Alternativen zur Troika-Politik

Von Axel Troost

20.02.2014 / die-linke.de, 20.02.2014

Nach monatelanger Unterbrechung soll der Kontrollprozess der Troika mit dem krisengeschüttelten Griechenland wieder aufgenommen werden. Die Inspekteure hatten im Herbst erhebliche Zweifel an den Perspektiven der Staatsfinanzen angemeldet. Sie sagten für 2014 ein Haushaltsloch von 2 Mrd. ¤ voraus und forderten zusätzliche Austeritätsmaßnahmen mit sofortiger Wirkung. Es kam zum Eklat. Athen akzeptierte die Prognosen nicht und legte erstmals ohne Zustimmung der Troika den Haushalt 2014 vor. Die Kontrolle der Austeritätsmaßnahmen wurden ausgesetzt und die Auszahlung weiterer Finanzhilfen verschoben.

Erst nach einem Abschlussbericht der Troika wollen die Austeritätspolitiker entscheiden, wann und ob die noch benötigten Hilfszahlungen von 10,1 Milliarden Euro ausgezahlt werden. Die Diskussion über zusätzliche Finanzhilfen für Griechenland soll auf die Zeit nach den Europawahlen im Mai vertagt werden. Damit ist auch die Forderung der griechischen Regierung, noch vor der Europawahl Zinserleichterungen oder eine Verlängerung von Kreditlaufzeiten von der EU zu erhalten, vom Tisch gefegt. Für Bundesfinanzmister Schäuble ist das kein Problem. Er bezeichnete weitere Hilfszahlungen an Griechenland im Sommer nicht als hohes Risiko. "Sicher ist, dass jede weitere Hilfe sehr viel weniger umfangreich wäre als die bisherigen Hilfen." Die Signale aus Griechenland seien zudem positiv: Griechenlands Außenminister Evangelos Venizelos "hat sogar gesagt, sie wollten gar kein weiteres Programm, sondern sie glauben, dass sie es auch so schaffen".

Die griechische Wirklichkeit spricht eine andere Sprache. Nach Eurostat stieg die Arbeitslosenquote im November 2013 auf 28,0 Prozent - so hoch wie noch nie seit Beginn der Statistik. Die saisonbereinigten Daten wiesen eine Gesamtzahl von 1,3 Millionen Menschen aus, die im Herbst auf Arbeitssuche waren. Nach sechs Jahren der Rezession hat sich der wirtschaftliche Schrumpfungsprozess abgeschwächt. Im vierten Quartal 2013 schrumpfte die griechische Wirtschaft nur um 2,6% des BIP. 2013 belief sich die Kontraktion auf 3,7% des BIP. Selbst Optimisten rechnen für das Jahr 2014 bestenfalls mit einem Nullwachstum, d.h. die griechische Bevölkerung soll sich auf Jahre mit einem um 25 Prozent geschrumpften Sozialprodukt arrangieren.

Unstrittig: die wirtschaftliche Abwärtsspirale verliert an Dynamik. Die rabiaten Sparmaßnahmen haben dazu geführt, dass sich das Defizit in den öffentlichen Finanzen massiv verkleinert hat. Griechenland hat auch erstmals seit mehr als 65 Jahren mehr exportiert als importiert. Der Überschuss der Leistungsbilanz erreichte im vergangenen Jahr 1,2 Milliarden Euro. Im Jahr 2012 hatte sie noch ein Defizit von 4,6 Milliarden Euro verbucht. Dieser Überschuss für 2013 hat hauptsächlich zwei Ursachen: Erstens boomte der Tourismus und bescherte dem Land Rekordeinnahmen von zwölf Milliarden Euro ein Plus von 15 Prozent im Vergleich zu 2012. Der zweite Grund sind die geringeren Importe. Logisch: Weil Firmen Menschen entlassen und der Staat spart, ist der Konsum eingebrochen. Sozialleistungen und Beamtengehälter wurden dramatisch gekürzt, die Bürger haben weniger Geld zum Ausgeben. Dementsprechend sank der Wert der Importe um 4,5 Prozent. Im Vergleich zu 2008 fielen die Einfuhren sogar um 54 Prozent.

Experten verweisen auf die massive Absenkung des Lebensstandards und eine Zerstörung der öffentlichen Infrastruktur (Gesundheit, Bildung etc.) :"Wir stellen eine zunehmende Verarmung der Gesellschaft fest. Wir stellen insbesondere fest, dass Familien von Armut betroffen sind", so ein Vertreter der "Friedrich-Ebert-Stiftung". Arbeitslosenhilfe und Krankenversicherung fallen nach zwölf Monaten weg. Danach gibt es kein staatliches Sozialnetz mehr. "Ohne ein umfassendes europäisches Hilfsprogramm wird es auf Jahre keine Verbesserung geben." Der griechische Oppositionsführer Alexis Tsipras (SYRIZA) erklärte zurecht: "Die Ergebnisse der Sparpolitik, die Griechenland aufgezwungen wurde, sind niederschmetternd. Wir haben eine Arbeitslosigkeit von fast 30 Prozent, große Armut, eine humanitäre Krise."

Die Alternative ist eindeutig: sofortiger Stopp der Austeritätspolitik, eine Lösung des Schuldenproblems und vor allem ein europäischer New Deal für die Krisenländer. Aus eigenen Ressourcen kann ein wirtschaftlich-sozialer Neuanfang nicht angeschoben werden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte bereits 2012 einen "Marshall-Plan für Europa" vorgeschlagen, bei dem über einen Zeitraum von zehn Jahren jedes Jahr zusätzliche Investitionen in Höhe von 260 Mrd. Euro (ca. 2% des BIP) getätigt würden. Ein Europäischer Zukunftsfonds würde Anleihen emittieren, die von allen teilnehmenden Mitgliedsstaaten garantiert werden. Das Startkapital für den Fonds käme von einer einmaligen Vermögensabgabe.

Die politische Debatte darf nicht bei der Frage der Entschuldung stehen bleiben. Sahra Wagenknecht kritisiert zurecht. "Der Finanzminister denkt wohl auch über einen Schuldenschnitt nach". Der Schuldenschnitt komme aber jetzt auch Deutschland teuer zu stehen, weil die griechischen Staatsanleihen nicht mehr bei den Investoren, sondern über die Rettungsschirme bei den Steuerzahlern lägen. "Griechenland ist bankrott… Ohne eine Vermögensabgabe für die griechischen Oligarchen geht es nicht." Ja, die Schuldenfrage muss auch geregelt werden. Aber es ist auch in diesem Punkt Alexis Tsipras zuzustimmen, wenn er festhält: "Griechenland ist Teil eines größeren Problems. Weil die Krise europäisch ist, muss auch die Lösung europäisch sein. Und am wichtigsten: ein europäischer New Deal, eine Vereinbarung über die Finanzierung von Wachstums und Beschäftigung, vor allem im europäischen Süden. Ohne wirtschaftlichen Aufschwung ist es unmöglich, aus der Krise zu kommen."

Der Kernpunkt in der Konzeption einer Alternative ist: ohne eine Restrukturierung der Wirtschaft in Griechenland und den anderen Krisenstaaten mit einer neuen europäisch gedachten Wertschöpfungs- und Wachstumsstrategie werden diese Länder aus ihrer Lage nicht herauskommen. Dieser wirtschaftliche und soziale Erneuerungsprozess kann von den ausgemergelten Krisenstaaten nationalstaatlich nicht alleine geleistet werden.