Neue Regeln für die Banken?

Joachim Bischoff / Norbert Weber, Sozialismus

04.02.2010 / 25.1.2010

US-Präsident Obama hat einen Vorschlag seines Beraters und früheren US-Notenbankpräsidenten Volcker aufgegriffen und neue Handelsregeln für US-Banken angekündigt. Dabei geht es vor allem bei großen Banken um eine Verbot des Eigenhandels und den Umgang mit Hedgefonds.

Diese Pläne haben an den internationalen Finanzmärkten für Unruhe gesorgt. In Europa brachen die Aktienkurse der großen Banken ein. Die Märkte beunruhigt vor allem die Unsicherheit, wie die künftige Regulierung der Banken aussehen wird. Unklar ist ferner, inwiefern die europäische Bankenlandschaft von den Regulierungsvorhaben betroffen sein könnte.

Vor dem Hintergrund der Wahlen in Großbritannien im Frühsommer und der wenig bankenfreundlichen Stimmung in der Öffentlichkeit sind auch in Europa weitere Regulierungsschritte zu erwarten. Die Pläne Obamas seien ein hilfreicher Impuls für die Reform der Finanzmärkte, erklärt das deutsche Finanzministerium. EU-Währungskommissar Joaquín Almunia signalisiert hingegen Skepsis: Der Vorstoß von US-Präsident Obama könne in den USA Verbesserungen bringen, aber in der Europäischen Union sei eine solche Einschränkung nicht nötig.

Strittig ist zwischen USA und Deutschland auch die Frage der Bankenaufsicht. Die im Zuge der Finanzkrise verschärfte Bankenaufsicht tendiere dazu, über das Ziel hinausschießen. Es bestehe die Gefahr, dass die Kreditversorgung von Kleinunternehmen beeinträchtigt werde. "Die Banken haben das Gefühl, dass die Aufseher ihnen über die Schulter schauen und ihnen von der Kreditvergabe abraten." Nach dem zu laschen Vorgehen der amerikanischen Aufsichtsbehörden in der Vergangenheit, drohe nun ein zu hartes Vorgehen gegen die Banken.

Bundesbank-Präsident Weber hat sich hingegen mit Rückendeckung der schwarz-gelben Regierungskoalition für eine Neuordnung der Bankenaufsicht in Deutschland bis Anfang nächsten Jahres ausgesprochen. Es sei ein "geordneter Prozess" vereinbart. Zugleich pochte Weber darauf, dass die Unabhängigkeit der Bundesbank durch die Reform weitestgehend erhalten bleibt. Im Gespräch ist weiter eine zentrale Aufsicht bei der Bundesbank nicht nur für Banken, sondern auch für Versicherungen und den Wertpapierhandel. Bei Bundesbank und Versicherern gibt es dazu allerdings Bedenken.

Derzeit teilen sich die oberste Finanzaufsicht BaFin und die Bundesbank die Bankenkontrolle in Deutschland. Für Versicherer und den Wertpapierhandel ist nur die BaFin zuständig. Im Koalitionsvertrag hatten Union und FDP vereinbart, dass nur die Banken-Kontrolle unter dem Dach der Bundesbank zusammengeführt wird. Die künftige Aufsicht über die Versicherungsbranche blieb offen.

Die weltweite Finanzkrise, die noch längst nicht überstanden ist, hat riesige Defizite bei der Kontrolle des Finanzmarktes und deren Teilnehmer aufgedeckt. Richtig ist aber auch: Die eigentliche Ursache der Finanzkrise ergibt sich aus einer langjährigen chronischen Überakkumulation und eine massive Verschärfung der Verteilungsunterschiede zwischen Lohneinkommen einerseits und Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen andererseits.

Hätten die für die staatliche Kontrolle zuständigen Institutionen nicht derart unfähig agiert und wären sie mit mehr Kompetenzen ausgestattet gewesen, wäre das wirtschaftliche Desaster für die SteuerzahlerInnen und BankkundInnen nicht so groß ausgefallen. Die Verschärfung der Regeln für die Finanzinstitute ist also ein kleiner, wenn auch nicht unwichtiger Schritt zu einer umfassenderen Kontrolle und Steuerung von Geldkapitalakkumulation und Expansion des Kredits zu kommen.

Ohne Illusionen in die Reichweite der neuen Regeln, ist es gleichwohl vernünftig, Maßnahmen zu ergreifen und gesetzliche Grundlagen zu schaffen, um die Finanzmärkte in den Griff zu bekommen. Das Ziel muss sein, dass nie wieder eine Expansion des Kredits und eine Vernichtung des Vermögens erfolgen darf! Dazu gehören gleichfalls die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und eine Ausweitung der Besteuerung von Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen. Ob und in welchem Umfang die jetzt in Aussicht gestellten Regulierungen für den deutschen und internationalen Finanzmarkt umgesetzt werden und wie weitreichend sie sind, muss angesichts der unterschiedlichen Konzeptionen und des institutionellen Gerangels erst mal abgewartet werden.

