Axel Troost: »Kein unbelastetes Personal für solche Positionen«

Fast alle Führungskräfte von Banken haben bei den Finanzgeschäften mitgepokert. Auch der neue HRE-Chef. Gespräch mit Axel Troost

05.06.2009 / Interview in: junge Welt vom 4.6.2009 (Interview: Peter Wolter)

Axel Troost ist finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. Er ist auch Mitglied des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Vorgänge um die Pleitebank Hypo Real Estate

Die Bank Hypo Real Estate (HRE) steht jetzt kurz vor der Enteignung – sind Sie als finanzpolitischer Sprecher Ihrer Fraktion zufrieden? Enteignung von Banken ist schließlich eine der Forderungen Ihrer Partei.

Das ist nun leider keine Offensivmaßnahme, mit der der Staat gestaltend in die Wirtschaft eingreift, um den gesellschaftlichen Produktionsprozeß umzustrukturieren. Es ist vielmehr eine Notmaßnahme, zu der es keine Alternative gibt – denn das viele Geld, das bisher schon in diese Bank geflossen ist, muß gesichert werden.

Das waren bisher 105 Milliarden Euro – welche Summen kommen noch auf die Steuerzahler zu?

Von diesen 105 Milliarden stammen 92 vom Bund. Es wird auf jeden Fall noch zusätzlich Geld fließen müssen, um die Eigentumsrechte des Bundes auf 90 Prozent aufzustocken. Das Geld ist nicht verloren, da ja der entsprechende Gegenwert vorhanden ist.

Nennen Sie uns eine Summe?

Ich denke, daß noch fünf bis 15 Milliarden Euro hinzukommen müssen, was dann aber auch reichen würde. Ein großer Teil der Gesamtsumme sind ja Bürgschaften, wodurch die Staatsverschuldung nicht unmittelbar erhöht wird.

Wer sind die Gläubiger der HRE? Denen käme ja das vom Staat eingeschossene Kapital zugute.

Diese Frage haben wir auch im parlamentarischen Untersuchungssausschuß zur HRE-Pleite aufgeworfen, wir wollen eine genaue Aufschlüsselung haben. Ich gehe mal davon aus, daß es sehr viele öffentliche Einrichtungen sind: Versorgungswerke des Bundes und der Länder, Pensions fonds von großen Unternehmen, Anlagen von Berufsgenossenschaften und Lebensversicherungen.

Einer der Hauptgläubiger soll die Deutsche Bank sein.

Das sehe ich nicht so. Allerdings hätte die Deutsche Bank über den privaten Sicherungsfonds der Banken mit erheblichen Beträgen in die Bresche springen müssen, falls es bei der HRE zu einer Insolvenz gekommen wäre.

Trägt die Deutsche Bank eine Mitverantwortung für das HRE-Desaster?

Dazu gibt es bisher keine Erkenntnisse.

Welche Rolle spielt Axel Wieandt, seit dem Herbst Vorstandsvorsitzender der HRE? Er war zuvor bei der Deutschen Bank.

Das ist sicher keine ideale Besetzung. Wir stehen aber vor dem grundsätzlichen Problem, daß es einfach kein unabhängiges und unbelastetes Personal für solche Positionen gibt – alle haben in den vergangenen Jahren bei den Finanzspielereien mitgepokert. Es ist verdammt schwer, für öffentliche Banken Führungspersonal zu finden, auf das man sich verlassen kann.

Hat der Bundestagsuntersuchungsausschuß schon eine Idee, wie es zu diesem Zusammenbruch kommen konnte?

Wir stehen erst am Anfang. Deutlich ist aber, daß die Bankenaufsicht völlig versagt hat – zumindest aus meiner Sicht.

Gibt es schon greifbare Untersuchungsergebnisse?

Wir stehen wirklich erst am Anfang. Leider haben wir noch längst nicht alle Unterlagen, die angeforderten Akten werden nur sehr zögerlich zur Verfügung gestellt. In den ersten beiden Ausschußsitzungen haben wir erst einmal Zeugen und Prüfer der Bundesbank befragt. Für den heutigen Donnerstag haben wir die Leitung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geladen – ich nehme an, daß wir dann einen Schritt weiter kommen.

Welche Kompetenzen hat der Untersuchungsausschuß denn? Können notfalls Akten beschlagnahmt werden?

Die werden wir sicher irgendwann bekommen. Der Ausschuß hat das grundsätzliche Problem, daß ihm nur wenige Sitzungen bleiben, deswegen wäre es gut, wenn wir die Akten sehr bald bekämen.

Irgendwann vielleicht. Bald beginnen die parlamentarischen Sommerferien, dann wird der Bundestag neu gewählt. Wie viele Sitzungen bleiben denn noch?

Nach der ursprünglichen Planung müßte es noch elf Sitzungen geben. Wir stellen aber fest, daß die SPD jetzt massiv Druck macht, daß im August überhaupt nicht mehr getagt wird. Dem werden sich die drei Oppositionsfraktionen mit aller Kraft widersetzen.