Steuern: Gerechtigkeit kein Thema mehr?

DGB klartext 39/2013

05.11.2013 / DGB-Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz-und Steuerpolitik, 04.11.2013

Im Bundestagswahlkampf hatten Teile der Politik noch eine gerechtere Besteuerung, einen allgemeinen Mindestlohn und mehr Geld für die Kommunen gefordert. Doch die Koalitionsverhandlungen zeigen: der Politikwechsel zu mehr Gerechtigkeit steht noch am Anfang. Ein erster Schritt wäre die im letzten Jahrzehnt geübte Reichtumspflege zu beenden.

DGB klartext:

Soziale Gerechtigkeit war das Thema im Bundestagswahlkampf. Teile der Politik hatten die Spaltung der Gesellschaft problematisiert, von der dramatisch wachsenden Spreizung der Einkommen und Vermögen bis zu ungleichen Bildungschancen. Die Lösungsvorschläge stießen bei den Wählerinnen und Wählern auf breite Zustimmung: gerechtere Besteuerung, Mindestlohn und mehr Geld für Kommunen, damit sie wieder investieren und für sozialen Ausgleich sorgen. Was dringt dazu aus den Koalitionsverhandlungen nach außen? Der Politikwechsel zu mehr Gerechtigkeit steht noch am Anfang!

Infrastruktur, Bildung und Energiewende benötigen erhebliche Mittel

Der Mindestlohn von 8,50 Euro ist ein Muss, aber nur Teil einer Neuen Ordnung am Arbeitsmarkt. Unstrittig ist, dass erhebliche Mittel in Infrastruktur, Bildung oder die Energiewende gehen müssen. Aber von einer kommunalen Investitionsoffensive ist noch keine Rede, geschweige denn, wie Kita-Ausbau, energetische Gebäudesanierung und die Reparatur von Straßen, Schienen und Brücken finanziert werden sollen.

Das Geldvermögen in Deutschland hat sich 2012 trotz dauerhaft niedriger Zinsen erstmals die 5.000-Milliarden-Schwelle überwunden. Das Netto-Geldvermögen stieg im Vergleich zum Vorkrisen-Höchstwert um 17,8 Prozent. DGB

Gezielte Steuererhöhungen für Vermögende und Spitzenverdiener darf es nach dem Willen der Union jedenfalls nicht geben, auch wenn sie ihr Geld kaum für Konsum ausgeben, sondern es auf die hohe Kante legen. Dabei geht es nur darum, sie wieder angemessen an der Finanzierung unseres Gemeinwesens zu beteiligen – und an der Bewältigung der Folgekosten der Finanzkrise. Denn mit den Banken wurden letztlich auch ihre Anlagen und Vermögen gerettet.

Die Verteilung wird immer ungerechter

Aber Steuergerechtigkeit ist kein Thema mehr. Stattdessen wird die PKW-Maut angepriesen, die wiederum Pendler und Geringverdiener stärker belasten wird. Derweil zeigen jüngste Daten des Statistischen Bundesamtes, dass die Verteilung immer ungerechter wird: So ist die Zahl der Armen oder von Armut Gefährdeten 2011 weiter um 0,3 Prozent auf 16,1 Prozent angestiegen. Laut OECD ist die Einkommensungleichheit unter Vollzeitbeschäftigten in keinem OECD-Land seit 2000 so stark gestiegen wie hierzulande. Zugleich hat das Geldvermögen in Deutschland im letzten Jahr trotz dauerhaft niedriger Zinsen erstmals die 5.000-Milliar­den-Schwelle überwunden. Das Netto-Geldvermögen, das sich bei den oberen 30 Prozent konzentriert, stieg im Vergleich zum Vorkrisen-Höchstwert um 17,8 Prozent. Doch diesem privaten Reichtum steht eine bedrohliche öffentliche Armut gegenüber. Das muss sich ändern.

Ein erster Schritt wäre, die im letzten Jahrzehnt geübte Reichtumspflege zu beenden: Steuer­senkungen zugunsten der Spitzen­verdiener verursachten zwischen 1998 und 2011 Minder­einnahmen von rund 386,4 Milliarden Euro.

Der Abbau von Ungleichheit bei Vermögen und Einkommen ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit. Ungleichheit erhöht auch die Krisenanfälligkeit von Ökonomien. Denn Vermögen werden immer weniger in einen schrumpfenden Markt reinvestiert und eher für Finanzprodukte ausgegeben. Dadurch entstehen neue Blasen an den Finanzmärkten, die irgendwann platzen und ganze Gesellschaften in Mitleidenschaft ziehen.