Bisher überlässt man jedenfalls den Brandstiftern und Verursachern der Finanzkrise das Feld, nämlich den Banken und Ratingagenturen. Selbst bei der dringend notwendigen Änderung der Kontrollinstrumente ist keine Linie bei der Ausweitung von Kontrollansätzen erkennbar.

Historisch ohne Vergleich ist Geld der SteuerzahlerInnen in die Rettung einer einzigen Branche gepumpt worden. Zur Begründung und Rechtfertigung wurde das Argument der "Systemrelevanz" angeführt. Zudem steht der SoFFin mit einem weiteren Budget in Form eines Sonderfonds von fast 500 Mrd. Euro zur Bankenrettung bereit.

Aber: Was hat man aus der Katastrophe gelernt? Wie kann verhindert werden, dass sich eine solche Katastrophe wiederholt? Wer beaufsichtigt künftig kompetent und unabhängig das Bankensystem? Dazu im folgenden einige Überlegungen.

Nehmen wir das Argument der "Systemrelevanz". "Systemrelevant" sind nicht die Banken, sondern die von den Banken treuhänderisch verwalteten und ihnen von den BürgerInnen anvertrauten Gelder. Nun wird angestrebt, dass die Banken ihr Eigenkapital auf 7% der Bilanzsumme aufstocken. Doch was heißt das praktisch? Das bedeutet nichts anderes, als dass sie nach wie vor mit mehr als 93% fremdem, ihnen von BürgerInnen anvertrautem Geld arbeiten können!

Angesichts der Erfahrungen der Finanzkrise wäre eine funktionierende Bankenaufsicht, die mit Kompetenzen ausgestattet ist, frühzeitig eingreifen kann und Maßnahmen ergreifen darf, das Gebot der Stunde. Selbst die Banken haben nunmehr begriffen, dass sie eine Art Aufsicht akzeptieren müssen, um ihren Ruf nicht noch weiter zu schädigen. Doch hier wird frei nach dem Motto agiert: "Wenn wir es schon nicht verhindern können, so wollen wir es dann bitte selbst machen." Die Lobby arbeitet schon fleißig an einer möglichen Privatisierung der BaFin. Anders formuliert: Die Brandstifter wollen nicht nur den Löschtrupp stellen, sondern auch für die Verhinderung zukünftiger Brände zuständig sein!

Böses erahnen lassen die wieder zu hörenden Rufe nach "25% Rendite" und "Bonifikationen, gemessen an Umsatzgrößen". Selbst wenn man all den Ackermännern und Nonnenmachern zugute halten kann, dass sich das Renditeziel auf das Eigenkapital bezieht, sind solche Forderungen unverantwortlich! Mit einem soliden Zinsmargen-Bankgeschäft lässt sich das Ziel nicht erreichen: Die Forderung nach "25% Rendite" impliziert deshalb den Ruf nach erneuten Casino-Kreislaufmodellen. Das Karussell dreht sich also wieder! Das hat einen guten Grund: Die Banken haben gelernt, dass sie für ihre Fehler nicht gerade stehen müssen, dieses wird vielmehr den SteuerzahlerInnen aufgebürdet. (Stichwort "Systemrelevanz")

Wenn nicht gegengesteuert wird, soll die Bundesbank demnächst allein für die Kontrolle der Banken zuständig sein und die BaFin sich auf die reine Wertpapier- und Versicherungsaufsicht beschränken. Dies wäre jedoch genau die falsche Konsequenz aus dem Finanzmarktdebakel.

Bundesbank

Aufgaben der Bundesbank sind: Stabiles Geld; stabiles Finanz- und Währungssystem; stabiles Bankensystem; sicherer Zahlungsverkehr; sicheres Bargeld. Die Bankenaufsicht (durch Gesetzgeber eingebunden aufgrund § 7 KWG) erfolgt gemeinsam mit der BaFin. Da die Bundesbank in die EU-weiten Maßnahmen eingebunden ist, muss sie ständig Rücksicht auf EU-Kompatibilität nehmen.

Zu den Aufgaben der Bundesbank gehört auch, im Auftrage der "Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH" und für Rechnung des Bundes die Auktionen (sogenannte Tenderverfahren) von Einmalemissionen des Bundes (unverzinsliche Schatzanweisungen, Bundesschatzanweisungen, Bundesobligationen, Bundesanleihen) durchzuführen. Sie wirkt beim Absatz von Daueremissionen (Finanzierungsschätze, Bundesschatzbriefe) mit und betreibt die Marktpflege an den deutschen Präsenzbörsen. Aufgrund der notwendigen Ausfinanzierung der derzeitigen und noch kommenden Schuldenlast des Bundes wird diese Aufgabe riesige Ausmaße annehmen, und das sicherlich in Konkurrenz zu vergleichbaren Bankaktivitäten, die sich ebenfalls am Markt refinanzieren wollen.

