Schuldenbremse nicht zur Zukunftsbremse werden lassen!

Von Axel Troost*

18.02.2011

Seit Beginn dieses Haushaltsjahres gelten die Regelungen der sogenannten Schulden-bremse. Mithilfe dieses Kreditaufnahmeverbotes sollen die durch die Finanz- und Wirt­schaftskrise gebeutelten Haushalte wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. „Ein kla­res Signal für die Zukunftsfähigkeit der Finanzpolitik in Deutschland“ soll hiervon aus­gehen, geht es nach den Konstrukteuren der Föderalismusreform II, deren kleinster gemeinsamer Nenner die Schuldenbremse war. Denn statt das Gesamtsystem des fö­deralen Finanzausgleichs zu reformieren, ist die mechanistische und populistische Be­grenzung der Neuverschuldung übrig geblieben. Von seinen liberalen Fürsprechern wird dieses Instrument der mechanistisch-rechtlichen Schuldendeckelung als viel ver­sprechender „Aufbruch in eine neue Ära“ pompös in Szene gesetzt. Die PR-Maschi­nerie ist längst angelaufen und droht bereits breite Kreise zu ziehen: Gerühmt wird schon jetzt das Potenzial, zum Exportschlager in der EU, sogar im europäischen Aus­land zu werden.

Die Fragen, die sich uns angesichts dieser ausgesprochen riskanten Entwicklung stel­len müssen, sind zwei: Wollen wir es wirklich einfach dabei belassen, dass in der dis­kursiven politischen Auseinandersetzung um Finanzpolitik und Haushaltsführung ein Leitbild die Oberhand gewinnt, das öffentliche Verschuldung per se als Wurzel allen Übels diffamiert? Wollen wir, wie es beispielsweise der hessische GEW-Vorsitzende Jochen Nagel treffend umschrieben hat, marktfundamentalen Brandstiftern, die sich nun mit der Schuldenbremse als „Feuerwehrleute“ installieren, das Feld überlassen, damit sie mit dem „Löschwasser“ auch noch die „Reste des Hauses“ zerstören? Das Haus heißt „handlungsfähiger demokratischer Sozialstaat“, der in der Lage ist, die Ungerech­tigkeiten und sozialen Verwerfungen unseres kapitalistischen Wirtschaftssystems so­weit wie möglich auszugleichen.4 Die Schuldenbremse als rechtliches Instrument und unhinterfragte Antwort auf die steigende Verschuldung der öffentlichen Haushalte ist das eine. Das andere ist das, was die Schuldenbremse befördert: Sparen und staatliche Leistungen einschränken. Denn darauf droht es hinauszulaufen, gerade wenn Steuer­erhöhungen ausgeschlossen werden. Im Alltag breiter Bevölkerungsschichten sind die­se Irrtümer längst angekommen und es wird zunehmend schwerer, Perspektiven für ein Umdenken zu generieren.

Ich halte es für dringend geboten, zu sondieren, wie es möglich wird, Gegenentwürfe (zu Schwarz-Gelb) auf der politischen Agenda breiter zu platzieren und hierüber die Diskussion von der Ausgaben- hin zur Einnahmeseite zu verlagern. Ein erster Schritt ist es, falsche Unterstellungen, die ganz klar populistischer Natur sind, die die politischen Diskurse gegenwärtig aber dominieren, zu dekonstruieren.

Das vorliegende Papier soll hierzu einen ersten Aufschlag machen, um innerhalb des ISM eine derartige Diskussion über die Wirkung und Tragweite der Schuldenbremse anzuregen und zu vertiefen. Es legt dar, welche volkswirtschaftlichen Risiken mit diesem Instrument einer mechanisti­schen Schuldendeckelung verbunden sind. Zudem greift es Argumente auf, die häufig zur Rechtfertigung der Schuldenbremse herangezogen werden und entkräftet diese. Häufig beruhen diese auf grundlegenden Irrtümern, die in Verbindung mit Schulden und öffentlicher Verschuldung bestehen.

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* Axel Troost ist Mitglied des Vorstandes des Institutes Solidarische Moderne

Paper im Anhang als PDF-Dokument