Bundesbank und BaFin oder: Haben wir was aus der Bankenkrise gelernt?

31.10.2009 / Joachim Bischoff / Norbert Weber in: Sozialismus v. 28.10.2009

Im Koalitionsvertrag der neuen schwarz-gelben Bundesregierung werden auch die auf den internationalen Konferenzen geforderten neuen Regulierungen für die Finanzsektor angesprochen. Es geht um höhere Kapitalanforderungen, die Überprüfung der Bilanzstandards, die Kontrolle der Ratingagenturen, bessere Boni- und Anreizstrukturen.

Ohne tiefergehende Analyse und Diskussion ist offenbar eine Neuregelung der Bankenaufsicht in Deutschland vereinbart worden: Bisher sind sowohl die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als auch die Bundesbank an der laufenden Überwachung der Finanzinstitute beteiligt. Dabei hatte die Bundesbank eine eher technische Aufgabe. Sie war für die Aufdeckung von Fehlentwicklungen zuständig, über deren Konsequenzen, etwa die Schließung einer Bank, dann die BaFin entschied.

Neben der Sicherung von Geldwertstabilität, einem stabilen Finanz- und Währungssystem, einem sicheren Zahlungsverkehr, der Bankenaufsicht u.a. gehört es auch zu den Aufgaben der Bundesbank, im Auftrage der "Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH" und für Rechnung des Bundes Auktionen (so genannte Tenderverfahren) von Einmalemissionen des Bundes (unverzinsliche Schatzanweisungen, Bundesschatzanweisungen, Bundesobligationen, Bundesanleihen) durchzuführen. Sie wirkt auch beim Absatz von Daueremissionen (Finanzierungsschätze, Bundesschatzbriefe) mit und betreibt die Marktpflege an den deutschen Präsenzbörsen. Wegen der notwendigen Ausfinanzierung der aktuellen und noch kommenden Schuldenlast des Bundes wird diese Aufgabe die Bundesbank stark fordern.

Bei der Bankenaufsicht arbeitet die Bundesbank derzeit noch mit der BaFin zusammen und ist maßgeblich beteiligt

am Erlassen allgemeiner Regeln (z.B. Grundsätze und Verordnungen); bei der laufenden Aufsicht. Ausgenommen sind (hoheitliche) Einzelmaßnahmen gegenüber Instituten, die der Bundesanstalt (BaFin) vorbehalten sind. an den bankenaufsichtlichen Prüfungen sowie an der internationale Kooperation / Koordination auf dem Gebiet der Aufsicht. Darüber hinaus ist sie beim Krisenmanagement eingebunden.

Die Aufgaben der BaFin sind nicht auf die Zulassung, Überwachung und - falls erforderlich - Schließung einzelner Institute beschränkt. Sie kann auch durch allgemeine Anordnungen Regeln für die Durchführung von Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen sowie zur Begrenzung von Risiken festlegen. Hiervon kann sie durch den Erlass von Grundsätzen und Rechtsverordnungen Gebrauch machen. Darüber hinaus hat die BaFin auch Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken, die die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsmäßige Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können.

Nicht grundlos hat der Gesetzgeber diese Aufteilung gewählt! Aufgrund von möglichen Interessenkonflikten müssten deshalb die hoheitlichen Aufgaben bei einer funktionierenden und mit Kompetenzen ausgestatteten BaFin verbleiben! Die schwarz-gelbe Koalition will deren Kompetenzen deutlich beschneiden. Die Aufsicht der Institute soll künftig unter dem Dach der Deutschen Bundesbank gebündelt werden. Um gleichwohl die Unabhängigkeit der Bundesbank zu erhalten und nicht eine Unterstellung unter das Finanzministerium in Kauf nehmen zu müssen, soll die Abteilung Bankenaufsicht von den übrigen Bereichen der Bundesbank abgegrenzt werden.

Außerdem soll die Entscheidung, ob eine systemrelevante Bank geschlossen werden soll, künftig weiterhin das Finanzministerium verantworten. Das heißt aber, dass dort ebenfalls ein entsprechender Prüfungsapparat aufgebaut werden muss. Wird diese Neuregelung die Gefahr von Bankenkrisen vermindern und eine wirksame gesellschaftliche Kontrolle darstellen?

Dazu einige Überlegungen.

Erstens: Das Argument der "Systemrelevanz" wird immer in einem falschen Zusammenhang angeführt. Systemrelevant sind nicht die Banken, sondern die von den Banken treuhänderisch verwalteten und ihnen von den BürgerInnen anvertrauten fremden Gelder!

Zweitens: Es wird angestrebt, dass die Banken ihr Eigenkapital auf 7% der Bilanzsumme aufstocken sollen. Im Umkehrschluss heißt, dass sie nach wie vor mit mehr als 93% des ihnen anvertrauten und von ihnen treuhänderisch verwalteten Geld arbeiten können!

