Europa braucht Investitionen, nicht Druck aus Davos

DGB klartext 03/2013

25.01.2013 / DGB-Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik

2013 verschärft sich die Krise in Europa. Anlass genug für Cameron und Merkel, auf dem Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos Staaten und Beschäftigte unter Druck zu setzen. Europa ist zwar eine der innovativsten Regionen und Marktführer in vielen Zukunftsindustrien. Doch das interessiert Merkel und Cameron nicht. Beide wollen Europa mit Strukturreformen flexibler und wettbewerbsfähiger machen – und meinen den Abbau von Arbeitnehmerrechten und sozialem Kahlschlag. Es soll mehr gespart und öffentliche Ausgaben gekürzt werden. Diese Reformen seien wichtig, „damit wir morgen besser leben können."

Doch die von Cameron und Merkel in Davos gepriesene Politik ist seit dem Ausbruch der Krise in Europa nackte Realität. Ihre Ergebnisse auch: Europa verliert die ökonomische Basis für den „Wohlstand von morgen“. Die Eurozone wird auch 2013 voraussichtlich um 0,5 % schrumpfen. Nimmt man Deutschland (+0,8 %) und Frankreich (+0,5 %) raus, ist die Wirtschaftslage noch düsterer. Die Krisenländer Portugal, Griechenland, Italien und Spanien kommen seit Jahren nicht auf die Beine, obwohl sie die strikten Sparvorgaben der Troika aus EZB, Kommission und IWF umsetzen und ihre Arbeitsmärkte flexibilisiert haben. Inzwischen erreicht die Krise auch die Niederlande und Belgien (siehe Abbildung in der Anlage).

Lohn-, Renten- und Sozialkürzungen sowie Steuer- und Abgabenerhöhungen würgen überall das Wachstum ab. Vom Wohlstand und wachsender Wettbewerbsfähigkeit keine Spur. Vielmehr steigt die Arbeitslosigkeit, insbesondere unter Jugendlichen. Inzwischen ist in Spanien und Griechenland aus den Hoffnungsträgern einer Gesellschaft eine verlorene Generation geworden.

Die Ursache für die hartnäckige Rezession und die dramatisch hohe Arbeitslosigkeit ist die Wechselwirkung zwischen Sparen und Konjunkturverlauf. Neue IWF-Studien bestätigen die Warnungen der Gewerkschaften: Sparmaßnahmen würgen das Wachstum weitaus stärker ab als behauptet. Die Kommission unterstellte, dass jeder Euro, der Europas Wirtschaft durch Ausgabenkürzungen und/oder Steuererhöhungen entzogen wird, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um lediglich 50 Cent reduziert – eine in ihren Augen vertretbare Schmerzgrenze für eine bessere, weil schuldenfreie Zukunft. Nun stellen IWF-Studien diese Annahme vollständig auf den Kopf: Jeder gesparte Euro senkt das BIP um mindestens einen Euro. Befindet sich ein Land in einer Rezession, so verursacht ein gekürzter Euro sogar einen Rückgang des BIP um zwei Euro und mehr.

Mit dem politisch in Kauf genommenen BIP-Rückgang schwindet aber auch die Aussicht auf gute Geschäfte. Selbst wettbewerbsfähige, innovative Unternehmen verschieben Investitionen. Es entstehen kaum Arbeitsplätze, die Arbeitnehmereinkommen stagnieren. Wo bleibt da die ökonomische Basis für Steuereinnahmen und damit für den Schuldenabbau und die Bereitstellung öffentlicher Dienstleitungen? Am Ende einer solchen Politik verliert der Staat seine Handlungsfähigkeit. Das ist keine Zukunft. Statt Spardiktaten braucht Europa Investitionen in den Aufbau nachhaltiger Wirtschaftsstrukturen. Europa braucht einen Marshallplan.