Finanztransaktionssteuer: Verhandlungen weiter kritisch begleiten

Von Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE und stellvertretender Vorsitzender der Partei DIE LINKE

25.03.2013 / 25.03.2013

Im November 1997 brachte die PDS im Bundestag einen Antrag zur „Einführung einer Steuer auf spekulative Devisenumsätze“ ein, zur sogenannten Tobin-Steuer[1]. Auf alle Währungsgeschäfte sollte ein Steuersatz von 0,025% fällig werden. Die Einnahmen sollten einem internationalen Entwicklungsfonds unter dem Dach der Vereinten Natio­nen zugutekommen. In der entsprechenden Parlamentsdebatte[2] hieß es noch „Die CDU/CSU-Fraktion spricht sich strikt gegen die Einrichtung neuer Steuern aus“. Die FDP nannte den Vorschlag „geradezu abenteuerlich“ und „sozialistisches Gedankengut aus der Mottenkiste“.

Die Finanztransaktionssteuer zielt auf diejenigen, die an den Finanzmärkten das große Rad drehen, beziehungsweise die ihren Banken und Vermögensverwaltern dazu ihr Geld anvertrauen. Somit sind sie ein gutes Instrument zur Umverteilung. Sie sind aber auch ein Instrument zur Regulierung: Spekulation wird dadurch unrentabler und zurück­gedrängt - dies gilt umso mehr, je häufiger gehandelt wird. Dies trifft kurzfristig agieren-de Spekulanten wie Hochfrequenzhändler oder Tageshändler massiv. An realwirtschaft-lichen Vorgängen anknüpfende Transaktionen sind meist langfristiger Natur und werden dagegen kaum belastet. Somit wird potentiell destabilisierende Spekulation aus den Märkten genommen und Fundamentaldaten gewinnen wieder höheres Gewicht für die Preisbildung.

Wie die Finanztransaktionssteuer Mainstream wurde

Inzwischen ist die Steuer auch für Schwarz-Gelb kein sozialistisches Teufelszeug mehr: Union und formal auch die FDP fordern eine Finanztransaktionssteuer, die gemäß ei­nem Kabinettbeschluss nicht mehr nur auf Währungsgeschäfte, sondern auf alle Fi­nanzmarktgeschäfte , also auch Aktien, Anleihen und sonstige Wertpapiergeschäfte, erhoben werden soll. Selbst von den überwiegend neoliberal eingestellten deutschen Volkswirten laufen immer mehr Prominente ins Lager der Befürworter über, etwa der gerade abgelöste Vorsitzende der Wirtschaftsweisen Wolfgang Franz oder Ifo-Chef Hans-Werner Sinn. Woher dieser Wandel?

Dies liegt sicher weniger an eigener Erkenntnis, als am Druck von außerhalb. Die Fi­nanzkrise hat zum einen unmissverständlich das spektakuläre Versagen der „unsichtba­ren Hand des Marktes“ vor Augen geführt und Skandale zu Hauf ans Licht gebracht. Zum anderen hat sie auch ein riesiges Loch in die öffentlichen Haushalte gerissen. Fünf Jahre nach Ausbruch der Krise wurde die Finanzbranche aber bisher mit keinem zu­sätzlichen Cent an den Krisenkosten beteiligt.

Der Bankenrettungsfonds SoFFin hat zwischenzeitlich Finanzhilfen in dreistelliger Milli­ardenhöhe bereitgestellt. Den Steuerzahler_innen sind dadurch bisher Verluste in Höhe von rund 25 Mrd. Euro entstanden, viele weitere Milliarden werden wohl leider folgen.


