Umverteilung im Zeichen des Sparens
Im ND-Interview: Dietmar Bartsch, Interview: Uwe Kalbe
Mit dem Haushaltsbegleitgesetz exekutiert die schwarz-gelbe Koalition eine einseitige Interessenpolitik
	
	Die Bundesregierung wirbt – in Anzeigen zum Beispiel auch im ND
 – für die Sanierung der Staatsfinanzen. Was ist daran auszusetzen?
	
	Dietmar Bartsch: Es werden Steuergelder verschleudert 
und Angela Merkels Behauptungen stimmen einfach nicht. Von wegen 
Sanierung der Staatsfinanzen – wenn die Bundesregierung 48,4 Milliarden 
Euro neue Schulden im Jahr 2011 aufnehmen will, hat das nichts mit 
solider Haushaltspolitik zu tun.
	
	Immerhin 20 Milliarden Euro weniger als ursprünglich geplant.
	
	Im Wesentlichen doch nur, weil die Einnahmen über ein höheres 
Wirtschaftswachstum hochgerechnet wurden. Aber 48,4 Milliarden Euro, die
 unsere Kinder und Enkelkinder bezahlen müssen, bleiben inakzeptabel.
	
	Was genau kritisiert die LINKE an der vorliegenden Haushaltsplanung?
	
	Dieser Haushalt ist unsolide, ungerecht und unsozial und verspielt 
Zukunftschancen. Schwarz-Gelb setzt die Politik der Umverteilung von 
unten nach oben fort. Gespart wird bei den Ärmsten, beim Elterngeld für 
Hartz-IV-Betroffene, beim Übergangsgeld für Arbeitslose, die in Hartz IV
 fallen, oder beim Heizkostenzuschlag. Die Reichen und Superreichen 
dieser Gesellschaft werden dagegen in keiner Weise belastet. Die 
anhaltende Drohung durch Hartz IV bringt mit sich, dass der 
Niedriglohnbereich und unsichere und befristete Arbeitsverhältnisse 
ausgeweitet werden, dass es immer mehr Kinder in Armut gibt.
	
	Die geplanten Sozialeinschnitte machen fast 50 Prozent des 
gesamten Einsparvolumens des Haushaltsbegleitgesetzes aus. Aber es gibt 
auch Belastungen der Wirtschaft – Stichwort Flugticketabgabe und 
Atomsteuer.
	
	Die Regierung spart in erster Linie bei den Armen. Die angeblichen 
Belastungen der Wirtschaft entpuppen sich schnell als Luftbuchungen, 
vieles bezahlt letztlich der Verbraucher. Die Luftverkehrsabgabe wird 
auf die Passagiere umgelegt und wer glaubt, dass die Belastung der 
Energiekonzerne nicht auch bei den Verbrauchern ankommt, der irrt. Die 
Wirtschaft bleibt weitgehend verschont, und der immense Reichtum in 
dieser Gesellschaft wird nicht angetastet. Selbst im Krisenjahr 2009 ist
 die Zahl der Vermögensmillionäre gestiegen, auf inzwischen 861 500. Es 
ist absurd, diese nicht zur Kasse zu bitten.
	
	Soziale Gerechtigkeit und gesunde Staatsfinanzen – geht das gleichzeitig?
	
	Ja, selbstverständlich.
	
	Welche Vorstellungen hat die LINKE zur Sanierung des Haushalts?
	
	Die öffentlichen Haushalte brauchen höhere Einnahmen. Wir machen 
konkrete Vorschläge dafür und auch, wie man Ausgaben reduzieren kann. 
Wir wollen eine stärkere Beteiligung der wirtschaftlich Leistungsfähigen
 an den Kosten des Gemeinwesens. Zum Beispiel durch eine Erhöhung des 
Spitzensteuersatzes in Richtung 50 Prozent. Wir wollen, dass die Senkung
 der Körperschaftsteuer von 25 auf 15 Prozent zurückgenommen wird, wir 
wollen eine Abgabe auf Boni in der Finanzbranche. Und unsere 
entscheidende Einnahmequelle ist die Millionärssteuer. Es gibt einen 
Freibetrag von einer Million Euro. Das heißt, nur wer mehr privates 
Geld- und Immobilienvermögen hat, muss fünf Prozent zahlen. Das führt 
wahrhaftig zu keiner Verarmung. Auf der anderen Seite wollen wir sparen –
 durch Beendigung der Auslandseinsätze der Bundeswehr und bei konkreten 
Vorhaben wie dem Militärtransporter A 400 M. Und wir haben den Vorschlag
 übernommen, den die FDP in Oppositionszeiten gemacht und nun vergessen 
hat: die Zahl der Staatssekretäre in den Ministerien zu senken.
	
	Auch Teile der LINKEN sprechen von internationaler 
Verantwortung Deutschlands. Muss man die Mittel für die neuen Aufgaben 
der Bundeswehr umverteilen oder kann man sie einsparen?
	
	Es ist sogar sehr notwendig, dass Deutschland internationale 
Verantwortung wahrnimmt – durch Erhöhung der Entwicklungshilfe etwa. Wir
 schlagen hier zwei Milliarden Euro Mehrausgaben vor, um die Ursachen 
von Armut und Hunger zu beseitigen.
	
	Gibt es Punkte in der Haushaltspolitik, auf die sich die Parteien in der Opposition einigen könnten?
	
	Es gibt Übereinstimmungen aller drei Fraktionen bei der Kritik am 
vorliegenden Haushalt. So an der Kürzung von Investitionen um weitere 
1,5 Milliarden Euro, zum Beispiel bei der energetischen Gebäudesanierung
 oder beim Stadtumbauprogramm. Diese Kürzungen sind grundfalsch und 
gefährden Arbeitsplätze. Inzwischen gibt es auch Übereinstimmung in der 
Frage eines gesetzlichen Mindestlohns – leider erst jetzt, da die SPD in
 der Opposition ist.
	
	Hat die LINKE Mühe, mit ihren Positionen in der Opposition erkennbar zu bleiben?
	
	Nein, keineswegs. So stellen beispielsweise nur wir in der gebotenen 
Deutlichkeit fest, dass der Osten von diesem Sparprogramm wieder einmal 
überdurchschnittlich betroffen ist. Bei einer bundesweiten Belastung von
 44,56 Euro für jeden Bürger jährlich sind die Bayern mit 21,88 Euro, 
die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern aber mit 82,28 Euro betroffen. 
Das ist inakzeptabel.
	
	
	
	
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