"Wir brauchen einen Finanz-TÜV..."

Finanzpolitiker stellen sich FONDS professionell, Interview mit Axel Troost

30.05.2013 / www.fondsprofessionell.de, 29.05.2013

Am 22. September ist Bundestagswahl, der Wahlkampf hat begonnen. Grund genug für FONDS professionell, die Positionen der Parteien zu Finanzmarktregulierung und Altersvorsorge abzuklopfen. Heute: Axel Troost von den Linken.

Herr Troost, mit dem Honoraranlageberatungsgesetz soll die Honorarberatung gestärkt werden. Gehen die Regeln Ihrer Meinung nach in die richtige Richtung? Wo muss nachgebessert werden?

Troost: Dass sich die Bundesregierung nun endlich der Honorarberatung annimmt, ist zu begrüßen. Jedoch wird das Gesetz nicht dazu führen, dass unabhängige Beratung/Honorarberatung aus ihrem Schattendasein heraustritt. Dies liegt zum einen daran, dass der Gesetzentwurf in einzelnen Regelungen zu viele Schwächen offenbart. Beispielsweise wird der Begriff "Berater/in" nicht unter Bezeichnungsschutz gestellt. Es besteht zudem ein Aufsichtsgefälle, weil die Aufsicht über die Beratenden nicht einheitlich über die BaFin erfolgt. Auch zu einer verbindlichen Ausweisung von Nettotarifen für alle Finanzinstrumente konnte sich Schwarz-Gelb nicht durchringen. Gleichzeitig traf die Bundesregierung keine Vorkehrungen, um dafür zu sorgen, dass Honorarberatung nicht zum Privileg der Reichen wird. Insgesamt muss die unabhängige Finanzberatung auf eine breitere Basis gestellt werden, die über reine Honorarberatung hinausreicht. Deswegen müssen vor allem die Verbraucherzentralen mit ihren Beratungsangeboten sowie Schuldnerberatungsstellen, aber auch öffentliche Rechtsberatung zum Kapitalmarkt- sowie Anlegerschutzrecht gestärkt werden. Flankierend brauchen wir einen Finanz-TÜV, der alle Finanzmarktakteure und -instrumente vor ihrer Zulassung daraufhin untersucht, ob sie gesamtwirtschaftlich unschädlich, vom Risiko beherrschbar und aus Verbrauchersicht verständlich und sicher sind. Für die unabhängige Beratung hätte dies ferner den Vorteil, dass unseriöse Instrumente gar nicht auf den Markt kämen und deswegen auch nicht in das Beratungsportfolio der Finanzberater gelangen können, die ihrerseits intransparente Instrumente auch nicht an die Verbraucherinnen und Verbraucher bringen können. Zum Thema Finanzberatung hat die Fraktion Die Linke auch einen aktuellen Entschließungsantrag eingebracht (Drs.-Nr. 17/13248).

In einigen Ländern, etwa Großbritannien, wurde die Provisionsberatung verboten. Unterstützen Sie eine solche Lösung auch für Deutschland oder bevorzugen Sie ein Nebeneinander des Provisions- und des Honorarmodells?

