Finanzvermittlung - Tonaufzeichnungen statt Beratungsprotokoll?

Interview mit Dr. Axel Troost

19.04.2016 / fondsprofessionell.de, 14.04.2016

Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, hält von einer Geeignetheitserklärung nicht viel. Er möchte, dass jedes persönliche Beratungsgespräch als O-Ton aufgezeichnet wird, sagt er im Interview mit FONDS professionell ONLINE.

Herr Troost, die EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II wird am 3. Januar 2018 mit einem Jahr Verspätung in Kraft treten. Ist das erst einmal genug Regulierung?

Axel Troost: Das ist eine schwierige Frage. Wir als Linke vertreten immer die Ansicht: Besser zu viel Regulierung als zu wenig. Aber das Gesamtpaket muss natürlich sinnvoll sein. Ich bin Mitglied im Verwaltungsrat der Bafin. Dort höre ich in Gesprächen mit kleinen Privatbanken immer wieder, das Berichtswesen sei vollkommen überreguliert. Ich denke, da ist etwas dran.

Inwiefern?

Troost: Es nützt zum Beispiel niemandem etwas, wenn bei Beratungsgesprächen seitenlange Protokolle erstellt werden, der Kunde dann aber unterschreibt, ohne sie richtig gelesen, geschweige denn verstanden zu haben. Genau das geschieht in der Praxis. Welcher Berater geht ein Protokoll schon im Einzelnen mit seinen Kunden durch? Mit solchen Schriftstücken ist relativ wenig gewonnen. Ich glaube daher, dass die nächste Bundesregierung die bisherigen Regulierungsmaßnahmen vernünftig evaluieren muss. Man sollte genau prüfen, ob jedes Blatt Papier, das da bewegt wird, wirklich von Nutzen ist oder nicht.

Die große Koalition will die Dokumentationspflichten mit der Umsetzung von Mifid II bereits verringern, indem sie das Beratungsprotokoll durch eine Geeignetheitserklärung ersetzt. Ist das ein Schritt in die richtige Richtung?

Troost: Ich glaube ehrlich gesagt, damit bekommt das Kind letztendlich nur einen anderen Namen. Das Geeignetheitsprotokoll mag dem Berater die Arbeit erleichtern. Genauso wenig wie am bisherigen Protokoll kann man an dem geplanten aber ablesen, wie ein Kundengespräch tatsächlich gelaufen ist. Im provisionsgetriebenen Vertrieb empfehlen Berater nun einmal häufig die Produkte, an denen sie am meisten verdienen. Ob und wie sie einen Kunden in seiner Entscheidung beeinflussen, lässt sich in einem schriftlichen Protokoll nicht erkennen. Es ist aber wichtig, darüber Informationen zu haben.

Wäre es also besser, Tonaufzeichnungen für persönliche Beratungsgespräche einzuführen?

Troost: Das könnte in der Tat eine gute Variante sein. Zwar ist immer wieder zu hören, Aufzeichnungen kämen einer Überwachung nach dem Motto "Big Brother is watching you" gleich. Aber damit hat das nichts zu tun. Es geht um die Sicherheit der Kunden – darum, dass ihnen alle Vor- und Nachteile eines Finanzproduktes wirklich richtig erläutert werden. Ich glaube allerdings nicht, dass die jetzige Bundesregierung Tonaufzeichnungen für persönliche Beratungsgespräche einführen wird, weil das für einen Aufschrei in der Branche sorgen würde.

Mifid II lässt Provisions- und Honorarberatung gleichberechtigt nebeneinander bestehen. Hätten Sie sich ein Provisionsverbot in der Finanzberatung gewünscht?

Troost: Im Prinzip wäre ein Provisionsverbot gut. Es kommt aber darauf an, welche Maßnahmen in der Zukunft umgesetzt werden. Wenn man Tonaufzeichnungen für Gesprächsprotokolle tatsächlich durchsetzen würde, könnte die Provisionsberatung durchaus bestehen bleiben. Wird es aber nicht möglich sein, nachzuvollziehen, was in einer Beratung gesagt wurde, dann entwickelt der provisionsgetriebene Vertrieb eine Eigendynamik, die man gar nicht prüfen kann. In diesem Fall sollte man die Honorarberatung viel stärker ausbauen.