Hinsichtlich der Bankenaufsicht arbeitet die Bundesbank derzeit noch mit der BaFin zusammen und ist maßgeblich beteiligt an den Erlassen allgemeiner Regeln (z.B. Grundsätze und Verordnungen). Dem Prozess der laufenden Aufsicht ausgenommen sind (hoheitliche) Einzelmaßnahmen gegenüber Instituten, die der Bundesanstalt (BaFin) vorbehalten sind, bankenaufsichtliche Prüfungen sowie die internationale Kooperation / Koordination auf dem Gebiet der Aufsicht. Darüber hinaus ist sie auf dem Feld des Krisenmanagements eingebunden.

BaFin

Die Aufgaben der BaFin sind nicht allein auf die Zulassung, Überwachung und - falls erforderlich - Schließung einzelner Institute beschränkt. Sie kann auch durch allgemeine Anordnungen Regeln für die Durchführung von Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen sowie zur Begrenzung von Risiken festlegen. Hiervon kann sie durch den Erlass von Grundsätzen und Rechtsverordnungen Gebrauch machen.

Darüber hinaus hat die BaFin auch Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken, welche die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsmäßige Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können.

Nicht grundlos hat der damals verantwortungsbewusste Gesetzgeber diese Arbeitsteilung zwischen Bundesbank und BaFin Aufteilung festgelegt. Aufgrund von möglichen Interessenskonflikten müssen deshalb die hoheitlichen Aufgaben bei einer funktionierenden und mit Kompetenzen ausgestatteten BaFin verbleiben!

BaFin-Chef Jochen Sanio hat in einem Interview Vorwürfe, wonach seine Behörde bei der heraufziehenden HRE-Pleite zu lange tatenlos zugesehen habe, wie folgt zurückgewiesen: "Die BaFin hatte nichts tun können, um die Bank früher zu schließen und ihr ‚zusätzliche Liquidität in die Tasche zu stecken'. Die HRE lief weit in die Todeszone, wir liefen nebenan. Die HRE saß in der Falle, wir saßen nebenan. Dies sei kein Versagen, sondern entspreche der Rechtslage. Wenn Sie wollen, dass wir mehr machen, dann müssen Sie eine neue BaFin konstruieren." Dazu gehört sicherlich auch, dass die BaFin über ausreichend Personal verfügt und mit hoheitlich erweiterten Kompetenzen ausgestattet wird.

Zudem müsste das Strafrecht präzisiert werden. Das unverantwortliche und nicht mit persönlichem Risiko verbundene Zocken mit fremdem Geld ist Betrug und Veruntreuung in einem besonders schweren Fall. Reine Rückgriffsforderungen an das Management wird die Bank über Managerpolicen abdecken. Die dafür zu zahlenden Prämien trägt sowieso die Bank. Ihre Inanspruchnahme würde wieder zu Lasten der Solidaritätsgemeinschaft der Versicherten geht und trifft somit nicht den für die Katastrophe verantwortlichen Manager persönlich!

Unverantwortlich sind deshalb auch die aktuellen Diskussionen über eine vollständige Angliederung der BaFin an die Bundesbank. Zu befürchten ist bei einer derartigen Konstellation eine weitergehende willkürliche Einflussnahme der Politik auf die BaFin- bzw. die Kontrollsteuerung.

Ratingagenturen

Der weltweite "Markt" der Ratingagenturen ist schnell beschrieben. Diesen haben sich maßgeblich drei amerikanische Unternehmen aufgeteilt, nämlich Moody´s, Fitch und Standard und Poor´s (S&P). Diese drei Agenturen haben nicht unerheblich zur Eskalierung der Finanzkrise beigetragen haben.

An einem aktuellen Beispiel kann der Regulierungsbedarf auch bei den Ratingagenturen verdeutlicht werden. Die Presse berichtete, dass die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) die Zusammenarbeit mit S&P gekündigt hat, weil diese es gewagt hat, die LBBW auf die Kategorie A herabzustufen. Der Fall zeigt, dass hier Kunde (Bank) und Dienstleister (Ratingangentur) auf eine spezifische Weise verbandelt sind, die für den Finanzmarkt sehr negative Folgen hat: Auftraggeber sind die zu bewertenden (ratenden) Banken; wenn nicht erstklassig bewertet wird, so kündigt die Bank einfach den Auftrag; um Aufträge zu bekommen, besteht immer die latente Gefahr, dass die Ratingagenturen die Banken besser bewerten bzw. "raten" als deren tatsächliche Situationen ist.

Darüber hinaus mischen die Ratingagenturen sogar noch mit, indem sie für die "andere Seite" des Marktes auch beratend tätig sein dürfen und sind.

Eine Lösung für Deutschland könnte darin bestehen, dass zugelassene Ratingagenturen als vereidigte Sacherverständige agieren, die wirklich unabhängig arbeiten dürfen und für ihre Ergebnisse in vollem Umfang haften! Nur so lässt sich das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen und Fehlinformationen mit verheerenden Folgen für die Finanzmärkte verhindern.