Troost: Solange es erlaubt bleibt, Finanzinstrumente gegen Provision zu vermitteln/verkaufen, bleibt die Gefahr der Falschberatung sehr hoch. Wer auf Provisionsbasis arbeitet, ist gefährdet, nicht das Finanzinstrument dem Kunden zu empfehlen, das am besten zu dessen Bedürfnissen und Anlageabsichten passt (verbrauchergerechte Beratung), sondern das Finanzinstrument, das die höchsten Provisionen für die Vermittlerin bzw. den Vermittler, die sich oftmals "Berater" nennen, oder die Bank abwirft. Nicht umsonst wurde in Großbritannien zur Stärkung von Unabhängigkeit, Klarheit und Transparenz bei der Beratung die Zahlung von Provisionen inzwischen verboten. Ein Provisionsverbot besteht seit Anfang 2013 beispielsweise auch in den Niederlanden. Schritte hin zu einer deutlichen Einschränkung der provisionsbasierten Beratung werden in Finnland, Norwegen, Schweden, Dänemark, Litauen und der Schweiz erwogen. Die Linke sagt ganz klar: Das System der provisionsgestützten Finanzberatung und -vermittlung ist zu überwinden. Wir sprechen uns – zum Beispiel im Gegensatz zur Koalition und zur SPD – gegen ein Nebeneinander von Provisions- und Honorarmodellen aus, da der volkswirtschaftliche Gesamtschaden aufgrund provisionsbasierender Falschberatung immens ist. Auch "Mischmodelle", wie sie laut Gesetzentwurf immer noch möglich sind, sind aus Verbraucherperspektive sehr problematisch. Wertpapierdienstleistungsunternehmen sollten aus unserer Sicht nicht die Beratung/Vermittlung auf Provisionsbasis und zugleich Honorarberatung "unter einem Dach" erbringen dürfen. Eine durchgängige organisatorische, funktionale und auch personelle Trennung der Honorarberatung gegenüber der provisionsgestützten Anlageberatung ist kaum möglich. Dabei sollte ein Honorarberater auch keine konzerneigenen Finanzinstrumente bzw. Instrumente ihm nahestehender Institute empfehlen dürfen.

Für unabhängige Finanzberater gelten seit Jahresbeginn verschärfte Anforderungen (§34f Gewerbeordnung). Ist der Berufsstand Ihrer Meinung nach damit ausreichend oder sogar zu stark reguliert? Wo muss gegebenenfalls nachgebessert werden?

Troost: Unserer Meinung nach ist der Berufsstand nicht zu stark reguliert. Wir fordern viel mehr eine bundeseinheitliche, effektive Beaufsichtigung des Geschäftsgebarens der freien Finanzanlagenvermittler durch die BaFin (nicht durch Gewerbeämter). Finanzanlagenvermittler müssen also dem Anwendungsbereich des KWG unterstellt werden; die BaFin ist dafür mit den notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen auszustatten. Die Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten des Abschnitts 6 des WpHG (die so genannten Wohlverhaltenspflichten) sowie die Verhaltensrichtlinien der BaFin müssen umfassend für die freien Finanzanlagenvermittler gelten. Mit angemessenen Übergangsfristen sollten sich alle Finanzanlagenvermittler einer formalisierten Sachkundeprüfung unterziehen und eine Berufshaftpflichtversicherung bzw. Vermögenschadenshaftpflichtversicherung abschließen müssen. Wir fordern eine vollkommen neu zu definierende Qualifikation für Finanzanlagenvermittler, die insbesondere auch Kenntnisse in der Bedarfserhebung und Produktauswahl vermittelt. Alle Finanzvermittler sollten unabhängig von ihrem Erwerbsstatus in einem zentralen Register geführt werden und dort die gesetzlichen Anforderungen nachweisen müssen. Dies ist hinsichtlich der laufenden Aufsicht notwendig. Die Pflichtangaben im zentralen Vermittlerregister der IHK sind deutlich auszuweiten.

Zahlreiche EU-Staaten, darunter Deutschland, planen eine Finanztransaktionssteuer. Befürworten Sie die Steuer? Nennen Sie bitte Ihre wichtigsten Argumente.

Troost: Die Linke befürwortet die Finanztransaktionssteuer (FTS). Wir gehören aus diesem Grunde dem Bündnis "Steuer gegen Armut" zur Einführung der Finanztransaktionssteuer an. Unsere wichtigsten Argumente sind erstens die gesamtwirtschaftlichen Schäden, die von spekulativen Blasenbildungen an Finanzmärkten ausgeht. Die Entstehung solcher Blasen wird durch die FTS deutlich gebremst und begrenzt. Damit trägt die FTS zu einer stabileren Preisentwicklung auf Finanzmärkten bei. Die FTS ist zweites eine geeignete Einnahmequelle, weil sie verursachergerecht dort Einnahmen generiert, wo besonders kurzfristig – und daher mit wenig Nutzen für die Realwirtschaft – auf Finanzmärkten gehandelt wird. Dadurch werden Geschäftsaktivitäten einer stärkeren Besteuerung unterworfen, die seit den 1990er Jahren massiv von der Liberalisierung der Finanzmärkte profitiert und – nicht selten zum Schaden der Gesamtwirtschaft und des Gemeinwesens – unverdient hohe Gewinne erzielt haben.