Dazu kam der Konjunktureinbruch infolge der Finanzkrise, der Steuerausfälle und teure Maßnahmen wie die Abwrackprämie nach sich zog. Über die Euro-Rettungsschirme wurden und werden weitere Risiken der Finanzbranche auf die Allgemeinheit abge­wälzt. Alleinerziehende Mütter auf Hartz IV und Bezieher von Wohngeld sind anders als die Finanzbranche aber schon seit dem Sparpaket von 2010 dabei, den Bundeshaus­halt zu sanieren.[3]

Die Missstände im Finanzsektor konnte selbst die Koalition nicht - wie sonst üblich - un­ter den Teppich kehren. Die Motivation der Bundesregierung zugunsten der Finanz­transaktionssteuer ist daher eine Mischung aus Feigenblattfunktion und ernst gemeinter Einnahmequelle. Zwar zeigen ihre konservativen Finanzpolitiker im Parlament wenig Begeisterung für die Finanztransaktionssteuer und die FDP opponiert offen dagegen. Doch das Finanzministerium verfolgt die Pläne zur Einführung der Steuer durchaus ernsthaft. Im vergangenen Jahr war ein auf die gesamte Europäische Union gemünzter Vorschlag am Widerstand insbesondere von Großbritannien, Schweden und Tschechi­en gescheitert. Das Finanzministerium hätte die Steuer längst mit Hinweis auf den Wi­derstand in anderen Staaten beerdigen können, wenn es einen Vorwand dafür gesucht hätte. Dann hätte die Koalition aber zur Wahl mit leeren Händen dagestanden, was ih­ren angeblichen Willen angeht, den Bankern und Finanzjongleuren auf die Finger zu hauen.

Elf Staaten der EU wollen vorangehen

Nach dem Scheitern einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer soll sie jetzt in einer „Koalition der willigen Staaten“ eingeführt werden. Der Weg dazu ist das von den EU-Verträgen vorgesehene, aber bisher kaum genutzte Verfahren der „Verstärkten Zu­sammenarbeit“. In diesem Rahmen wollen bislang elf der 27 EU-Staaten die Steuer ein­führen, und die anderen EU-Staaten wollen dies mehrheitlich dulden. Mitte Februar hat die EU-Kommission nun mit einem neuen Richtlinienentwurf die Verhandlungsgrundla­ge vorgelegt. Der Entwurf schlägt für Transaktionen mit Aktien und Anleihen einen Steuersatz von 0,1% vor, den jeweils Käufer und Verkäufer zu entrichten haben. Auf Transaktionen mit Derivaten würden 0,01% fällig (bemessen am sogenannten Nomi­nalwert).

Die genannten Steuersätze sind Mindeststeuersätze – die einzelnen Staaten könnten daher auch höhere Sätze erheben. Steuerpflichtig sind alle Transaktionen, bei denen eine der beiden Transaktionsparteien in einem Staat der Verstärkten Zusammenarbeit ansässig ist (Herkunftslandprinzip). Damit kann die Steuer nicht umgangen werden, in­dem das Geschäft z.B. in London oder in Singapur statt in Frankfurt abgeschlossen wird.

Dieses Prinzip soll nach dem Vorschlag der EU-Kommission mit dem sogenannten Ausgabeprinzip noch verschärft werden: Künftig sind auch Transaktionen mit Finanz­produkten steuerpflichtig, wenn diese in einem Staat der Verstärkten Zusammenarbeit emittiert wurden. Der Handel mit deutschen VW-Aktien würde dann auch in New York steuerpflichtig. Großbritannien wendet dieses Prinzip seit Jahrzehnten erfolgreich bei seiner „Stempelsteuer“ an und erzielt damit allein aus Geschäften mit britischen Aktien zuletzt Einnahmen von drei bis vier Milliarden Pfund jährlich.

Die Kommission veranschlagt etwa 30 bis 35 Mrd. Euro an Einnahmen aus der Finanz­transaktionssteuer, auf Deutschland entfielen knapp 12 Mrd. Euro (entsprechend seines Anteils am BIP der elf Staaten der Verstärkten Zusammenarbeit).

