Geburtstag einer »Heuschrecke«

Hedge-Fonds in Deutschland werden heute fünf Jahre alt

07.11.2008 / Von Jürgen Reents, Neues Deutschland

Vor fünf Jahren, am 7. November 2003, beschloss der Bundestag eine Modernisierung der Investmentfonds. Die amtierende Präsidentin Susanne Kastner vermerkte erfreut die Zustimmung »des ganzen Hauses« – die LINKE bzw. PDS hatte damals keine Fraktion im Bundestag. Mit dem neuen Investmentgesetz (InvG) wurden Hedgefonds auch in Deutschland zum öffentlichen Vertrieb zugelassen.

»Der Finanzplatz Deutschland ist aus Sicht der Bundesregierung reif für diese Produkte«, erklärte Barbara Hendricks, seinerzeit Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesfinanzministerium, heute Bundesschatzmeisterin der SPD. »Diese Produkte«, die Hedge-Fonds – im Amtsdeutsch heißen sie »Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken« – geben den Fondsmanagern weitgehend freie Hand, mit den ihnen anvertrauten Vermögen zu spekulieren. Gegenüber den Kunden solcher Fonds zog sich der Gesetzgeber mit einer Vorschrift für den Verkaufsprospekt aus der Affäre: »Der Bundesminister der Finanzen warnt: Bei diesem Investmentfonds müssen Anleger bereit und in der Lage sein, Verluste des eingesetzten Kapitals bis hin zum Totalverlust hinzunehmen.«

So wenig ähnliche Warnhinweise Raucher abschrecken, so wenig sahen sich offenbar mehr oder weniger vermögende Glücksspieler durch diesen gehindert: Binnen zwei Jahren verdreifachten sich die in Deutschland angebotenen Hedge-Fonds-Zertifikate. Zugleich nahm der Bundestag für den Fünfjahreszeitraum 2004 bis 2008 in Kauf, dass die Steuereinnahmen sich in Folge dieser Liberalisierung um 2,9 Milliarden Euro vermindern, so die Kalkulation im Gesetzentwurf selbst.

Das Investmentgesetz stammt aus der Feder der damaligen Regierung von SPD und Grünen. Begleitet wurde seine Verabschiedung von Aufmunterungen seitens der CDU/CSU und der FDP. Die Union wollte die Finanzaufsicht über die neuen Investmentfonds gerne schwächen, die betreffende Bundesanstalt BaFin sollte sich »nicht nur als Regulierer und Aufseher«, sondern als »Partner der Finanzdienstleister« verstehen. Die Reform des Anlegerschutzes solle »mit Augenmaß« geschehen, was meinte: nicht übertrieben werden. Die FDP forderte die Bundesregierung auf, nun auch »Konzepte für die Deregulierung des Arbeitsmarktes« vorzulegen, »damit internationale Wettbewerbsfähigkeit zurückgewonnen werden kann«.

Da mochten auch die Koalitionsfraktionen selbst nicht zurückstehen: SPD und Grüne begleiteten den Gesetzentwurf ihrer eigenen Regierung mit einem Antrag »Finanzplatz Deutschland weiter fördern«. Darin hieß es u.a.: »Die Bundesregierung wird gebeten, weitere Maßnahmen zur Schaffung eines leistungsfähigen, international wettbewerbsfähigen Verbriefungsmarktes in Deutschland zu prüfen.« Alle spekulierten auf ein schnelles Wachstum des trotz Liberalisierung nicht üppigen deutschen Anteils am internationalen Finanzcasino, in dem der HedgeFondsmarkt bald 1,6 Billionen US-Dollar (2006) ausmachte.

Inzwischen hört man aus allen vier Fraktionen regelmäßig mehr oder weniger kritische Anmerkungen zu Hedge-Fonds – aber immer noch keine selbstkritischen zu ihrer politischen Zeugung. Gut anderthalb Jahre nach Inkrafttreten des Investmentgesetzes sprach Franz Müntefering von den »Heuschreckenschwärmen, die im Vierteljahrestakt Erfolg messen, Subs-tanz absaugen und Unternehmen kaputtgehen lassen, wenn sie sie abgefressen haben«. Das bezog sich damals auf die sogenannten »Private Equity Gesellschaften«; der Begriff »Heuschrecken« ist aber längst zum Synonym für alle Fonds geworden, die auf überhöhte Renditen spekulieren. In der Tierwelt haben Heuschrecken nach überwiegenden Angaben der Fachliteratur eine Lebensdauer von zwei bis drei Monaten. Ihre nicht-biologischen Artgenossen sind nun schon deutlich älter und wahre Rabauken geworden.