Dresdner Trauerspiel vor dem 13. Februar, und kein Ende in Sicht ...

Jayne-Ann Igel im Freitag-Blog

08.02.2010 / Jayne-Ann Igel, Dresden

Kaum ist das neue sächsische Versammlungsgesetz in Kraft, zeitigt es die tollsten Blüten. Das gestrige Bemühen um eine Reparatur dieses Gesetzes ist aufgrund der ignoranten Haltung des sächsischen Justizministers und der CDU erfolglos geblieben. Auf Grundlage dieses neuen Gesetzes resp. seiner erwiesenen Mängel sah sich gestern das Dresdner Verwaltungsgericht zudem nicht im Stande, den für den 13. Februar geplanten Großaufmarsch der Nazis in Dresden zu untersagen.

Das ist schon ungeheuerlich genug, doch noch fragwürdiger erscheint die Absicht seitens Stadtverwaltung Dresden und sächsischer Polizeiführung, einen Aufzug der Nazis am Neustädter Bahnhof zu gestatten. Von diesem Bahnhof gingen in der NS-Zeit jene Züge ab, mit denen die Dresdner Juden in die Vernichtungslager transportiert wurden. Obwohl am Bahnhofseingang eine Plakette auf dieses düstere Kapitel deutscher Geschichte hinweist, scheint hier für die Stadtverwaltung der Würdeschutz der Opfer dieser Verbrechen nicht infrage gestellt.

In einer Pressemitteilung der Landtagsfraktion der Grünen heißt es: "Ich verlange von der Dresdner Stadtverwaltung, dieses Vorhaben sofort aufzugeben", so Lichdi. "Wie kann dieser Versammlungsort nicht die Würde der Opfer verletzen?"
"Ich fordere Justizminister Dr. Jürgen Martens und Innenminister Markus Ulbig auf, Stellung zu nehmen, ob sie dieses Vorgehen der Stadt Dresden mit dem neuen Versammlungsgesetz für vereinbar halten."

"Lügen haben kurze Beine. Keine zwei Wochen nachdem CDU und FDP ein neues Versammlungsgesetz im Landtag verabschiedet haben, wird deutlich, dass es der Regierungskoalition nicht um den Schutz der Menschenwürde der Opfer des Nationalsozialismus geht."

Zu den Hintergründen wird in der Mitteilung ausgeführt: Die Stadtverwaltung teilte Anmeldern von Versammlungen auf der Neustädter Elbseite mit, dass aufgrund eines angeblichen 'Trennungsgebots' die Anmeldung <<nicht bestätigt>> werden könne. Dies ist so auch dem Abgeordneten Johannes Lichdi, der für den 13.2., 10 Uhr, eine Versammlung am Albertplatz angemeldet hatte, mitgeteilt worden.

Ende Januar verabschiedete der Landtag mit den Stimmen von CDU und FDP ein Versammlungsgesetz, dass es erlauben sollte, Nazidemos an Orten, an denen Verfolgte des NS-Regimes gelitten haben, zu verbieten, wenn diese Demo die Würde dieser Opfer verletzt. Diese Verbotsmöglichkeit ist ausdrücklich nicht auf den Innenstadtbereich um die Frauenkirche beschränkt.

Seit einigen Jahren ist am Eingang des Bahnhofs Dresden-Neustadt eine Gedenkplatte für die deportierten und ermordeten Juden angebracht.

Im neuen Versammlungsgesetz heißt es doch unter § 15:

"(2) Eine Versammlung oder ein Aufzug kann insbesondere verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn 1. die Versammlung oder der Aufzug an einem Ort von historisch herausragender Bedeutung stattfindet, der an
a) Menschen, die unter der nationalsozialistischen oder der kommunistischen Gewaltherrschaft Opfer menschenunwürdiger Behandlung waren
(.)
erinnert (.) usw."

Der Bahnhof Neustadt aber IST genau so ein Ort: www.neustadt-ticker.de/nachrichten/gedenktafel-am-bahnhof-neustadt/

Die Inschrift lautet: "Im Nationalsozialismus war der Güterbahnhof Dresden-Neustadt Ausgangspunkt oder Zwischenstation für viele Deportationen von jüdischen Frauen, Männern und Kindern. Im Oktober 1938 begann hier die Abschiebung von 724 Dresdner Juden nach Polen. Mit Zügen der Deutschen Reichsbahn erfolgte zwischen 1942 und 1944 ein großer Teil der Transporte in die Gettos Riga und Theresienstadt, in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau sowie in andere Konzentrationslager."