Drittens: Angesichts der schlimmen Erfahrungen der Finanzmarktkrise müsste endlich eine funktionierende Bankenaufsicht geschaffen werden, die mit Kompetenzen ausgestattet ist, frühzeitig eingreifen kann und Maßnahmen ergreifen darf.

Viertens: Die Banken haben nunmehr wohl erkannt, dass sie eine Art Aufsicht akzeptieren müssen, um nicht vollständig ihren Ruf zu verlieren. Doch wird hier frei nach dem Motto agiert: "Wenn wir es schon nicht verhindern können, so wollen wir es dann bitte selbst machen." Konsequenterweise setzt sich die Bankenlobby deshalb für eine Schwächung der BaFin ein. Die Brandstifter wollen also nicht nur den Löschtrupp stellen, sondern auch noch für die Verhinderung zukünftiger Brände zuständig sein!

Fünftens: Schlimmes erahnen lassen die wieder zu hörenden Rufe nach "25% Rendite" und "Bonifikationen, gemessen an Umsatzgrößen". Selbst wenn man all den Ackermännern und Nonnenmachern zugute hält, dass sich ihr Renditeziel auf das Eigenkapital bezieht, sind solche Forderungen unverantwortlich! Mit einem soliden Zinsmargen-Bankgeschäft lassen sich solche Profite nicht erreichen. Die Forderung nach einer Rendite von 25% fordert geradezu zu erneuten Casino-Kreislaufmodellen auf. Das Karussell dreht sich wieder!

Sechstens: Die Banken haben gelernt, dass sie für Ihre Fehler nicht gerade stehen müssen, sondern letztendlich der Steuerzahler. Begründet wird das dann mit "Systemrelevanz".

Schlussfolgerung: Verfolgt man das politische Gezerre um die Verbesserung der Bankenaufsicht, dann sind weder eine härtere Regulierung noch eine nachhaltige Kontrolle in Sicht. Wenn nicht gegengesteuert wird, wird die Bundesbank demnächst allein für die Kontrolle zuständig sein, und die BaFin muss sich auf die Wertpapier- und Versicherungsaufsicht beschränken. Dieses wäre jedoch genau die falsche Konsequenz aus dem Desaster auf den Finanzmärkten.

BaFin Chef Jochen Sanio spricht sich gegen diese Konzeption der Neuordnung aus und weist den Vorwurf zurück, wonach seine Behörde bei der heraufziehenden Pleite der Hypo Real Estate (HRE) zu lange tatenlos zugesehen habe: "Die BaFin hatte nichts tun können, um die Bank früher zu schließen und ihr 'zusätzliche Liquidität in die Tasche zu stecken'. Die HRE lief weit in die Todeszone, wir liefen nebenan. Die HRE saß in der Falle, wir saßen nebenan. Dies sei kein Versagen, sondern entspreche der Rechtslage. Wenn Sie wollen, dass wir mehr machen, dann müssen Sie eine neue BaFin konstruieren.", so Sanio in Richtung Parlament. Sanio fordert also mit anderen Worten eine Ausweitung der Aufsichtskompetenzen. Dazu gehört sicherlich auch, dass die BaFin eine ausreichende Personaldecke bekommt und mit erweiterten hoheitlichen Kompetenzen ausgestattet wird.

Der Grund, weshalb die BaFin im Ergebnis der schweren Finanzkrise eher zurückgestuft, statt gestärkt werden soll, liegt auf der Hand. Entscheidend für die Vermeidung von künftigen Finanzkrisen ist nicht die Kontrolle, sondern die Beschneidung des Geschäftes der Bankinstitute: Um Finanzkrisen zu verhindern, so Sanio, muss den Finanzunternehmen untersagt werden, Risiken aus den von ihnen vergebenen Krediten komplett weiterzuverkaufen. "Es spricht viel für den Vorschlag, den Banken, die im Rahmen von Verbriefungen Forderungen verkaufen, zwingend vorzuschreiben, einen erheblichen Teil der Kreditrisiken in den eigenen Büchern zu behalten." Genau das aber wollen die Banken nicht.

In diesem Zusammenhang müsste auch das Strafrecht präzisiert werden. Das unverantwortliche Zocken mit fremdem Geld und ohne persönliches Risiko ist Betrug und Veruntreuung in einem besonders schweren Fall. Reine Rückgriffsforderungen an das Management wird die Bank über Managerpolicen abdecken, die Prämien hierfür trägt sie sowieso. Deren Inanspruchnahme würde wieder zu Lasten der Versicherten-Solidargemeinschaft gehen und trifft damit nicht die für die Katastrophe verantwortlichen Manager persönlich!

Anders wird man den Auswüchsen der Zockermentalität der Bankverantwortlichen nicht beikommen können und man kann nur davor warnen, die BaFin nun komplett von den Aufgaben der Bankenaufsicht zu entbinden oder diese hoheitliche Verantwortung der BaFin gar zu privatisieren.