Vorschlag ist steuerpolitisch weit über die Finanztransaktionssteuer hinaus be­deutsam

Jahrelang wurde als Totschlagargument gegen die Finanztransaktionssteuern vorge­bracht, sie könne umgangen werden. Das Herkunfts- und Ausgabeprinzip dürfte diese Ausweichmöglichkeiten nun wirksam einhegen. Dies macht Mut, denn es zeigt: Bei aus­reichend politischem Willen finden sich Wege, gute Ideen tatsächlich umzusetzen. Der Vorstoß ist auch aus einem weiteren Grund bemerkenswert: Auf EU-Ebene können Steuern nur einstimmig beschlossen werden. Jeder EU-Staat kann so unliebsame Steuerpläne per Veto verhindern. Die Steuerpolitik der EU orientiert sich daher nicht am europäischen Gemeinwohl, sondern am kleinsten gemeinsamen Nenner. Das macht es fast unmöglich, den ruinösen Wettlauf um niedrige Steuern zu beenden. Die Finanz­transaktionssteuer wird nun jedoch - erstmalig für ein Steuerprojekt - per „Verstärkter Zusammenarbeit“ von den Staaten eingeführt, die dazu bereit sind. Eine Schwalbe macht zwar noch keinen Sommer, doch das Vorhaben könnte dazu beitragen, Europa langsam aus der Sackgasse der ruinösen Steuerkonkurrenz zu manövrieren.

Kleinsparerdebatte: Die Räuberpistole der FDP

Jetzt ist darauf zu achten, dass die überwiegend positive Verhandlungsgrundlage der EU-Kommission nicht verwässert wird. Die FDP wettert bereits gegen die Pläne unter dem Vorwand, sie würden die Kleinsparer treffen. Im Kabinettsbeschluss zugunsten der Finanztransaktionssteuer hatte die FDP nämlich die Einschränkung durchgesetzt, die Steuer dürfe nicht die Kleinsparer und die Realwirtschaft belasten. Dabei zeigen Be­rechnungen, dass die Steuerlast für Kleinsparer bei einzelnen Transaktionen kaum spürbar und im Vergleich mit anderen, gleichzeitig anfallenden Gebühren vernachläs­sigbar ist. Die einzige Voraussetzung ist, dass das angelegte Finanzvermögen nicht ständig von Fondsmanagern umher geschaufelt wird. Der Ökonom Max Otte hat dem Finanzausschuss die Steuerbelastung eines Kleinsparers exemplarisch vorgerechnet: Bei einer jährlichen Einzahlung von 1.200 Euro über eine Laufzeit von 20 Jahren würde bei einer Finanztransaktionssteuer von 0,05% lediglich ein Betrag von 74 Euro fällig, wohingegen die Belastung durch Gebühren der Finanzbranche bei etwa 8.000 Euro lie­gen würde.

Die Verhandlungen werden auf deutscher Seite vom Finanzministerium geführt. Damit liegt auch die Deutungshoheit bei der Union. Wenn das Verhandlungsergebnis tatsäch­lich per Gesetz umgesetzt werden müsste, dürfte die FDP (hoffentlich) nicht mehr an der Regierung sein. Somit sind die derzeitigen Attacken der FDP zwar ärgerlich, aber kein Grund zur Panik.

Keine Verwässerung zulassen

Die bislang erreichten Fortschritte auf dem Weg zu einer Finanztransaktionssteuer sind bemerkenswert, aber natürlich kein Grund zum uneingeschränkten Jubeln. Tatsächlich muss die Einführung weiter kritisch begleitet werden. Hier sind wir als Bundestagsfrakti­on DIE LINKE, aber auch die Kollegen im Europaparlament und Nichtregierungsorgani­sationen wie Attac, WEED oder Finance Watch gefragt. Bisher hat das deutsche Kam­pagnenbündnis „Steuer gegen Armut“ wie auch die europäischen Kampagnen die Ent­wicklung mit Argusaugen beobachtet. Dies muss so bleiben.

