Gemeindefinanzen verstetigen statt aushöhlen!

Rede von Dr. Axel Troost zum Antrag der Bundestagsfraktion DIE LINKE, Für eine Verstetigung der Kommunalfinanzen – Die Gewerbesteuer zur Gemeindewirtschaftsteuer weiterentwickeln

22.05.2010 / Berlin, 21.5.2010.

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Die Videoaufzeichnung der Rede sehen Sie hier auf der Internetseite des Bundestages

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn im Hinblick auf die vorliegenden Anträge von Schnellschüssen die Rede ist, ist diese Aussage sehr stark zu relativieren. Die Diskussion über die Gewerbesteuer ist sehr alt. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium hat 1980 ein Gutachten vorgelegt, in dem er empfohlen hat, die Gewerbesteuer zu einer Wertschöpfungsteuer weiterzuentwickeln, also im Prinzip in die Richtung, über die wir seither diskutieren.

Um was geht es? Es ist eine neue Koalition gebildet worden. Die FDP, die schon immer strikt für die Abschaffung der Gewerbesteuer war, ist Teil dieser Koalition.

(Dr. Daniel Volk (FDP): Für die Ersetzung!)

‑Sie wollen sie abschaffen und durch etwas anderes ersetzen; das ist klar. Darauf komme ich gleich zu sprechen. Aber zunächst einmal wollen Sie die Abschaffung der Gewerbesteuer. ‑ Diese Forderung konnte man natürlich nicht in dieser Form in den Koalitionsvertrag aufnehmen, weil es dagegen auch Widerstände gab. Also hat man gesagt: Wir setzen eine Kommission ein. Dort darf es keine Denkverbote geben. Alle Vorschläge müssen geprüft werden. Am Schluss müssen wir entscheiden, was zu tun ist.

Es sind schon einige Zahlen genannt worden. Herr Schaidinger, Ihr Kollege von der CSU, der Oberbürgermeister von Regensburg und gleichzeitig Präsident des Bayerischen Städtetages ist, hat einmal ausgerechnet, was es Regensburg kosten würde, den Verlust seiner Gewerbesteuereinnahmen zu kompensieren. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Stadt Regensburg die gleichen Einnahmen wie bisher nur dann erzielen würde, wenn der Mehrwertsteuersatz nicht mehr 19 Prozent, sondern 24,3 Prozent betragen würde. Als er dieses Ergebnis auf die Einnahmen aus der Einkommensteuer übertragen hat, kam er zu dem Ergebnis, dass je Einkommensteuerzahlerin und -zahler im Durchschnitt 2 000 Euro mehr im Jahr aufzubringen wären. Das sind die Größenordnungen, über die wir reden.

(Dr. Carsten Sieling (SPD): Genau! So ist es!)

Weil das dem einen oder anderen vielleicht noch nicht schlimm genug erscheint, möchte ich erwähnen: In irgendeiner Konstellation wird man sicherlich auch wieder an die Einkommensteuer herangehen und den Waigel-Buckel abschaffen. Wir wissen, dass dies mit Rieseneinnahmeverlusten verbunden wäre. Das würde die Kommunen, wenn sie ausschließlich von den Einnahmen aus der Einkommensteuer abhängig wären, massiv treffen. Insofern darf man in allen Berechnungen, die man anstellt, nicht nur vom Istzustand ausgehen, sondern muss auch fragen: Was wird im Einkommensteuerrecht zukünftig passieren, und welche Konsequenzen hat das für die Einnahmen der Kommunen?

Mit unserem Antrag orientieren wir uns im Wesentlichen an den Vorstellungen des Deutschen Städtetages. Es geht wohlgemerkt nicht ‑ das ist ja der Witz ‑ um den Erhalt der Gewerbesteuer, weil wir wissen, wie schwach sie ist,

(Katrin Kunert (DIE LINKE): Richtig!)

sondern es geht um eine Weiterentwicklung der Gewerbesteuer. Wir wollen gewährleisten, dass die Einnahmen aus der Gewerbesteuer nicht mehr so konjunkturabhängig sind und dass man nicht von einzelnen Betrieben abhängig ist. Im Prinzip geht es um die Ausweitung der Bemessungsgrundlage und um die Einbeziehung aller unternehmerisch Tätigen in der Bevölkerung.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte betonen: In der Finanzwissenschaft gab es, zumindest zu meinen Studienzeiten, nicht nur das Prinzip der Leistungsfähigkeit, sondern es gab im Kommunalbereich auch ein zweites Prinzip: das Prinzip der Äquivalenz. Unternehmen nutzen öffentliche Leistungen, zum Beispiel Straßen, und dafür müssen sie als Äquivalent einen steuerlichen Beitrag leisten. Ich glaube, dass unser Antrag in genau die richtige Richtung zielt. Wir wollen alle unternehmerisch Tätigen, einschließlich freie Berufe wie Ärzte, Anwälte und viele andere in die Steuerpflicht einbeziehen, natürlich mit steuerlichen Freigrenzen; das ist völlig klar.

Für den Einzelnen hat das übrigens nur eine bedingte Mehrbelastung zur Folge, weil die steuerlichen Beiträge, die in Form der Gewerbesteuer bzw. der Gemeindewirtschaftsteuer geleistet werden, mit der Einkommensteuer verrechnet werden. Die zusätzliche Belastung ist also gar nicht so hoch. Ich glaube, dass die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer der einzige Weg ist, zu einer wirklichen Stabilisierung der Kommunalfinanzen beizutragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Über den letzten Punkt, den ich ansprechen möchte, wurde im Finanzausschuss besonders kritisch diskutiert: Er hat dazu geführt, dass sich Grüne und SPD enthalten haben. Die Antwort auf die Frage, was der Bund ganz kurzfristig tun kann, um die katastrophale Finanzlage der Kommunen zu verbessern, kann aus unserer Sicht nur lauten: Wir müssen die Aussetzung der Gewerbesteuerumlage an den Bund beschließen. Das ist kurzfristig zu beschließen. Das bedeutet, dass sofort mehr Geld bei den Kommunen bleibt.

(Beifall bei der LINKEN – Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Vorschlag für die Gegenfinanzierung auf Bundesebene?)

Man muss das vielleicht nicht auf Dauer machen; aber in der jetzigen Situation würde es erst einmal die katastrophale Lage der Kommunen wenigstens ein bisschen verbessern.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)