»Konturen eines Post-Kapitalismus«

Am Wochenende will sich die Linkspartei auf einer Konferenz über die Krise und deren Bewältigung verständigen

24.06.2010 / Neues Deutschland

Nach jahrzehntelangem Einsatz für die Gewerkschaftslinke und sozialistische Politik in der Bundesrepublik ist Joachim Bischoff inzwischen Hamburger Abgeordneter der Partei Die Linke. Er gehört zu den Vorbereitern der Konferenz »Sozialistische Politik gegen die Finanzmarktkrise«, die die Rosa-Luxemburg-Stiftung am Wochenende ausrichtet. Velten Schäfer sprach mit ihm über Sozialismus, Kommunismus, Krise und Hegemonie.

ND: Herr Bischoff, am Wochenende werden in Berlin Sozialismus und Kommunismus einander ausschließen: Zeitgleich mit der Konferenz der Luxemburg-Stiftung zu »sozialistischer Politik« gegen die Krise findet in der Volksbühne ein künstlerisch-philosophischer Kongress zur »Idee des Kommunismus« statt.
Bischoff: Solche Überschneidungen sind auch bei moderner Kommunikation nicht zu vermeiden...

... was doch für etwas spricht. Hier werden überwiegend ältere Leute aus dem Umfeld oder von der Spitze der Linkspartei sitzen, dort eine meist junge Kultur-Linke. Scheinbar ohne Verbindung.
Die Zugänge zu beiden Diskussionen und zu den Kreisen, die sie führen, sind tatsächlich recht unterschiedlich. An der Volksbühne wird mit Referenten wie Slavoj Zizek oder Alain Badiou ein philosophisch-künstlerischer Diskurs verfolgt. Am Franz-Mehring-Platz wird es konkret um politische Interventionen gehen. Auch Badiou würde anders diskutieren, wenn es in Frankreich wie in Deutschland eine starke plurale Linke gäbe.

Dennoch kann man mit philosophischen Debatten über Kommunismus heute große Theater füllen. Erstaunt Sie das?
Wir hatten im vergangenen Jahrzehnt die seltsame Ungleichzeitigkeit des letzten neoliberalen Siegeszuges mit einem philosophischen Comeback der Linken. Ich denke an Michael Hardt und Toni Negri, die ja auch am philosophischen Gehalt des Kommunismus festhalten. Aber noch einmal: Seit 2007/2008 stehen Fragen an, auf die die Linke systemüberschreitende Antworten haben muss. Auch, weil sonst die Gefahr besteht, dass Bürger rechtspopulistischen Vorstellungen folgen.

Weil die etablierte Politik keine Antworten hat?
Noch vor wenigen Wochen stand das globale Finanzsystem erneut vor der Kernschmelze. Wie kommen wir da raus? Anders als in Nordamerika scheint sich in Europa, in England und Deutschland eine »Sparpolitik« durchzusetzen, vor der die USA warnen. Im Moment werden die Weichen in Berlin falsch gestellt. Auf die Finanzkrise und ihre verschiedenen Ausprägungen, auf die Bankenkrise, den Konjunktureinbruch und die Solvenzkrise von Staaten ist vor allem mit durch öffentliche Gelder finanzierten Rettungsprogrammen und mit von Notenbanken bereit gestellter Liquidität reagiert worden. So wurde wohl Schlimmeres verhindert und Zeit gewonnen. Eine dauerhafte Lösung der Probleme ist allerdings nicht in Sicht.

Selbst wenn es gelänge, Merkel auf Obama-Kurs zu bringen, wäre für »Sozialismus« nichts getan.
Die Krise zeigt die Grenzen »immanenter« Lösungen. Ohne eine Redimensionierung des Finanzmarktes geht es nicht, und die erfordert Eingriffe, die in Richtung Vergesellschaftung weisen. Der Kredit muss wieder im Rahmen der realen Wertschöpfung funktionieren. Die Genossenschaftsbanken und Sparkassen sind, soweit sie nicht an Landesbank-Abenteuern beteiligt waren, mit ihrer kommunalen Aufsicht ein gutes Beispiel. Ähnliches gilt auch für die Industrien, die auf Staatsgelder zurückgegriffen haben. Die Hilfen ließen sich in Mitarbeitereigentum auflösen – erste Konturen einer post-kapitalistischen Wirtschaft.

Ist die Hegemonie des Neoliberalismus erschüttert? Mit der Griechenlandkrise kann er auf eine alte Figur zurückgreifen: »Wir« haben über unsere Verhältnisse gelebt, jetzt »muss gespart werden«.
Ich sehe eine tiefe Verunsicherung bis ins Bürgertum hinein. Symptome sind etwa die jüngsten Forderungen aus der CDU nach einem höheren Spitzensteuersatz. »Attac« reibt sich die Augen bei der Diskussion über Bankenabgaben. Ob daraus aber zumindest ein neuer »New Deal« erwächst, eine veränderte Gewichtung im Verhältnis der Klassen, ist sehr fraglich. Die Konferenz soll auch dazu beitragen, Druck aufzubauen.

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Informationen zur Konferenz