Viele relevante Aspekte berühren technischen Details und sind nicht ohne weiteres ver­ständlich. Die Ausführungen im untenstehenden Kasten verdeutlichen, an welcher Stel­le nachgebessert werden kann oder sollte. Zwei wichtige Fragen sind dagegen rein poli­tisch: Das ist zum einen die Frage, ob Deutschland nicht schon vor Abschluss der euro­päischen Verhandlungen die Finanzbranche zur Kasse bitten kann. Zum anderen ist dies die Frage, wozu das Steueraufkommen verwendet werden soll.

Schnelle Einführung nicht in Sicht – also parallel und kurzfristig nationale Steuer erheben

Die Koalition fordert seit Frühjahr 2010 eine „Finanzmarktsteuer“. Finanzminister Schäuble hatte damals Einnahmen in Höhe von 2 Milliarden Euro ab 2012 in den Bun­deshaushalt eingestellt. Die Verhandlungen auf europäischer Ebene ziehen sich seit­dem in die Länge und Schäuble musste die Einnahmen erst für 2012, dann für 2013 und inzwischen auch für 2014 aus dem Haushaltsentwurf streichen. Eine schnelle Eini­gung ist nicht in Sicht: Im Ecofin hatten Ungarn, Malta, Großbritannien und Luxemburg eigene Protokollerklärungen sowie sechs Staaten eine gemeinsame Erklärung abgege­ben: Großbritannien sieht darin die Voraussetzungen für die Verstärkte Zusammenar­beit verletzt, Luxemburg behält sich Rechtsmittel vor, etc. Auch wenn letztlich die elf Staaten der Verstärkten Zusammenarbeit das konkrete Steuerdesign unter sich ausma­chen müssen, werden die anderen EU-Staaten in den Verhandlungen ständig interve­nieren. Durch das Sitzland- und Ausgabeprinzip sind Konflikte, d.h. vor allem Verzöge­rungen, vorprogrammiert. Dazu kommt, dass es in einigen Staaten, die an der Verstärk­ten Zusammenarbeit teilnehmen, anscheinend kaum Diskussionsvorlauf gegeben hat. Entsprechend leicht werden sich diese von Argumenten der Steuergegner verunsichern lassen.

Selbst bei einer schnellen Einigung auf eine Richtlinie muss diese noch in nationales Recht umgesetzt werden. Danach wären dann noch die technischen Voraussetzungen zu schaffen, um die Steuer eintreiben zu können. Dies spricht nicht gerade für Einnah­men schon in 2014 oder 2015.

DIE LINKE. hat daher bereits im Januar 2010 gefordert, parallel zu den Verhandlungen auf internationaler Ebene eine deutsche Finanztransaktionssteuer mit einem Bagatell­steuersatz von 0,01 Prozent einzuführen. Frankreich hat im vergangenen Jahr eine ab­gespeckte Finanztransaktionssteuer eingeführt, Italien und Portugal planen ähnliche Steuern. Somit ist unverständlich, dass die Bundesregierung keinen eigenen Vorstoß in dieser Hinsicht unternommen hat und damit Einnahmen in Milliardenhöhe verschenkt hat.

Verwendung der Einnahmen für internationale Umwelt- und Entwicklungsaufga­ben

Steuern fließen grundsätzlich in den allgemeinen Haushalt und sind nicht strikt an einen Zweck gebunden. De facto verschafft eine neue Steuer aber Spielraum für neue Aus­gaben. Deswegen ist es nur angemessen, die Einführung der Finanztransaktionssteuer mit der Chance auf zusätzliche Ausgaben in bestimmten Bereichen zu verknüpfen.

Generell hat die Finanztransaktionssteuer eine lange Tradition als Instrument zur „inno­vativen Finanzierung von Entwicklung“. Der eingangs erwähnte Antrag der PDS zur Tobin-Steuer diente ebenfalls der Entwicklungsfinanzierung. Aber noch viel länger ist die Tradition der Industriestaaten, ihre Zusagen zur Entwicklungsfinanzierung zu bre­chen – insbesondere beim Ziel, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwick­lungshilfe zu nutzen.

