Griechenland in der Euro-Krise: Die Chance des historischen Wandels

Von Alexis Tsipras

08.01.2015 / The Huffington Post, 06.01.2015

Griechenland steht an der Schwelle zu einer historischen Veränderung. SYRIZA ist nicht mehr länger nur eine Hoffnung für Griechenland und das griechische Volk. Es ist auch die Aussicht auf einen Kurswechsel für ganz Europa.

Weil Europa die Krise nicht ohne einen politischen Wechsel überwinden wird und weil der Sieg von SYRIZA bei den Wahlen am 25. Januar die Kräfte des Wandels stärken wird. Weil die Sackgasse in Griechenland auch eine Sackgasse des heutigen Europas ist.

Am 25. Januar ist das griechische Volk dazu aufgerufen, mit seiner Stimme Geschichte zu schreiben, einen Raum für Veränderung und Hoffnung zu schaffen für alle Menschen in Europa. Die Griechen tun es, indem sie die gescheiterte Sparpolitik ablehnen und sie beweisen dadurch: Wenn die Menschen es wollen, wenn sie es wagen, wenn sie ihre Ängste überwinden, dann können sich die Dinge verändern.

Allein durch die Hoffnung auf den politischen Wandel beginnen die Dinge in Europa, sich zu verändern. 2015 ist nicht 2012. SYRIZA ist kein Ungeheuer und keine große Bedrohung für Europa, sondern die Stimme der Vernunft. Es ist der Weckruf, der Europa aus seiner Lethargie und seinem Schlaf reißen wird. Deshalb wird SYRIZA nicht länger als eine Bedrohung wahrgenommen wie noch 2012, sondern als eine Aufforderung zum Wandel. Von allen?

Nicht von allen. Eine kleine Minderheit, versammelt um die konservative Führung der deutschen Regierung und ein Teil der populistischen Presse besteht darauf, die Ammenmärchen und Geschichten vom Austritt Griechenlands weiterzuerzählen.

Genau wie Herr Samaras in Griechenland können Sie niemanden länger überzeugen. Jetzt da das griechische Volk seine Regierung erlebt hat, weiß es die Wahrheit von Lügen zu unterscheiden.

Herr Samaras bietet kein anderes Programm außer die gescheiterte Sparpolitik fortzuführen. Er hat sich und andere zu neuen Lohn- und Rentenkürzungen und Steuererhöhungen verpflichtet, alles im Rahmen von Einkommenskürzungen und übertriebener Besteuerung, die es nun seit sechs langen Jahren gibt.

Er bittet griechische Bürger um ihre Stimme, damit er das neue Memorandum in Kraft setzen kann. Weil er sich der Sparpolitik verpflichtet hat, deutet er die Ablehnung seiner gescheiterten und zerstörerischen Politik als eine angeblich unilaterale Aktion.

Er verbirgt damit die Tatsache, dass Griechenland als Mitglied der Eurozone Zielen verpflichtet ist und nicht den politischen Mitteln, durch die diese Ziele erreicht werden. Aus diesem Grund, und im Gegensatz zur regierenden Partei Nea Dimokratia, hat sich SYRIZA gegenüber dem griechischen Volk verpflichtet, von den ersten Amtstagen an ein spezifisches, kosteneffizientes und fiskal ausgeglichenes Programm, das „Thessaloniki Programm" einzuführen - und das alles ohne Rücksicht auf unsere Verhandlungen mit unseren Geberländern.

Mit gezielten Aktionen wollen wir die humanitäre Krise stemmen, mit fiskaler Gerechtigkeit, so dass die finanzielle Oligarchie, die in den vergangenen vier Jahren unberührt blieb, endlich zahlen muss. Mit einem Plan, der die Wirtschaft wieder erstarken lassen, eine nie zuvor da gewesene Arbeitslosigkeit bekämpfen und das Wachstum zurückbringen soll.

Mit durchschlagenden Reformen im modus operandi des Staates und des öffentlichen Sektors, weil es nicht unser Ziel ist, ins Jahr 2009 zurückzukehren, sondern alles zu verändern, was dieses Land an den Rand einer wirtschaftlichen und moralischen Pleite geführt hat.

Klientelwirtschaft, ein Staat, der seinen Bürgern gegenüber feindlich eingestellt ist, Steuerumgehung und Steuerflucht, Schwarzgeld, Treibstoff- und Tabak-Schmuggel - das sind nur einige Aspekte des Machtgefüges, das unser Land viele Jahre lang beherrscht hat.

Dieses System hat das Land in die Verzweiflung geführt und es regiert jetzt weiter - im Namen eines nationalen Notfallplans und aus Angst vor der Krise. In Wirklichkeit aber ist es keine Angst vor der Krise, sondern vor Veränderung. Die Angst und Schuld der Regierung, die das griechische Volk in eine noch nie da gewesene Tragödie geführt hat.

Und jene, die für alles verantwortlich sind, haben jeden Grund sich zu fürchten, wenn sie auch nur das Geringste über die antike griechische Tragödie wissen, denn nach dem Hochmut kommen die gerechte Strafe und die Reinigung!

Aber die Menschen in Griechenland und Europa müssen sich vor nichts fürchten. Weil SYRIZA nicht den Zusammenbruch will, sondern die Rettung des Euro. Und den Euro zu retten, ist für die Mitgliedsstaaten unmöglich, wenn die öffentlichen Schulden außer Kontrolle sind.

Das Schuldenproblem ist nicht nur ein griechisches, sondern ein europäisches. Und Europa schuldet sich selbst eine Diskussion und eine nachhaltige europäische Lösung.
SYRIZA und die europäische Linke argumentieren damit, dass im Rahmen einer europäischen Vereinbarung der größte Teil des nominalen Werts der öffentlichen Schulden abgeschrieben werden muss, ein Moratorium muss für ihre Rückzahlung ausgerufen werden und eine Wachstumsklausel muss erlassen werden, auf deren Basis die verbleibenden Schulden sinnvoll getilgt werden. Nur so können die übrigen Ressourcen für das Wachstum genutzt werden.

Wir fordern Bedingungen für die Rückzahlung, die nicht dazu führen, ein Land in der Rezession zu ersticken und die die Menschen nicht in die Verzweiflung und Armut treiben. Mit seiner Position, dass die griechischen Schulden aufrechtzuerhalten sind, schadet Herr Samaras Griechenland. Er senkt nicht nur die Ansprüche für die Verhandlungen, er lehnt Verhandlungen ganz ab.

Wenn man zugibt, dass die Schulden aufrechtzuerhalten und das Memorandum eine „Erfolgsgeschichte" sei, was gibt es noch zu verhandeln?

Heute können wir zwei gegensätzliche Strategien für Europas Zukunft unterscheiden. Auf der einen Seite haben wir die Sicht, die von Herrn Schäuble angeführt wird: Die Gesetze und Prinzipen, auf die man sich geeinigt hat, werden weiter durchgesetzt, egal ob sie funktionieren.

Auf der anderen Seite ist die Strategie: „was immer nötig ist", um den Euro zu retten - dieser Satz wurde zuerst vom Chef der EZB gesagt. In Wirklichkeit sind die bevorstehenden griechischen Wahlen eine Mischung dieser beiden unterschiedlichen Strategien.

Ich glaube, dass sich die Letztere aus einem weiteren Grund durchsetzen wird. Weil Griechenland das Land des Sophokles war, der uns mit „Antigone" gelehrt hat, dass es Momente gibt, in denen das höhere Gesetz die Gerechtigkeit ist.