Axel Troost: Vergesellschaftung des Finanzsektors statt Verstaatlichung der Verluste

31.01.2009 / Axel Troost

Das waren noch Zeiten, als man noch arglos nach der Verstaatlichung von Banken und Unternehmen rufen konnte. Wann immer in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten Linke derartige Vorschläge machten oder Forderungen aufstellten, konnten sie sich sicher sein, dass es zu solchen Schritten nur im Rahmen fundamental veränderter politischer Konstellation kommen würde. Egal, ob in Form von Regierungsbeteiligungen, nach Revolutionen oder nach dem Erlangung der Deutungshoheit in der Wissenschaft oder in großen zivilgesellschaftlichen Organisationen wie z.B. Gewerkschaften: Verstaatlichung würde nicht stattfinden, ohne von linken Befürwortern selbst durchgeführt zu werden.

Diese Zeiten haben sich geändert. Heute redet auch die CDU unverhohlen von der Notwendigkeit der „Teilverstaatlichung“ krisengeschüttelter Banken. Die Absurdität beginnt damit, dass nun die Linke fordern muss, dass mit der Übernahme der Eigentümerfunktion durch den Staat auch eine Einflussnahme des Staates auf die Geschäftspolitik dieser Banken bei gleichzeitiger Zurückdrängung der bisherigen privaten Eigner einhergehen muss. Früher wäre eine solche Forderung als geradezu idiotisch zurückgewiesen worden, denn wozu sonst, wenn nicht zur Bestimmung der Geschäftspolitik (neben einer Beteiligung an den Gewinnen), hätte man eine Bank verstaatlichen sollen?

Die Absurdität geht aber weiter. Wenn diese Forderungen der Linken heute sogar zum Teil Gehör findet, dann ziehen zwar Minister, Staatsekretäre und hohe Beamte in Aufsichtsräte bislang privater Banken ein. Diese Staatsvertreter bringen allerdings weitgehend ähnliche Vorstellungen über die Geschäftspolitik einer Bank mit, wie ihre glücklosen privaten Vorgänger. Von diesen Vorgängern unterscheiden sich die Vertreter des Staates nur dadurch, dass sie wohl noch weniger von den konkreten Herausforderungen der Führung und Kontrolle einer Bank verstehen.

Vor diesem Hintergrund tut eine klare Abgrenzung Not: Eine Verstaatlichung nach dem Modell Commerzbank ist kein fortschrittliches Projekt. Es mag aus Sicht vieler bestenfalls ein unumgänglicher Schritt, ein Sachzwang sein, aber als Vorbild für den Finanzsektor der Zukunft taugt es gar nichts. Vielmehr stellen sich die Menschen zurecht die Frage, warum der Staat über 18 Mrd. Euro Steuergeld – über wiegend als sog. stille Einlage – in eine kriselnde Commerzbank steckt, dadurch aber nur 25% der Stimmrechte erhält, obwohl man für dasselbe Geld an der Börse 100% der Aktien von vier oder fünf Commerzbanken hätte kaufen können. Die Wahl stiller Einlagen als Alternative zur Beteiligung am Aktienkapital der Commerzbank wurde auch damit begründet, die Einlagen würden immerhin mit 9 Prozent verzinst, während man als Aktionär in nächster Zeit wohl kaum Dividenden zu erwarten hätte. Inzwischen ist aber auch das als öffentliche Irreführung entlarvt worden, denn auch die stille Einlage wird erst dann verzinst, wenn die Commerzbank wieder schwarze Zahlen schreibt. All diese konkreten Umstände von Teil-„Verstaatlichung“ á la Commerzbank ist daher – gutmütig formuliert – eine Subvention für unverschämte Banker. Bösartig ausgedrückt könnte man sie auch als eine Verschwörung zur Enteignung der SteuerzahlerInnen bezeichnen. Beide Lesarten sind kaum geeignet, das Image des Konzepts „Verstaatlichung“ aufzupolieren. „Verstaatlichung“ – das sollte natürlich nicht vergessen werden – war für die Mehrheit der Menschen, egal ob Ost- oder Westbiographie, im Übrigen ohnehin nie ein Sympathieträger.

