Zum (Einkommen)Steuerkonzept der LINKEN

​Anmerkungen zu einem Interview mit Stefan Bach (DIW) im Neuen Deutschland

16.09.2017 / Axel Troost

Anmerkungen zu einem Interview mit Stefan Bach (DIW) im Neuen Deutschland  vom 9./10.9.2017die leider nicht im ND aufgenommen werden.

Im Großen und Ganzen stimme ich mit der Linie von Stefan Bach überein, aber er wirft das Steuerkonzept der LINKEN aus meiner Sicht zu sehr in einen Topf mit denen der anderen Parteien. Außerdem gibt es ein paar Aussagen, denen ich einige wichtige Hintergründe hinzufügen möchte.

Bachs Hauptaussagen, die ich gerne kommentieren würde:

Kernthese Bach: So schlimm ist die Mehrbelastung der Mittelschicht im Vergleich zu früher nicht!

Es kommt darauf an, wann früher ist. Die übermäßige Belastung der mittleren Einkommen gab es schon unter Kohl, denn der vielzitierte „Mittelstandsbauch“ in den Steuertarifverläufen, der die Mittelschicht so stark zur Kasse bittet, heißt nicht zu Unrecht auch „Waigl-Buckel“ (Steuertarif aus dem Jahr 1994).

Kernthese Bach: Alle Parteien reiten viel zu sehr auf der Tatsache herum, dass der Spitzensteuersatz schon ab einem zu versteuernden Einkommen von 54.000 Euro greift. Viel wichtiger als eine Erhöhung der 54.000 Euro-Grenze wären höhere Grundfreibeträge und niedrigere Eingangssteuersätze.

Das stimmt, aber die LINKE macht ja genau das: ein viel höherer Grundfreibetrag (von 8800 auf 12.600). Leider wird das in dem Interview nicht erwähnt. Der Tarifverlauf der Linken beginnt zwar dann auch gleich mit 14 Prozent Eingangssteuersatz, aber nach dem derzeitigen Steuertarif sind bei 12.600 Euro schon über 20 Prozent fällig, also 6 Prozentpunkte mehr. Ein Arbeitnehmer, der ein Einkommen von 25.000 Euro versteuern muss, zahlt mit der LINKEN 1350,- Euro bzw. ein Drittel weniger als heute. Bei 40.000 Euro sind es mit der LINKEN 1.700 Euro bzw. fast 20 Prozent weniger Einkommensteuer. Eine derart weitgehende Entlastung der mittleren Einkommen schafft keine andere Partei. Und gleichzeitig reißen wir dabei – anders als alle anderen Parteien – keine riesigen Löcher in den Bundeshaushalt, denn was wir unten entlasten holen wir uns bei den Besserverdienenden und Einkommensmillionären wieder rein, unser Konzept ist streng aufkommensneutral.

Kernthese Bach: Mit einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes trifft man die Reichen und Superreichen in der Praxis kaum, denn die haben vor allem Gewinneinkommen, die nur mit der Abgeltungsteuer von 25% belegt sind.

Auch wieder völlig richtig, aber gerade deshalb hat die LINKE ja deutliche Erhöhungen der Unternehmens- und Erbschaftsteuern und die Wiedereinführung einer wirklich umverteilenden Vermögensteuer im Programm. Damit holen wir bis zu 120 Mrd. Euro zusätzlich in die öffentlichen Haushalte. Außerdem wollen wir die Abgeltungssteuer abschaffen und insofern müssen dann auch die Reichen und Superreichen tatsächlich die Spitzensteuersätze der Einkommensteuer zahlen. Genau deswegen können wir ja die Mittelschicht bei der Einkommensteuer so stark entlasten, weil die Gewinneinkommen der Reichen und Superreichen endlich ordentlich besteuert werden.

Kernthese Bach: Die Belastung der Reichen und Superreichen fällt ohnehin immer niedriger aus als es der Tarifverlauf glauben machen will, denn wegen der Beitragsbemessungsgrenzen werden für höhere Einkommen keine Sozialbeiträge für Rente und Gesundheit mehr fällig.

Das stimmt heute, ist aber kein Sachzwang. DIE LINKE will die Beitragsbemessungsgrenze abschaffen. Wenn dadurch die Besserverdienenden absolut höhere Sozialbeiträge zahlen müssen, können die durchschnittlichen Beitragssätze der Sozialversicherung fallen oder – wie wir insbesondere für die Rente vorschlagen – wir können die Rentenkürzungen der Rente ab 67 zurücknehmen, ohne die Beiträge drastisch anheben zu müssen.

Kernthese Bach: Da gerade die Armen praktisch keine Einkommensteuer zahlen, aber überproportional viele indirekte Steuern (insb. die Mehrwertsteuer) zahlen müssen, wäre eine Senkung der Mehrwertsteuer sinnvoll.

Der Gedanke ist zwar grundsätzlich richtig, aber wir bezweifeln stark, dass eine einprozentige Mehrwertsteuersenkung tatsächlich auch zu sinkenden Preisen führt. Je geringer die Senkung der Mehrwertsteuer, desto höher die Gefahr, dass es einfach bei den alten Preisen bleibt und die Unternehmen einfach ein Prozent höhere Gewinne einstreichen machen. Selbst die Senkung der Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen auf den ermäßigten Mehrwertsteuersatz (immerhin eine Steuersenkung um 12 Prozentpunkte von 19 auf 7 Prozent) durch Schwarz-Gelb 2009 ist bis heute – acht Jahre später – in der Preisgestaltung der Hotels kaum angekommen.