Die Asset-Management-Industrie bemängelt, dass eine solche Steuer die Altersvorsorge der Bürger empfindlich belasten kann. Wie steht Ihre Partei zu diesem Problem?

Troost: Dieses Argument halten wir für wenig substanziell. Erstens plädieren wir für eine deutliche Stärkung der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente, die von der FTS nicht betroffen ist, so dass es zur Sicherung des Lebensstandards nicht länger notwendig ist, zusätzlich kapitalgedeckte private Altersvorsorge zu betreiben. Die FTS ist eine progressive Steuer, deren relative Belastungswirkung im Wesentlichen von der Länge der Haltedauer eines Wertpapiers abhängig ist. Kapitalgedeckte Altersvorsorge-Systeme sind keineswegs darauf angewiesen, ihre Beiträge in kurzfristige Finanzanlagen zu stecken (vom zwischenzeitlichen Parken von Beiträgen auf Tagesgeldkonten abgesehen). Bei nur gelegentlichen Umschichtungen des Portfolios eines Altersvorsorge-Vermögens fällt die FTS im Verhältnis zu den ansonsten anfallenden Bankgebühren und Verwaltungsausgaben der Altersvorsorge-Finanzdienstleister nicht ins Gewicht.

Die AIFM-Richtlinie setzt neue Spielregeln für die Beteiligungsbranche. Gehen die Regeln in die richtige Richtung? Gelingt es damit, unseriöse Anbieter geschlossener Fonds (Beispiel S&K) vom Markt zu verdrängen? Worauf muss bei der Umsetzung in deutsches Recht (bis Ende Juli) besonders geachtet werden?

Troost: Die AIFM-Richtlinie ist zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung, geht uns an vielen Stellen aber nicht weit genug. Ob und wie weit die AIFM-Richtlinie geschlossene Fonds – und insbesondere geschlossene Fonds mit unseriösem Management – tatsächlich zurückdrängt, wird sich erst noch zeigen müssen. Wir fänden das wünschenswert, sind aber eher skeptisch. Ein zentraler Kritikpunkt bleibt, dass neben den Fondsmanagern nun auch die Fonds selber und damit die Schattenfinanzplätze, wo diese Fonds angesiedelt sind, stärker ins Visier genommen werden müssen. Da sehen wir bislang kaum politische Fortschritte. Mit unserer Forderung nach einem Finanz-TÜV setzen wir sehr viel grundlegender an, denn dadurch käme eine Vielzahl von Finanzinstrumenten gar nicht mehr zum Einsatz, eine umständliche Regulierung ihres Managements wäre dann unnötig.

Die AIFM-Regeln betreffen auch offene Immobilienfonds. Muss mit Blick auf dieses Segment nachgebessert werden? Wenn ja, wie?

Troost: Wir begrüßen die Lehren, die aus den Zahlungsschwierigkeiten offener Immobilienfonds (OIF) gezogen wurden. Gerade Investitionen in Immobilien sollten langfristiger Natur sein, von daher halten wir eine Beschränkung der Rückgabemöglichkeit für Anteile offener Immobilienfonds im Prinzip für richtig, gleichwohl man auch eine Absenkung der Rückgabebeträge ins Auge hätte fassen können. Die Altregelung für Altkunden bestehender offener Immobilienfonds (Freibetragsgrenze 30.000 Euro pro Halbjahr) besteht im Rahmen einer Übergangsfrist fort. Zur Bewertung der Vermögensgegenstände in offenen Fonds betrachten wir es als kritisch, dass entgegen der bisherigen Regelung im Investmentgesetz statt dem mit drei Experten besetzten Sachverständigenausschuss nur noch ein (bis einschließlich 50 Millionen Euro) bzw. zwei (ab 50 Millionen Euro) externe Bewerter die Immobiliengegenstände im OIF bewerten sollen. Das Kollegialprinzip eines Sachverständigenausschusses von mindestens drei Mitgliedern garantiert ein höheres Maß an Unabhängigkeit und Zuverlässigkeit, eine geringere Fehlerquote und "Treffsicherheit" gerade auch bei Schätzungen, wo Gutachter einen hohen Ermessungsspielraum haben.

