frankreich und Italien sowie führende Mitglieder des EZB-Rates ein.

In der Tat hatte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker in einem Interview versichert, dass sich die Euro-Länder zusammen mit dem Rettungsfonds EFSF und der Europäischen Zentralbank (EZB) darauf vorbereiten, notfalls Staatsanleihen krisengeschüttelter Euro-Staaten aufzukaufen. Auch der luxemburgische Außenminister Asselborn verteidigt diese Überlegung von unbegrenzten Krediten an den ESM. „Dies bedeutet nicht, dass Geld ohne Limit und ohne Bedingungen in den Rettungsschirm fließt.“ „Wir müssen aber ein Instrument entwickeln, das effektiv die Spekulation unterbindet. Wenn wir das nicht schaffen, dann geht das schief.“ An Deutschland appelliert Asselborn, sich solidarisch zu zeigen und sich nicht zu isolieren.

Die heftige mediale Auseinandersetzung geht auf die Bemerkung von EZB-Präsident Draghi zurück, die Europäische Zentralbank (EZB) sei bereit, alles Notwendige zu tun. Der EZB-Präsident hat damit eine temporäre Beruhigung der Finanzmärkte und eine Linderung der Symptome der Euro-Krise erreicht. Staatspräsident Hollande und Bundeskanzlerin Merkel haben diese Intervention unterstützt, indem sie gleichfalls ihre Entschlossenheit unterstrichen, die Euro-Zone zu schützen. Auf der anderen Seite hat dies die politischen Spekulationen befördert, was denn das neue Maßnahmenpaket alles umfasse. Im Rückblick auf die EZB-Interventionen seit Dezember 2011 bestehen Zweifel an der Nachhaltigkeit von Anleihekäufen und anderen Maßnahmen der EZB wie neuen langfristigen Refinanzierungen (LTRO) oder Lockerungen der Kriterien für die Sicherheiten, die Banken bieten müssen, um Liquidität zu erhalten.

Der Rettungsschirm ESM wird mit 700 Milliarden Euro an Bareinlagen und Garantien ausgestattet und soll die Zahlungsfähigkeit der Euroländer und ihrer Banken langfristig sichern. Der Gouverneursrat entscheidet über die Gewährung von Hilfen, während eine Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) über die Einhaltung der Bedingungen wacht. Im Zusammenhang mit dem europäischen Fiskalvertrag entscheidet das Bundesverfassungsgericht Anfang September über die Eilanträge gegen Rechtmäßigkeit dieses permanenten Krisenfonds, durch dessen Einrichtung die Partei DIE LINKE, die Vereinigung Mehr Demokratie u.a. eine Aushöhlung des parlamentarischen Budgetrechtes begründet sehen. Mit dem ESM-Vertrag werde unkontrollierbare, politische und finanzielle Macht auf eine kleine Gruppe von Personen (die Euro-Finanzminister und ihre Umgebung) übertragen. Als Mit-Verursacher der Krise scheiden diese per se für deren Eindämmung aus. Ihre Tätigkeit im ESM würde weitere massive finanzielle Risiken und Schädigung aller deutschen Bürgerinnen und Bürger nach sich ziehen und Fehlverhalten und Fehlentscheidungen der Vergangenheit vertuschen.

Auf dem Gipfel Ende Juni 2012 hatten die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone mehrere Schritte vereinbart, um die Euro-Krise einzudämmen. Dazu gehörte der erleichterte Aufkauf von Staatsanleihen durch die beiden Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM. Zudem soll eine einheitliche Aufsicht für Europas Banken geschaffen werden - als Voraussetzung für die direkte Kapitalversorgung angeschlagener Banken durch den ESM.

Durch eine Banklizenz würde dem ESM erlaubt, ohne Limit Kredite bei der EZB aufzunehmen. Er würde so mit einer enormen Refinanzierungskraft ausgestattet. Konkret hieße dies, der ESM kauft Ländern wie Spanien oder Italien in großem Stil Anleihen ab. Das soll die gefährlich hohen Zinsen dieser Länder und so deren Kredit-Kosten senken.

Der Europäischen Zentralbank ist die direkte Staatsfinanzierung nach ihren Statuten verboten. Indirekt tat sie dies bis Jahresanfang, indem sie Staatsanleihen im Wert von 211 Milliarden Euro am Sekundärmarkt kaufte und so die Kreditkosten von Krisenländern senkte. Auf dem Sekundärmarkt werden bereits laufende Staatsanleihen mit entsprechenden Wertabschlägen gehandelt, wenn sich die Investoren aus welchen Gründen auch immer von der Kapitalanlage trennen wollen.

Die deutsche Bundesregierung und die deutsche Bundesbank lehnen die Idee einer Banklizenz nach wie vor ab, da sie die Unabhängigkeit der EZB gefährdete und gegen die EU-Verträge verstoßen würde. Der ESM wäre - ein entsprechendes Urteil des Verfassungsgerichtetes vorausgesetzt – frühestens in der zweiten Septemberhälfte handlungsfähig. Und hier sind wir beim Kern der Auseinandersetzungen: Derzeit steht nur die EFSF zur Verfügung, deren Kapazitäten begrenzt sind: Mit den bereits laufenden Länderprogrammen für Griechenland, Irland und Portugal sowie dem zugesagten spanischen Bankenprogramm ist ihre Kreditvergabe-Kapazität von 440 Mrd. Euro bis zu etwa zwei Dritteln ausgeschöpft; hinzukommen soll ein Unterstützungsprogramm für Zypern. Mit den verbleibenden Mitteln des EFSF sind die Grenzen des Handelns abgesteckt, wenn es um große Länder wie Spanien oder Italien geht. Angesicht des konjunkturellen Abwärtstrends – vor allem in den Ländern der südlichen Peripherie – wird immer wieder ein allgemeines Hilfsprogramm für Spanien in der Größenordnung von 300 Mrd. Euro für möglich gehalten. Logischerweise wird dadurch ein Druck aufgebaut, im Rahmen des ESM eine Erweiterung der Finanzressourcen zu erschließen.

Solange die europäischen Institutionen nicht endlich auch dazu übergehen, die wirtschaftlichen Abwärtstendenzen zu bekämpfen, wird der finanzpolitische Rahmen unzureichend erscheinen. Mit dem Hilfspaket zur Refinanzierung der spanischen Banken hat sich an der wirtschaftlichen Abwärtsspirale nicht verändert. Das Austeritätsprogramm verschärft den Abwärtstrend und erhöht den Zwang zur Ausweitung der Finanzunterstützung. Notwendig wäre ein Politikwechsel in Richtung der Stabilisierung der Binnenökonomien der europäischen Länder insgesamt. Ein Prozess der "Entschuldung" kann ohne Stabilisierung der wirtschaftlichen Reproduktionsprozesse nicht funktionieren.