Auf Sparkurs in die Miesen

Radikales Sparen in der Krise hilft nicht beim Schuldenabbau, zeigt eine ökonomische Analyse von Wolfgang Scherf

14.12.2012 / Böckler Impuls Ausgabe 20/2012

Wer über seine Verhältnisse gelebt hat, muss den Gürtel so lange enger schnallen, bis seine Verbindlichkeiten wieder auf ein erträgliches Maß gesunken sind. Das ist die Logik der viel zitierten schwäbischen Hausfrau. Als Richtlinie für die staatliche Haushaltspolitik taugen solche Vorstellungen jedoch nicht, wie Wolfgang Scherf, Professor für öffentliche Finanzen an der Universität Gießen, mit einer Modellanalyse deutlich macht. Denn die Finanzpolitik hat gesamtwirtschaftliche Folgen, die wieder auf den Staatshaushalt zurückwirken. So kann radikales Sparen im ungünstigsten Fall mit noch mehr Schulden enden - wie derzeit in Griechenland. Der Weg zu einem mittelfristig ausgeglichenen Haushalt müsse mit einer präzisen Lageanalyse beginnen: Was sind die Ursachen des Defizits, wie entwickelt sich die Konjunktur und welche Zusammenhänge bestehen zwischen beiden Größen?

Entscheidend ist nach Scherf zunächst die Unterscheidung zwischen strukturellen Defiziten und Defiziten mit stabilitätspolitischer Funktion. Letztere kommen zustande, wenn die Staatseinnahmen im Konjunkturtal zurückgehen, der Staat sein Ausgabenniveau aber beibehält, um die Wirtschaft nicht weiter zu schwächen. Der Versuch, solchen konjunkturbedingten Defiziten hinterherzukürzen, würde lediglich eine Abwärtsspirale auslösen, so der Wissenschaftler. In dieser Lage sei das Gegenteil sinnvoller: Der Staat sollte eher weitere antizyklische Kredite aufnehmen und mit zusätzlichen investiven Ausgaben gegensteuern. Sobald die Wirtschaft wieder laufe, erleichterten höhere Steuereinnahmen und Minderausgaben für Arbeitslose die Rückführung dieser Schulden.

Allerdings bestreitet Scherf keinesfalls, dass eine unseriöse Finanzpolitik zu dauerhaften, also strukturellen Defiziten führen kann. Dies dürfte etwa im Falle Griechenlands für den größten Teil der Staatsverschuldung gelten. Solche Defizite müssten auch bekämpft werden, sagt der Finanzexperte. Nur: "Finanzpolitische Sünden der Vergangenheit lassen sich nicht durch nachträgliches Sparen in einer Wirtschaftskrise korrigieren." Es bleibe nichts anderes übrig, als die Haushaltslücke zumindest so lange hinzunehmen, bis sich die Wirtschaft wieder erholt hat.

Leider würden die Zusammenhänge im Wirtschaftskreislauf wenig beachtet. Vorschläge zur Einführung von Schuldenbremsen, die nicht zwischen Defizittypen unterscheiden, ignorierten, "dass nichts den Staatshaushalt so stark entlastet wie ein hohes wirtschaftliches Wachstum", so Scherf.