Robin-Hood-Steuer

11.07.2008 / Von Rudolf Hickel, Neues Deutschland

Ein Ende beim Anstieg der Energiepreise ist nicht abzusehen. Entscheidende Triebkraft ist der Preis, der für ein 159-Liter Fass Öl auf den Weltmärkten bezahlt werden muss. Nach dem Sprung von 70 Dollar in 2007 auf 150 Dollar geht dieser Tage der Preis zwar zurück. Das ist jedoch kein Grund zur Entwarnung. Die monopolistisch strukturierten Energieproduzenten nehmen die Verteuerung zum Anlass, die Gas- und Strompreise zu erhöhen, ohne dass etwa die Kosten der vorrangig eingesetzten Kohlekraftwerke gestiegen sind.

Die ökonomisch-sozialen Folgen sind unübersehbar. Die Geldentwertung nimmt zu. Die Europäische Zentralbank (EZB) trifft mit der Zinssatzerhöhung nicht die Preistreiber auf den Energiemärkten, belastet aber die Konjunktur. Am Ende geht es den EZB-Monetaristen um eine Disziplinierung von Tarifrunden. Die Bundesregierung tut so, als habe sie mit dem drohenden Absturz des schwächelnden Aufschwungs nichts zu tun. Sicher sind die in Berlin beschlossenen Klimaschutz-Aktivitäten wichtig, sie wirken aber erst mittelfristig und sind keine Ausrede dafür, jetzt nicht handeln zu müssen.

Politik ist auch gefordert, weil die Verteuerung der Energie die soziale Spaltung der Gesellschaft vorantreibt. Getreu der kapitalistischen Wirtschaftsordnung entscheiden Einkommens- und Vermögensverhältnisse über das Ausmaß der Betroffenheit durch die hohen Energiepreise. Beschäftigte im Niedriglohnsektor, Pendler, Bezieher niedriger Sozialeinkommen werden schwer belastet.

Um Forderungen nach kurzfristigen Hilfen abzuschmettern, hat der neoliberale Machtblock in Politik, Wissenschaft und Medien die Strategie des Einsparens von Energie und der Steigerung der Energieeffizienz entdeckt. Dabei ist es nicht lange her, da wurden Forderungen zum ökologischen Umbau der Wirtschaft durch diese blinden Marktoptimisten als schädlich für den Standort Deutschland abgetan. Dass die scheinbar ökologischen Einsichten nicht Ernst gemeint sind, zeigt der Ruf nach dem Wiedereinstieg in die Atomindustrie. Diese Energieproduktion wird über Jahrtausende die Lebensverhältnisse massiv bedrohen.

Eine überraschend mutige Antwort auf die sich verschärfende Einkommensarmut hat – mit welchen Motiven auch immer – die italienische Regierung formuliert. Im Programm des demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten findet sich der Vorschlag auch. Es geht um die Einführung einer Robin-Hood-Steuer. Im Mittelpunkt stehen die Gewinner der Preisexplosion, die Energieriesen. Sie kassieren über die Strompreise gigantische Extraprofite. Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut hat für die ARD-Sendung »Monitor« errechnet: Durch den Anstieg des Rohölpreises von 70 auf 130 Dollar erzielen die vier Mega-Energiekonzerne in Deutschland 2,5 Milliarden Euro Extraprofit. Steigt der Preis auf 200 Dollar, sind es 5,6 Milliarden. Solange die Konzerne diese Windfall-Profits nicht an die Kunden weitergeben, ist eine Robin-Hood-Steuer sinnvoll. Mit ihr werden die Extraprofite abgeschöpft und fließen Einkommensschwachen zu. In Italien sollen 4 Milliarden Euro hiervon einen Rentner-Hilfsfonds speisen. 400 Euro pro Person sollen per Rabattsystem nicht nur zur Unterstützung des Strom- und Gasbezugs verwendet werden. Diese Umverteilung ist ökonomisch machbar und sozial vernünftig. Ergänzt werden muss die Robin-Hood-Steuer durch ein öffentliches Zukunftsinvestitionsprogramm. Mit öffentlich veranlasster Produktion wird heute die Gesamtwirtschaft gestärkt, um mit Investitionen in die ökologische Infrastruktur künftigen Generationen eine bessere Umwelt zu vererben.

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