5 Jahre DIE LINKE: Jetzt den neuen Herausforderungen stellen!

Von Axel Troost, aus: Zeitschrift "DISPUT"

19.05.2012 / MAI 2012


Am 16. Juni 2012 darf DIE LINKE das fünfte Jahr ihrer Gründung feiern. Mit der Bildung der neuen Partei DIE LINKE haben sich die politischen Kräfteverhältnisse in der »Berliner Republik« weiter nachhaltig verändert. Die Verständigung von Linkspartei. PDS und WASG, bei den vorgezogenen Bundestagswahlen 2005 auf einer Liste anzutreten und eine gemeinsame Partei zu bilden, war ein wichtiger Schritt, die Spaltung der Linken in Deutschland durch trennende politische Lager wie auch die Ost-West-Spaltung zu überwinden.

Zweieinhalb Jahre nach dem fulminanten Bundestagswahlkampf und fünf Jahre nach dem Zusammenschluss zeigt sich aber auch, wie brüchig die "vereinigte Partei" noch ist. Mittlerweile dürfte die Diagnose eines nachhaltigen Niederganges seit den Bundestagswahlen 2009 weithin unstrittig sein. Wir haben seither ca. 8.000 Mitglieder verloren. Unser politischer Einfluss ist geringer geworden. Die Akzeptanz im Westen ist erheblich gesunken:Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und NRW haben wir massiv Wahlstimmen verloren und den Wiedereinzug in beide Parlamente deutlich verfehlt. Ein »Weiter so« ist also nicht hilfreich und keine Perspektive.
Die notwendige Erneuerung bedeutet weder nun im Alltagsgeschäft zu »verkümmern«“, noch zu den untauglichen Lösungsansätzen des 20. Jahrhunderts zurückzugreifen. DIE LINKE hat es immer noch in der Hand, trotz kurzfristiger ökonomischer Erholung sensibel für die tieferliegenden sozialen Ungerechtigkeiten zu bleiben, sich von dem Protestpotenzial für die eigene politische Arbeit inspirieren zu lassen und so die politische Repräsentanz von Lohnarbeit, Prekarisierung und Ausgrenzung zugleich befördern zu können. Die Alternative zum finanzmarktgetriebenen Kapitalismus läuft nicht einfach nur auf die gesellschaftliche Kontrolle des Banken- und Finanzsystems hinaus, sondern unterstellt weitreichende Veränderungen – von Reformen der sozialen Sicherheit, der Arbeitswelt bis hin zur Steuer- und Vermögenspolitik.

Das »German Miracle«, die arbeitsmarktpolitische Bewältigung der Großen Krise, zeigt seine Kehrseite: weitere Ausweitung der prekären Arbeitsverhältnisse und nochmals verdichtete, intensivierte Arbeitsprozesse bei wieder verlängerten Arbeitszeiten. Die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse haben sich so verschoben, dass die ökonomischen und politischen Eliten alle Elemente des Status der Lohnarbeit (Einkommen, Arbeitszeit, tarifvertragliche Regelungen, soziale Sicherheit) in Frage stellen. Verstärkt wird diese Entwicklung auch durch die Begünstigung von gewaltigen Finanzkrisen, die nationale Ökonomien in kürzester Zeit vor immense Herausforderungen stellen. Die gegenwärtige Stimmung in der Bevölkerung gegen „die Griechen, die – auf unsere Kosten - über ihre Verhältnisse gelebt haben, lässt ahnen, was für eine Herausforderung DIE LINKE bewältigen muss. Auch hier müssen wir Alternativen präsentieren, breite Schichten von WählerInnen gewinnen wir dort kurzfristig nicht Es wird aber darauf ankommen, die Vorstellung eines sozialen Europa mittelfristig zu popularisieren. Dabei werden auch die politischen Entwicklungen (Zunahme rechtspopulistischer und nationalistischer Stimmungen) in den Ländern der Euro-Zone nicht ohne Auswirkung bleiben.

Die Antwort auf Marktradikalismus und soziale Desintegration liegt deshalb in der Stärkung des öffentlichen Sektors und der Demokratisierung der Wirtschaft. Demokratisierung in den Bereichen der öffentlichen Betriebe, der Gemeinden und Kommunen kann zusammengefasst werden unter dem Begriff der »Rekommunalisierung«. Wie es dem Staat finanziell geht, kann man zuerst in den Städten und Gemeinden sehen. Der Zustand von Kindergärten, Schulen, Bibliotheken, Spielplätzen, Parkanlagen, Straßen oder Schwimmbädern hinterlässt einen bleibenden Eindruck von den Finanzproblemen unserer Kommunen.
Die Logik, solide öffentliche Finanzen durch Ausgabenkürzungen erreichen zu wollen, basiert vor allem auf der stillschweigenden Akzeptanz der geschwächten Einnahmebasis des Staates. Denn durch die rigorosen Steuersenkungen zugunsten der Spitzenverdiener, Unternehmen und Vermögensbesitzer in den letzten 12 Jahren wurde diese Einnahmebasis systematisch ausgehöhlt. Die Krise der Staatsfinanzen ist deshalb nicht in erster Linie ein Ausgaben-, sondern ein Einnahmeproblem. Nur mit einer deutlichen Verbesserung der Einnahmen lässt sich ein qualitativ hochwertiger öffentlicher Dienst und eine den Anforderungen der Zukunft entsprechende staatliche Infrastruktur sicherstellen.
Der finanzmarktgetriebene Kapitalismus hat die Arbeitswelt verändert: Es entstanden moderne Kommunikationstechnologien, aber auch massiv veränderte Arbeitsbedingungen raus aus den festgefügten fordistischen Arbeitsprozessen mit ihren übersichtlichen, auf lange Dauer angelegten Arbeitsverhältnissen hin zu ständiger Unsicherheit (immer weniger unbefristete Arbeitsverträge, zunehmende projektbezogene Jobs in halb- oder ganz selbständiger Tätigkeit mit immer niedriger werden der Entlohnung vor allem in jenen Feldern mit hohem Anteil digitaler Technik).
Die Auseinandersetzung um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen und die Gegenentwürfe der politischen Linken gegen die Austeritätspolitik der politischen Eliten sind nötiger denn je. Die Forderung nach einem Politikwechsel erhielte so eine eigenständige Kontur, und sie könnte den Bürgerinnen und Bürgern zugleich plausibel machen, warum die DIE LINKE ein unverzichtbares Korrektiv für die Durchsetzung gesellschaftlicher Reformen darstellt.
Dr. Axel Troost ist Mitglied des Parteivorstandes und finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion.