Atypische Beschäftigung - Minijobs: Ländlich, westlich, weiblich

Böckler Impuls 19/2010

05.12.2010

Minijobs sind vor allem in der westdeutschen Provinz weit verbreitet. In manchen Regionen werden vier von zehn Arbeitsplätze an Frauen auf 400-Euro-Basis vergeben - und das oft zu niedrigen Stundenlöhnen.

Ein beträchtlicher Anteil der Arbeitsplätze in Deutschland entfällt auf Minijobs. Im vergangenen Jahr war jedes fünfte Beschäftigungsverhältnis ein geringfügiges, insgesamt 7,19 Millionen Arbeitsverträge liefen auf 400-Euro-Basis. Wie sich dieses große Arbeitsmarkt-Segment über die Bundesrepublik verteilt, hat der WSI-Forscher Alexander Herzog-Stein aufgeschlüsselt. Die WSI-Datenbank "Atypische Beschäftigung" führt den Anteil der Minijobber an allen Beschäftigungsverhältnissen für die einzelnen Bundesländer, Städte und Landkreise auf. Dadurch wird sichtbar, wo sich die neben der Leiharbeit problematischste Beschäftigungsform ausbreitet: Vor allem Betriebe in der westdeutschen Provinz bieten Minijobs an, die häufig von Frauen besetzt werden. Für die betroffenen ist das problematisch, weil sie kaum Ansprüche auf soziale Sicherung erwerben und in aller Regel selbst pro Stunde nur sehr wenig Geld verdienen. 81 Prozent der geringfügig Beschäftigten, die keiner anderen Erwerbsarbeit nachgehen, bekommen laut Statistischem Bundesamt nur einen Niedriglohn.

Ost-West. Minijobs sind "ein typisch westdeutsches Phänomen", sagt der Arbeitsmarkt-Experte Herzog-Stein. In Westdeutschland gab es 6,28 Millionen Minijobber, im Osten nicht einmal eine Million. Sämtliche westdeutschen Bundesländer haben einen höheren Anteil von 400-Euro-Jobs an allen Beschäftigungsverhältnissen als die sechs ostdeutschen Länder. Beim Spitzenreiter Schleswig-Holstein betrug der Anteil der Minijobs an allen Stellen 23,7 Prozent, in Ostdeutschland waren es überall unter 15 Prozent.

Stadt-Land. Der Anteil der Minijobber ist im Westen besonders in den Landkreisen sehr hoch. Das dürfte laut Herzog-Stein mit daran liegen, dass gerade hier viele Paare eine traditionelle Arbeitsteilung pflegen - der Mann verdient das Geld, die Frau kümmert sich um die Familienarbeit und steuert allenfalls einen Zuverdienst bei. Der WSI-Forscher nennt einen Hauptgrund für das Stadt-Land-Gefälle: Auf dem Land sind Familie und Beruf meist schwieriger zu vereinbaren als in den Städten, was vor allem an dem meist unzureichenden Angebot an Kinderbetreuung liegt. Dennoch nimmt im Deutschlandvergleich eine Stadt den Spitzenwert ein: In Delmenhorst entfallen mehr als 34,3 Prozent aller Arbeitsplätze auf Minijobs.

Frauen und Männer. Mehr als jedes vierte Beschäftigungsverhältnis einer West-Frau ist ein geringfügiges. Im Landkreis Trier-Saarburg werden gleich 42,2 Prozent aller Frauen-Arbeitsplätze mit maximal 400 Euro vergütet, so die WSI-Datenbank. Im Unterschied dazu beläuft sich die Minijob-Quote von Ost-Frauen auf 16,6 Prozent, kaum höher als die der Männer. Auffällig ist zudem: Wo viele Frauen einen Minijob haben, muss das nicht für Männer gelten. Während Frauen vor allem auf dem Land häufig geringfügig beschäftigt sind, gilt das für Männer eher in den Städten. Dahinter scheint weniger ein Familienmodell zu stehen als ein unzureichendes Stellenangebot am Arbeitsmarkt.

Ausschließlich Minijob oder Nebenerwerb.

2,26 Millionen Beschäftigte haben einen Minijob, gehen aber noch einer weiteren Arbeit nach. Damit werden 6,5 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse ohne einen sachlichen Grund steuerlich gefördert und von Sozialbeiträgen weitgehend freigestellt, kritisiert Herzog-Stein. Das Gros der 400-Euro-Kräfte aber - 4,93 Millionen Menschen - bezieht kein anderes Arbeitseinkommen. Diese geringfügig Beschäftigten sind entweder auf das Einkommen von anderen Haushaltsangehörigen oder aber auf Arbeitslosengeld II angewiesen. Ihre Zahl ist selbst in der Krise der vergangenen beiden Jahre nochmals gestiegen, ein Übergang auf eine Vollzeit- oder Teilzeitstelle mit mehr Stunden gelingt selten. Der WSI-Experte spricht angesichts von fast fünf Millionen ausschließlich geringfügig Beschäftigten von "einer gravierenden Fehlentwicklung"am Arbeitsmarkt.