Finanzkrise zurück an ihrem Ursprung

Staatliche Rettungsaktion für größte US-Hypothekenbanken soll GAU verhindern

15.07.2008 / Von Kurt Stenger, Neues Deutschland

Nach der Pleite der US-Hypothekenbank IndyMac blicken die Finanzmärkte nun mit Sorge zu den Marktführern.

Das Schlimmste, was einer Bank passieren kann, ist der Verlust des Vertrauens ihrer Kunden: Wenn diese in Panik geraten und massenhaft ihre Einlagen zurückfordern, ist wegen der geringen Barmittel eines Geldhauses dessen Zahlungsunfähigkeit unausweichlich. In der aktuellen Finanzkrise traf dies zunächst die britische Northern Rock und jetzt in den USA die IndyMac Bank. Mit ihr hat die US-Hypothekenkrise nach der Pleite von hunderten kleinen, regionalen Kreditspezialisten ein größeres Opfer gefunden: die Nummer sieben der Branche und gleichzeitig die größte Geschäftsbank im Raum Los Angeles. Und damit weiten sich die sozialen Folgen, die bisher auf überschuldete Hausbesitzer beschränkt waren, auch auf Sparer aus. Immerhin gehörte IndyMac dem staatlichen Einlagensicherungsfonds an, der pro Kunde für Guthaben bis 100 000 Dollar einsteht.

Die Hypothekenkrise ist damit an ihren Ursprung zurückgekehrt. In der Niedrigzinsphase Ende der 90er Jahre explodierten sowohl das Volumen der Kredite zum Erwerb von Immobilien als auch das der Konsumentenkredite, die mit Wohneigentum abgesichert waren. Scheinbar endlos steigende Immobilienpreise und die Möglichkeit, notleidende Kredite in Form von komplizierten Finanzprodukten weiterzuverkaufen, sorgten für eine allzu laxe Kreditvergabe. Der Goldrausch spülte auch verhältnismäßig junge Anbieter wie die IndyMac Bank, die erst seit 1997 als unabhängiger Player auftrat, nach oben. Vor rund einem Jahr begann dann die Blase zu platzen, als die Immobilienpreise nicht weiter stiegen und viele Kreditnehmer durch steigende Zinsen zahlungsunfähig wurden.

Nach der IndyMac-Pleite blicken die Finanzmärkte besorgt auf die beiden Giganten der US-Hypothekenbranche: Fannie Mae und Freddie Mac. Bereits in der vergangenen Woche kursierte ein Analystenbericht, der für die beiden privat-öffentlichen Kreditinstitute einen neuerlichen Finanzbedarf in zweistelliger Milliardenhöhe schätzt. Die Pleite von Fannie Mae und Freddie Mac käme einem GAU auf dem Hypothekenmarkt in den USA gleich. Die beiden Institute finanzieren und garantieren Hypothekarkredite in der irrwitzigen Summe von 5,2 Billionen (!) US-Dollar und decken damit die Hälfte des Marktes ab. Angesichts ihres vergleichbar winzigen Eigenkapitals von 81 Milliarden Dollar steckten sie seit dem Ausbruch der Krise schon mehrfach in Zahlungsschwierigkeiten.

Nun aber droht zusätzlich eine Vertrauenskrise, weshalb der Staat postwendend reagierte. US-Finanzminister Henry Paulson kündigte am Sonntagabend (Ortszeit) in Washington an, die Kredite an die beiden Institute vorübergehend deutlich zu erhöhen. Außerdem werde der Staat wenn nötig Aktien von Fannie Mae und Freddie Mac kaufen. Und die US-Notenbank Fed will ihnen Diskontkredite für kurzfristigen Kapitalbedarf anbieten, die es derzeit zu einem niedrigen Zinssatz gibt.

Ob diese Summen reichen, den hohen Finanzbedarf zu decken, ist fraglich. Zumal womöglich schon bald andere Sorgenkinder auftauchen könnten. Immer mehr Experten schließen sich der zunächst belächelten Schätzung des Internationalen Währungsfonds an, dass die Banken im Zuge der Finanzkrise weltweit eine Billion Dollar abschreiben müssen – drei Mal so viel, wie bislang geschehen.

Historie

Die Federal National Mortgage Association (FNMA – im Volksmund: Fannie Mae) wurde 1938 im Rahmen des New Deal von US-Präsident Roosevelt gegründet. Das staatliche Institut sollte, während Privatbanken in der Wirtschaftskrise kaum noch Kredite vergaben, US-Bürgern zu Wohneigentum verhelfen. 1970 wurde die Federal Home Loan Mortgage Corp. (FHLM – Freddie Mac) als Spezialist für Bauspardarlehen gegründet. Beide wurden rasch teilprivatisiert und an die Börse gebracht. Bis heute sind sie Zwitter: privatwirtschaftlich geführt, aber mit öffentlichem Auftrag. Vor der Hypothekenkrise machten sie durch Bilanzfälschungsskandale auf sich aufmerksam. KSt