Auch beim Umweltschutz gibt es großen Finanzbedarf, etwa für Klimaschutz oder zum Erhalt der Artenvielfalt. Entsprechend des erheblich größeren Steueraufkommens einer allgemeinen Finanztransaktionssteuer gegenüber der Tobin-Steuer lässt sich durchaus vertreten, dass – anders als bei der früher geforderten Tobin-Steuer – nicht alle Ein­nahmen der Finanztransaktionssteuer für internationale Entwicklung aufgewandt wer­den. Es ist aber umgekehrt vollkommen inakzeptabel, den gesamten Diskussionsvorlauf gerade in der Zivilgesellschaft zu ignorieren und nicht mal einen Teil der Ausgaben für die globale Armutsbekämpfung einzusetzen. Aus genau diesem Grunde hat die Bun­destagsfraktion DIE LINKE schon 2010 unmissverständlich klar gemacht, dass die Ein­nahmen aus der Finanztransaktionssteuer zu gleichen Teilen für eine nachhaltige Ent­wicklung in den Ländern des Südens und für globalen Klimaschutz einerseits sowie für den sozial-ökologischen Umbau unserer Industriegesellschaft andererseits genutzt werden soll. Es ist daher eine Frage der Glaubwürdigkeit, der Menschlichkeit und unse­res Anspruchs der internationalen Solidarität, diese Aufteilung der Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer nicht in Frage zu stellen und dies den anderen Parteien im­mer wieder aufs Brot zu schmieren.

Aufgrund der langen Vorgeschichte ziehen viele Akteure heute an diesem Strang (die deutsche Kampagne heißt deswegen auch „Steuer gegen Armut“). Wenn es mit der Fi­nanztransaktionssteuer nicht gelingt, die Ausgaben für Entwicklungshilfe deutlich zu steigern, wird es auf absehbare Zeit gar nicht gelingen – mit allen fatalen Konsequen­zen für die Menschen in Hunger, Armut und anderem Elend.

Wo kann oder sollte nachgebessert werden?

Steuersätze: In den Staaten, in denen es Steuern auf bestimmte Finanztransaktionen bereits gibt, liegen die Steuersätze bei Bruchteilen eines Prozents. Strategisch ist es sinnvoll, zunächst dafür zu sorgen, dass die Steuer überhaupt kommt und dabei einen niedrigen Steuersatz in Kauf zu nehmen, der später angehoben werden kann, und sich nicht im wenig aussichtsreichen Kampf um Maximalforderungen ins Abseits zu stellen. Keinesfalls sollten die Steuersätze aber hinter die Mindestsätze der Kommission zu­rückfallen. Forderungen nach deutlich höheren Steuersätzen sind zwar letztlich Papier­tiger, sind aber dennoch berechtigt. So schwebte Wirtschaftsnobelpreisträger James Tobin für seine Tobin-Steuer ursprünglich ein Steuersatz von einem oder zwei Prozent vor.

Unbegreiflich ist, warum die EU-Kommission bei Transaktionen im Zusammenhang mit dem Ausgabeprinzip nicht einen mindestens ebenso hohen Steuersatz von 0,5 Prozent wie beim britischen Pendant – der Stempelsteuer – vorgeschlagen hat (bei der europäi­schen Variante wären es 0,25 Prozent, da die EU-Kommission anders als die Briten sowohl Käufer als auch Verkäufer besteuern will).

Ein guter Ansatzpunkt wäre auch ein höherer Steuersatz im außerbörslichen Handel. Damit würde ein zusätzlicher Anreiz geschaffen, den Handel mit Finanzprodukten auf regulierte Handelsplattformen zu verlagern.