Die Schlussfolgerung aus diesen Überlegungen kann nur eine sein: statt die „Verstaatlichung“ krampfhaft positiv wenden zu wollen, müssen wir den weit weniger diskreditierten Begriff der „Vergesellschaftung“ aufnehmen und mit einem konkret vorstellbaren Modell füllen. Dazu müssen wir uns von der geschichtstheoretischen Vorstellung lösen, dass Vergesellschaftung ein Prozess ist, der notwendig – aber ausschließlich nur – auf eine Verstaatlichung folgt.

Ausgangspunkt jeder Vergesellschaftung muss ihr Ziel sein: Wozu soll ein vergesellschafteter Finanzsektor gut sein, und wofür nicht? Wem soll er dienen, und wem nicht?

Was ein vergesellschafteter Finanzsektor nicht sein soll, ist nach den Erfahrungen der letzten 20 Jahre und der letzen 18 Monate leicht beschrieben: Er soll nicht instabil, nicht intransparent, nicht dominant sein und er soll kein Umverteilungsmotor von Unten nach Oben sein. Er soll nicht Bankvorstände zu politisch einflussreichen Entscheidungsträgern machen, Sachzwänge setzen und er soll in Krisenzeiten nicht denjenigen finanziell auf die Füße fallen, die bisher von ihm wenig Nutzen hatten.

Aber auch positiv gewendet kann man klare Aufgaben benennen: Der Finanzsektor soll die Realwirtschaft mit Krediten für Investitionen versorgen. Er soll dies nicht nach dem Gebot der Profitmaximierung tun, sondern im Sinne einer Mischkalkulation, die auch die Finanzierung weniger rentabler, z.B. sozialer und ökologischer Investitionen ermöglicht. Der Finanzsektor der Zukunft soll preisgünstige Finanzdienstleistungen für alle Menschen – auch und gerade in der Fläche – anbieten. Er soll auch ein politisches Instrument zur Verfolgung gesellschaftlicher Ziele sein, wie z.B. der Finanzierung einer ausgewogenen Stadtplanung und -sanierung oder einer angepassten regionalen Wirtschafts- und Strukturpolitik.

Und am allerwichtigsten: Der Finanzsektor der Zukunft soll eben nicht „nur“ von klassischen staatlichen Akteuren geführt und kontrolliert werden, sondern gesellschaftliche Akteure und ihre Zielsetzungen mit einbeziehen.

Staatliches Eigentum ist eben kein Garant für eine „gute“ Geschäftspolitik, die Landesbanken haben das eindrücklich bewiesen. Mit den Sparkassen und den Genossenschaftsbanken gibt es aber auch positive Beispiele, wie Elemente eines vergesellschafteten Finanzsektors aussehen können. Deren Erfolgsrezept ist die Dezentralität und Einbettung in die Region. Auch wenn es komisch anmuten mag – diese Einbettung ließe sich durchaus als regionale Verfilzung beschreiben. Aber es ist eben nicht der Filz einer globalen Finanz-Jet-Set-Elite, sondern ein „Filz“ aus BürgermeisterInnen, lokalen Fußball- und Schützenvereinen, Industrie- und Handelskammern, dem lokalen Baulöwen und der Dorfpfarrerin mit den Hilfsprojekt in Malawi.

Für die Vergesellschaftung von Banken vom Format einer Landesbank oder Commerzbank bzw. Deutsche Bank kann ein solcher „Filz“ sicher kein Vorbild für Transparenz und Partizipation sein. Statt dessen könnten die Entscheidungen über die Geschäftspolitik sowohl von VertreterInnen von Beschäftigten, Gewerkschaften und Parlamenten als auch von Vertretern regionaler klein- und mittelständischer Unternehmen (z.B. über die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern) und von Vertretern regionaler gemeinnützigen, sozialer, ökologischer und Verbraucherschutzverbänden getroffen werden. Im Zuge dessen könnten z.B. auch regionale Kreditbeiräte ins Leben gerufen werden.

Wie auch immer eine Vergesellschaftung des Finanzsektors im Detail ablaufen wird, sie kann nur Erfolg haben, wenn zwei Herausforderungen gemeistert werden: Erstens müssen die BürgerInnen den Glauben an die Gestaltungskraft und den Gestaltungswillen der Politik wiederfinden. Und zweitens darf dieser Glaube auf keinen Fall so weit gehen, dass sie es am Ende wieder den Parteien überlassen, für die Allgemeinwohlorientierung im Finanzsektor zu sorgen.