Das EU-Parlament will Manager von UCITS-Fonds ähnlichen Bonusregeln unterwerfen, wie sie künftig auch für Banker gelten sollen. Unterstützen Sie die Initiative? Wenn ja: Warum wäre Ihrer Meinung nach ein Eingriff in die freie Gestaltung von Arbeitsverträgen gerechtfertigt?

Troost: Die Linke begrüßt die Initiative, die Fehlanreize in den Vergütungssystemen auch von UCITS-Fondsmanagern zu reduzieren. Da diese Fonds einen erheblichen Teil des Schattenfinanzsektors ausmachen und dieser Sektor wesentliche Rückwirkungen auf die Stabilität des Finanzsystems und der Gesamtwirtschaft hat, sind Vorgaben für die dortigen Vergütungsmodelle nicht nur zulässig, sondern aus politischer Verantwortung für die Sicherung der finanziellen und gesamtwirtschaftlichen Stabilität dringend geboten.

Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) gilt als gute Möglichkeit, die Rentenlücke zu schließen. Der Durchdringungsgrad in Deutschland ist jedoch gering, unter anderem wegen der Komplexität (fünf Durchführungswege) und der Probleme bei Arbeitgeberwechseln. Will Ihre Partei die bAV stärken? Was wären die wichtigsten Änderungen?

Troost: Die Linke will die gesetzliche Rente stärken, denn sie hat sich als sicherer und besser als die kapitalgedeckte Altersvorsorge erwiesen. Betriebliche und private Renten können eine Lebensstandard sicherende, armutsfeste und paritätisch finanzierte Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ergänzen, sollen sie aber – auch nicht teilweise – ersetzen müssen. Ein stärkeres Engagement der Unternehmen in der (ergänzenden) betrieblichen Altersvorsorge würden wir jedoch begrüßen.

In den USA fließt das Geld der dortigen bAV (sog. 401(k)-Konten) auf den Investmentmarkt. In Deutschland dagegen dominieren Versicherungslösungen. Will Ihre Partei bAV-Gelder künftig stärker in den Investment-Bereich lenken? Falls ja, wie?

Troost: Nein, auf keinen Fall. Diese Orientierung hat sich als fahrlässig erwiesen. Gerade Betriebsrentenkassen, die auf Fonds gesetzt haben, haben dort in der Finanzkrise viel Geld verloren. Die Linke will, dass Altersvorsorgegelder möglichst sicher angelegt werden. Am besten sind sie im kollektiven umlagefinanzierten Versicherungssystem der gesetzlichen Rente aufgehoben.

Befürworten Sie bei der bAV Modelle mit garantierter Rentenzahlung (Defined Benefit) oder mit fixer Beitragszusage (Defined Contribution)?

Troost: Wir wollen, dass Sicherungsziele in der Alterssicherungspolitik wieder über Beitragsziele gestellt werden. Wir würden daher auch begrüßen, wenn in der bAV wieder Garantien über die Leistungen gelten würden.

Der Staat fördert die private Altersvorsorge (Riester), viele Geringverdiener nehmen dieses Angebot jedoch nicht wahr. Treten Sie für Pflicht-Riester oder eine andere verpflichtende Altersvorsorge (der zweiten oder dritten Säule) ein?

Troost: Wir wollen die gesetzliche Rente so stärken, dass sie allein in der Lage ist, den Lebensstandard zu sichern und Altersarmut zu vermeiden. Die zusätzliche Altersvorsorge, die derzeit von den Versicherten erwartet wird und die sie weitgehend allein bezahlen müssen, kann dann entfallen oder freiwillig ergänzend weiter betrieben werden. (bm)