Die Woche : Das Wasser bis zum Hals

Kolumne von Katrin Kunert, kommunalpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

04.08.2010 / Wöchentliche Kolumne auf linksfraktion.de

Was für ein Sommer. Seid Wochen tolles Wetter. Rekordtemperaturen lassen uns schwitzen, und Baden ist angesagt. Für Stadtmenschen meist kein Problem. Irgendwo in der Stadt gibt es ein Bad, wenn es denn nicht wegen sogenannter Sparmaßnahmen geschlossen wurde. Den Städten, Gemeinden und Landkreisen steht quasi in puncto Finanzen das Wasser bis zum Hals, aber für die Bäder reicht es dann doch nicht.

Also zurück zum diesjährigen Sommer. Auch in meinem Wahlkreis, der Altmark, dem schönsten und zweitgrößten Wahlkreis der Bundesrepublik, kletterten die Temperaturen über die 30-Grad-Marke. Erfrischung findet man da nur im kühlen Nass. Die Altmark hat eine Fläche von ca. 4800 km2, also fast zweimal so groß wie das Saarland. Hier leben 217 000 Menschen in 244 Gemeinden. Gerade 45 Einwohnerinnen und Einwohner leben auf einem Quadratmeter.

Warum erwähne ich das? Städte, Gemeinden und beide Landkreise müssen Aufgaben wie den Öffentlichen Personennahverkehr, die Unterhaltung von Schulen, Museen, Bibliotheken oder Schwimm- und Freibäder erfüllen. Im Landkreis Stendal sind beispielsweise über 500 km Kreisstraßen zu unterhalten.

Während meiner alljährlichen Sommertour durch den Wahlkreis habe ich viele engagierte Menschen gesprochen, die sich für die Unterhaltung ihres Freibades einsetzen. Insgesamt gibt es in der Altmark 27 Freibäder, darunter das einzige Flußbad Sachsen-Anhalts, das Biesebad in Osterburg. Vielerorts haben sich Fördervereine gegründet, um die Bäder offen zu halten. Das Bad im eigenen Dorf ist mehr als die Badegelegenheit. Hier lernen die Kinder Schwimmen, hier findet Gemeinschaftsleben statt. Die Bäder sind wichtige Mosaiksteine im touristischen Umfeld. Der Tourismus ist ein Wirtschaftszweig in der Region.

Aber was immer so als bürgerschaftliches Engagement hervorgehoben wird, ist die blanke Not der Einwohnerinnen und Einwohner. Sie wollen sich nicht damit abfinden, dass ihre Bäder geschlossen werden. So hat sich ein neuer Förderverein in Zichtau gegründet, in vielen Arbeitsstunden ist das Bad für die neue Saison hergerichtet worden. Fördermittel konnten mit meiner Unterstützung eingeworben. Die Landwirte des Ortes fuhren unentgeltlich neuen Kies für den Strand heran. In Möllenbeck, einem Ortsteil von Dobberkau, arbeitet seit vielen Jahren ein Förderverein. Die Frauen backen Kuchen und verkaufen ihn jedes Wochenende, der Erlös geht in den Unterhalt des Bades. In Osterburg gibt es einen rührigen Förderverein im Biesebad. Und, und, und.

Die Bäder sind ein Stück Lebensqualität für die Menschen in meinem Wahlkreis, denn bei den weiten Wegen kann man sich auf den ÖPNV in den Ferien nicht verlassen. In den Ferien fahren die Busse nicht so häufig, wie in Schulzeiten, denn die Schülerbeförderung trägt den ÖPNV.

Ich ging eingangs auf die Größe des Wahlkreises ein. Er ist so groß, weil immer weniger Menschen hier leben. Die Größe eines Wahlkreises wird nach der Anzahl von Wählerinnen und Wählern bemessen. Früher hatte der Wahlkreis einen anderen Zuschnitt. Die jungen, gut Ausgebildeten - vornehmlich Frauen - verlassen die Altmark.

Die Einwohnerzahlen sind aber Grundlage für die Berechnung der Zuweisungen für die Kommunen beim Länderfinanzausgleich. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Diese Logik führt für die Kommunen in Sachsen-Anhalt zu immer weniger Zuweisungen.

Der Bund hat in den vergangenen Jahren durch die Steuersenkungsgesetzgebung die öffentlichen Haushalte trockengelegt und somit auch die Bäder zur Disposition gestellt. Der Bund hat den Kommunen Aufgaben übertragen und zieht sich aus der Finanzierung gesamtstaatlicher Aufgaben immer mehr zurück.

Die Kommunalfinanzen gehören vom Kopf wieder auf die Beine gestellt. Die Finanzierung der Aufgaben in den Kommunen muss Grundlage der Kommunalfinanzen werden und nicht der Ermessenspielraum von Bund und Ländern. Daher fordern wir eine verlässliche und solide Finanzausstattung der Kommunen. Die Gewerbesteuer muss hin zu einer Gemeindewirtschaftsteuer entwickelt, die Gewerbesteuerumlage abgeschafft und eine eigene Beteiligung der Landkreise an Steuern eingeführt werden.