Netzneutralität sichern

Von Halina Wawzyniak, MdB und stellvertretende Parteivorsitzende der Partei DIE LINKE

18.10.2011 / WÖCHENTLICHE KOLUMNE AUF LINKSFRAKTION.DE

Die Debatte um eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität befasst sich mit einer der drängendsten netzpolitischen Fragen unserer Zeit. Der Ausgang dieser Debatte wird darüber entscheiden, welche Art von Internet wir in Zukunft nutzen können. Die deutsche Ausgabe der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia definiert: Netzneutralität "bedeutet, dass Zugangsanbieter (englisch access provider) alle Datenpakete von und an ihre Kunden unverändert und gleichberechtigt übertragen, unabhängig davon, woher diese stammen oder welche Anwendungen die Pakete generiert haben."

Das Internet, wie wir es bisher kennen, ist grundsätzlich blind gegenüber den Inhalten der weltweiten Datenströme. So werden – vereinfacht dargestellt – Daten verschiedener Art und Anwendungen (z.B. Video, Telefonie, Peer-to-peer-Transfer) mit der gleichen Geschwindigkeit und Verfügbarkeit durch das Netz geleitet. Der fortbestehende Erfolg und die ungebremste Dynamik des Internets basieren maßgeblich auf diesem offenen System der Informationsbereitstellung: auf gleichberechtigtem und diskriminierungsfreiem Transport von Datenpaketen. Das neutrale Netz bildet die Grundlage für Demokratie, Pluralismus und Meinungsbildung im Internet. Keine Behörde und kein Unternehmen entscheiden über die Verfügbarkeit von Informationen. Die Blindheit des Netzes für die transportierten Inhalte ist ebenso elementar für die Kommunikationsfreiheit wie für das technologische und gesellschaftliche Innovationspotenzial des Internet.

Doch das bisherige Prinzip der Netzneutralität gerät zunehmend in Gefahr. Die Menge der im Internet transportierten Daten nimmt ständig zu. Bis heute konnte der regelmäßige Netzausbau der Internetanbieter (Internet Service Prodiver - ISPs) den Entwicklungen des steigenden Datenverkehrs standhalten. Neue Netzwerktechnologien ermöglichen etwa die Bewältigung immer größerer Datenmengen in kurzer Zeit. Zudem werden die verlegten Kabelleitungen u.a. durch den Einsatz von Glasfaser leistungsfähiger. Doch der Ausbau der Datennetze kostet Geld, das die ISPs offenbar nicht länger zu zahlen bereit sind. Nach ihren Angaben sei die Funktionsfähigkeit des Internets auf lange Sicht gefährdet, da der ansteigende Datenverkehr eine Überlastung der Netze zur Folge haben würde. Problematisch ist dabei allerdings, dass bisher kein Netzanbieter einen tatsächlichen dauerhaften Kapazitätsengpass belegen konnte, der das Internet in seiner Funktionsweise auch nur teilweise lahm zu legen vermag.

Um die Kosten für den weiteren Netzausbau nicht aufbringen zu müssen, haben Telekom und Co. daher verschiedene Optionen ins Spiel gebracht. So sollen einerseits die Anbieter datenintensiver Inhalte wie Video-Plattformen zukünftig Geld an die Netzbetreiber zahlen, da zum Beispiel der Videoverkehr einen großen Teil der Datenströme ausmacht. Anderseits wollen die Netzanbieter Qualitäts- oder Diensteklassen für ihre Kunden anbieten. Verschiedene Dienste – also etwa Videotelefonie oder Online-Spiele – sollen dann von den Kunden extra bezahlt werden, wenn diese in guter Qualität genutzt werden wollen. Dies hätte zur Folge, dass hochwertige Dienste nur noch von den Menschen genutzt werden könnten, die es sich finanziell leisten können.

Dem Treiben der Internetanbieter zur Diskriminierung und zur Errichtung eines Zwei-Klassen-Internet wird sich die Linksfraktion aber weiterhin entgegenstellen. Sie hat im Deutschen Bundestag zur Netzneutralität unmissverständlich Stellung bezogen. Mit ihrem Antrag "Netzneutralität sichern“ spricht sie sich für eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität unter klaren Bedingungen aus. So sollen u.a. grundsätzlich alle Datenpakete im Internet gleichberechtigt und diskriminierungsfrei behandelt werden. Nutzer müssen Inhalte ihrer Wahl senden und empfangen und Hard- und Software ihrer Wahl nutzen dürfen. Nur unter diesen Bedingungen kann ein freier Zugang zum Internet für alle Menschen gewährleistet werden. Die Linksfraktion wird sich in den weiteren Beratungen im Bundestag etwa im Rahmen der Novelle des Telekommunikationsgesetzes für eine gesetzliche Netzneutralität einsetzen.