"Viele Behörden operieren quasi nur noch mit Notbesetzungen"

Bundestagsrede von Axel Troost am 19.01.2017

19.01.2017 / Axel Troost

Es ist immer das gleiche Muster: Auch in kleineren Vorhaben wie der geplanten Änderung des Zollverwaltungsgesetzes lässt sich ein typisches Handlungsmuster der Bundesregierung erkennen:

Begrüßenswert sind einige dringende Modernisierungen und Anpassungen, die schon zu sehr auf die lange Bank geschoben wurden. Problematisch ist hingegen, dass bloß kein Geld in die Hand genommen werden soll. Geld, das aber unumgänglich ist, zum Beispiel für das Personal, das diese veränderten und zusätzlichen Maßnahmen ausführen soll.

Aktuell und konkret am Zollverwaltungsgesetz: Begrüßenswert ist es, dass die Bundesregierung auf verbaler Ebene stärker gegen Geldwäsche, Schmuggel, Steuerhinterziehung vorgehen will. Hier wurden, wie wir meinen, viele pragmatische und teils überfällige Regelungen und Anpassungen getroffen. So sind größere Transparenz und Kontrollen beim grenzüberschreitenden Bargeldverkehr wichtig, will man wirkungsvoll gegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Terrorfinanzierung vorgehen.

Und nach Terroranschlägen ist oft von Waffen- und Drogenhandel im „Darknet“ die Rede, also geschlossenen Kommunikationsplattformen im Internet. Meist unterbleibt jedoch der Hinweis, dass die körperliche Abwicklung dieser finsteren Geschäfte zumeist ganz herkömmlich per Paketdienst abgewickelt wird. Es ist einsichtig, dass hier bei Verdacht und per Stichprobe eingeschritten werden sollte – wobei es natürlich nicht zu einer massenhaften Überwachung bzw. großflächigen Verletzung des Postgeheimnisses kommen darf.

Zwar gehen uns solche Maßnahmen im Einzelnen teilweise nicht weit genug, aber am Ende der Legislaturperiode freut man sich ja selbst über kleinere Vorhaben, die nicht in den sich stetig vertiefenden Wahlkampfgräben stecken bleiben.

Was wir jedoch kritisieren, übrigens zusammen mit den Zoll- und Polizeigewerkschaften:

Wenn die Bundesregierung zusätzliche Aufgaben und zusätzlichen Aufwand vorgibt, sollte sie auch an ihre Staatsdiener denken, welche dies täglich umsetzen müssen. Neue Gesetze sind schnell geschrieben, aber die Umsetzung kann nur durch ausreichendes und qualifiziertes Personal geschehen. Und hier fehlt es aufgrund von jahrelangen Stellenkürzungen an Nachwuchskräften und Spezialisten. Davon ist jedoch leider keine Rede.

Und hier sehe ich, wie gesagt, die allgemeine Linie der Bundesregierung: Gerne mehr Bildung, Infrastruktur, Investitionen etc., und man schreibt auch gerne neue Gesetze dazu. Aber kosten darf es nichts. Die öffentliche Daseinsvorsorge und ein funktionierendes Gemeinwesen dürfen bloß nichts zusätzlich kosten.

Dass die auf breiter Front zusammengekürzte öffentliche Verwaltung und die ausgezehrten Kommunalhaushalte die vielen tollen Ideen gar nicht mehr umsetzen können, wird entweder geflissentlich ignoriert oder – das wäre die weniger wohlwollende Lesart – Sie, liebe Koalition, reden gern blumig daher und wissen aber ganz genau, dass sie damit den Menschen überwiegend Sand in die Augen streuen, weil sich durch vermeintlich wohlmeinende Gesetze allein am Ende eben gar nichts ändert.

Viele Behörden operieren quasi nur noch mit Notbesetzungen. Und viele Kommunen haben nicht einmal mehr die Personalkapazität, um sich die bereitstehenden Mittel aus den knappen Fördertöpfen abzurufen. Wenn in der Wüste ein verdurstender Mensch nicht einmal mehr die Kraft hat, den Arm zu heben, um ein hingehaltenes Glas Wasser zu ergreifen, dann wäre es zynisch, zu behaupten, dann könne dieser Mensch ja nicht so durstig sein.

Ich frage mich: Auf welches Zeichen wartet die Bundesregierung denn noch, dass wir nicht weitere gesetzliche Luftschlösser, sondern eine solide Finanzierung der bestehenden Baustellen brauchen?