Der IWF ist eine feudale Institution

Rede zu den Änderungen des Übereinkommens über den Internationalen Währungsfonds am 22.1.2009 im Deutschen Bundestag

22.01.2009 / Axel Troost

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

Das vorliegende Gesetz erweckt unter den derzeitigen Bedingungen einer globalen Wirtschafts- und Finanzkrise einen eigenartigen Eindruck. Wie keine andere internationale Institution steht der IWF für das neoliberale Leitbild freier Kapital- und Gütermärkte. Insbesondere steht er dafür, dass eine globale Institution von wenigen wirtschaftlich mächtigen Ländern, vor allem der G7-Gruppe, beherrscht und dazu eingesetzt wird, verschuldeten Entwicklungs- und Schwellenländern von außen eine Politik aufzuzwingen, die diesen Ländern wenig oder nichts gebracht, aber in einzelnen Fällen dramatischen Schaden angerichtet hat. Als Beispiele sei hier nur auf die katastrophalen Folgen der IWF-Strukturanpassungsprogramme und auf dass totale Versagen des IWF beim Management der Finanzkrise in Süd-Ost-Asien Ende der 1990er Jahre verwiesen.

Es gibt also gute Gründe dafür, dass der IWF in fast allen Ländern des Südens das Image eines imperialen Einpeitschers genießt. Allen voran wird er als verlängerter Arm der USA wahrgenommen, aber auch Japan und Deutschland als die zweit- und drittgrößten Mächte im IWF werden zurecht für die IWF-Politik mit verantwortlich gemacht.

Das vorliegende Gesetz ist vor diesem Hintergrund, zynisch gesagt, eine kleine Neujustierung zweier konkurrierender politischer Systeme im IWF, nämlich der UN-Demokratie einerseits und des neokolonialen Feudalismus andererseits.

Ein gewisser Grundbetrag der Stimmrechte im IWF wird nach der Logik des UN-Systems vergeben, dem zufolge alle Mitgliedsländer gleiche Mitspracherechte haben sollen. Das vorliegende Gesetz erhöht diesen Grundbetrag von unerträglichen 2 Prozent auf nicht weniger beschämende 5,5 Prozent. Anders ausgedrückt: Im IWF soll in Zukunft 3,5 Prozent weniger Feudalismus drin sein, statt früher 98 Prozent, nun nur noch gut 94 Prozent. Hatten bislang die G7-Länder knapp 44,6 Prozent der Stimmanteile, werden sie zukünftig nur noch 44,5 Prozent haben.

Natürlich könnte man sagen, das sei ein Schritt in die richtige Richtung. Drei Prozent weniger Diktatur sind auch ein Schritt in die richtige Richtung, aber trotzdem kein Grund, sich für „3 Prozent weniger Diktatur“ stark zu machen. Nicht nur aus diesem Grund lehnen wir das Gesetz daher ab.

Ein anderer Kritikpunkt betrifft den zweiten Teil des Gesetzes. Aufgrund seines zurecht schlechten Rufes haben es die Entwicklungs- und Schwellenländer mit allen Mitteln vermieden, mit dem IWF ins Geschäft kommen zu müssen. Gerade die großen Schwellenländer in Asien, aber auch in Lateinamerika, sind für den Fonds als Kunden also ausgefallen. Bislang lebt der Fonds aber genau von solchen Kunden, denn er soll seine institutionellen Kosten über Zinserträge selbst erwirtschaften. In den vergangenen Jahren war der Fonds davon gezeichnet, dass seine Reserven weitgehend ungenutzt herumlagen und daher keine Erträge brachten. Mit dem vorliegenden Gesetz soll das nun anders werden. Der Fonds soll seine Reserven am Kapitalmarkt anlegen können, um seinen eigene Bestand zu sichern.

Diese Bestandssicherung liegt aber überhaupt nicht in unserem Interesse, zumindest nicht als Menschen mit einem Anspruch globaler Gerechtigkeit und globaler Demokratisierung. Nicht, dass wir Gegner multilateraler Finanzinstitutionen wären. Ganz im Gegenteil. Für die Bewältigung der aktuellen Krise wäre uns nichts lieber als ein funktionsfähiges globales multilaterales Institutionengefüge. Der IWF ist aber in diesem Sinne eben keine multilaterale Finanzinstitution, sondern eine feudale Institution.

Um mal ein konkretes Beispiel seiner Sinnentleerung zu geben: Die USA und euro-päische Regierungen bzw. ihre Politik der Finanzmarktliberalisierung tragen die Hauptschuld für die aktuelle Krise. Der IWF ist aber nicht in der Lage, den USA und der deutschen Bundesregierung auch nur das kleinste bisschen Kooperationsbereitschaft abzutrotzen. Wirklichen Druck kann der IWF nur auf solche Länder ausüben, die auf internationale Liquidität angewiesen sind und sich daher von ihm Dollars, Euros, Schweizer Franken etc. leihen. Das tun aber definitionsgemäß gerade die Länder nicht, die diese Währungen selber herstellen können. Anders ausgedrückt: Die Hauptakteure des globalen Finanzmarkts, seien es die EZB, die Fed, die japanische Zentralbank, die G7-Regierungen, die weltweiten Finanzkonzerne, lassen sich allesamt vom IWF nichts vorschreiben.

Die Finanzierungsprobleme des IWF wären eine Chance gewesen, ihn hinreichend zu schwächen, um endlich den Weg für einen Neuanfang eines wirklich multilateralen Finanzsystems frei zu machen. Leider passiert gerade das Gegenteil. Die nicht ganz unschuldigen Finanzkrisen-Opfer Pakistan, Ungarn, Lettland, Island und die Ukraine müssen für Ihre Rettungskredite hohe Zinsen an den IWF zahlen, während er die eigentlichen Täter, die Verursacher der Krise, allen voran die westlichen G7-Regie-rungen, uneingeschränkt gewähren lässt.

Der IWF braucht nicht 3 Prozent weniger Feudalismus, die Welt braucht 100 Prozent weniger von diesem IWF.