Sinn machen auch eskalierende Steuersätze bei starken Kursschwankungen. Eine Kri­tik an der Tobin-Steuer war, dass der Steuersatz zu gering sei, um spekulative Attackenauf Währungen zu verhindern. Deswegen sah der Vorschlag des deutschen Ökonomen Paul-Bernd Spahn vor, dass bei Verlassen eines bestimmten Kurskorridors der Steuer­satz deutlich ansteigt (bis hin auf 100%, Tobin-Spahn-Steuer)[4].

Derivate: Derivate dienen in der Theorie hauptsächlich der Absicherung von Risiken. Mit Derivaten lassen sich aber mit geringem Kapitaleinsatz große Summen in eher spe­kulativer Absicht bewegen. Entsprechend groß wie die Gewinnmöglichkeiten sind dabei auch die Risiken. Deswegen sind Derivate die typischen Zockerprodukte.. Es ist daher unverzichtbar, dass gerade auch Derivate besteuert werden und dass dies mit einem ausreichend hohen Steuersatz geschieht. Dabei scheint der von der EU-Kommission vorgeschlagene Mindeststeuersatz von 0,01 Prozent absurd niedrig. Er könnte durch­aus höher sein, aber auch in der niedrigen Höhe sind davon bereits erhebliche Rück­gänge der Spekulation zu erwarten.

Besonders wichtig ist bei Derivaten die Frage der Bemessungsgrundlage. Nach dem Vorschlag der Kommission ist die Bemessungsgrundlage der Nominalwert, also der Wert der dem Derivat zugrunde liegenden Bezugsgröße. Dies haben etliche Verbände und auch die Bundesregierung bereits in Frage gestellt und es gibt durchaus gute Ar­gumente dafür und dagegen. Im Vergleich zu anderen Varianten wie dem ökonomi­schen Wert sichert der Nominalwert aber eine recht hohe effektive Besteuerung. So lag der Nominalwert der ausstehenden außerbörslichen Derivate 2012 bei 639 Billionen US-Dollar, der Bruttomarktwert dagegen bei „nur“ 25,4 Billionen US-Dollar, also einem Fünfundzwanzigstel des Nominalwerts (Zahlen nach unvollständiger Datenlage der BIZ).

Die Auswahl der geeigneten Bemessungsgrundlage ist eher eine technische Frage für Spezialisten. Der darauf angewandte Steuersatz ist dann aber wieder eine wichtige poli­tische Frage. Der daraus folgende effektive Steuersatz sollte hoch genug sein, um spe­kulative Derivatgeschäfte spürbar zu belasten.

Devisentransaktionen: Etwas kurios ist es schon, dass Devisentransaktionen im Kommissionsentwurf von der Steuer ausgenommen werden. Damit wird gerade der Vorschlag von Tobin nicht umgesetzt, obwohl der IWF der Devisenbesteuerung die ge­ringsten Umsetzungsprobleme attestiert hat. Diese Herausnahme liegt an der von der EZB übernommenen Rechtsauffassung der EU-Kommission, die auf die in den EU-Verträgen und anderen internationalen Verträgen tief verankerte Kapitalverkehrsfreiheit rekurriert. Rechtsexperten wie der belgische Steuerrechtler Lieven Denys haben aller­dings aufgezeigt, wie entsprechende Einwände ausgeräumt werden können. Solange aber nicht die gesamte Eurozone hinter der Finanztransaktionssteuer steht, dürfte eine Devisentransaktionssteuer auch politisch schwer durchsetzbar sein.

[1] www.dipbt.bundestag.de

[2] www.dip21.bundestag.de

[3] „Zukunftspaket“ der Bundesregierung (Einsparungen von 80 Mrd. ¤): u.a. Anrechnung des Elterngelds auf ALG II, Wegfall der Heizkostenkomponente beim Wohngeld etc. Übersicht unter www.bundesfinanzministerium.de

[4] Paul-Bernd Spahn (2002): „Zur Durchführbarkeit einer Devisentransaktionssteuer“, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, www.wiwi.uni-frankfurt.de