Stadt Wedel: How To Make Cash – ohne erwischt zu werden.

Von Knut Persson

29.04.2014 / www.vorort-links.de, 27.04.2014

Funding ist ein beliebtes Spiel. Es geht darum Geld aufzutreiben, ohne sonderlich viel Zinsen dafür zu bezahlen. Wenn möglich: gar nichts. Das Spiel wird überall gespielt – nicht nur in Wedel. Das Schöne an Wedel ist: Nichts, aber auch gar nichts bleibt wirklich geheim. Dafür sorgt schon die Wedeler Einkaufstrasse – die Bahnhofstrasse. Aufgepasst für Ortsfremde: Wir leben in Wedel in einer Kleinstadt mit 32.000 Einwohner. Weiter: Es geht um zwei Bilanzen: der Stadt Wedel und der Stadtsparkasse Wedel und Verschiebungen zwischen beiden.

Die Geschichte geht so: Die Stadtsparkasse der Stadt Wedel muss mit Eigenkapital aufgepäppelt werden. Sie braucht zehn Millionen Euro, um über die Runden zu kommen. Der Geschäftsführer der Bank hat sich in einem Zeitungsartikel bitterlich darüber beschwert, dass die HSH Nordbank AG ihm die Bilanz verhagelt hat (Hamburger Abendblatt vom 20.06.13: »HSH-Nordbank verhagelt Traumbilanz der Sparkasse Wedel«. Der Geschäftsverlauf der HSH Nordbank wird für weiteren Hagel sorgen). Außerdem verlangt Basel III mehr Eigenkapital zur Unterlegung der Risikokredite und da gibt es auch einen Kunden, der will partout einen besonders zinsgünstigen Kredit.

Vertrauensvoll wendet sich der Geschäftsführer der Stadtsparkasse an die Eigentümer der Bank – die Stadt Wedel. Die hat wegen der vielen Investitionen in Hafen (demnächst ein bis zwei Mill. Euro Abschreibungen + Instandhaltung + Zinsaufwand) und Spaßbad (pro Jahr ca. zwei Mill. Euro Verlust) auch kein Geld. Macht nichts. Sie bastelt sich eine Eröffnungsbilanz zum 1.1.2011 mit hervorragenden Positionen und lässt sich diese von einer artigen Prüfungsgesellschaft – KPMG – auch bestätigen. Die hervorragende Bilanz der Stadt Wedel wird der Postbank vorgelegt und die sagt sich: Das ist ein Kunde mit bester Bonität – Triple A ist nichts dagegen.

Die Stadt bekommt ihren Kredit: Die Bahnhofstrasse in Wedel sagt auch die Konditionen: 2,5% Zinsen, fünf Jahre Laufzeit. Das Geld wird weitergereicht an die Stadtsparkasse des Ortes. Da das Geld als Eigenkapitalspritze gedacht ist, wird ein Zins von Null in Rechnung gestellt. Auf eine entsprechende Frage in der Einwohnerversammlung am 19.3.2014, sagt der Bürgermeister blauäugig, man bekäme ja das Geld, dass man als Zinsaufwand (250.000 Euro) verbucht zu Lasten der Stadt, also der BürgerInnen, durch Gewinnausschüttung mehr als wieder herein, mache also auch noch ein Geschäft dabei. Die Frage nach dem Kredit ist im Protokoll zur Einwohnerversammlung nicht erwähnt (siehe »Bürgerinformationssystem« der Stadt Wedel. Das »Wedel-Schulauer Tageblatt« berichtete allerdings einige Tage später darüber).

Klingt zunächst nach einer tollen und erfolgreichen Geschichte. So wird sie den BürgerInnen und den Ratsmitgliedern auch verkauft.

An der erfolgreichen Geschichte stimmt so gut wie nichts – außer dass der smarte Kunde der Stadtsparkasse seinen besonders guten Kredit bekommt. Die Eigenkapitalrendite der Stadtsparkasse belief sich 2012 (neuere Zahlen sind noch nicht erhältlich) auf 2,1%. Ein schlechtes Geschäft also für die Stadt: sie selber muss für den Kredit 2,5% berappen und bekommt (schätzungsweise) nur 2,1% zurück. Es bleibt ein Minus von 40.000 Euro bei der Stadt hängen – pro Jahr! Nach fünf Jahren Laufzeit des Kredites wird aller Voraussicht nach der Zins erhöht werden müssen. Die Volkswirte gehen weltweit von steigenden Zinsen aus, da die Zinsen zur Zeit auf einen einmalig historisch tiefen Stand abgerutscht sind. Dann wird es richtig teuer für die Stadt, wenn der Kredit verlängert werden soll bzw. muss.

Dabei ist nicht einsichtig, warum die Stadtsparkasse Wedel über die Stadt Wedel überhaupt das Eigenkapital (EK) erhöhen muss. Immerhin hat die Stadtsparkasse Wedel eine bilanzielle EK-Quote von 6%. Das ist zwar nicht üppig, bedenkt man aber, dass der Branchenprimus – die Deutsche Bank – nur eine entsprechende Quote von 2% hat, fragt man sich, warum der Kredit durch die Stadt zur Stadtsparkasse überhaupt aufgenommen werden muss. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass durch die EK-Erhöhung der Stadtsparkasse von ca.30 Mio. Euro auf dann 40 Mio. Euro eine »Verwässerung« des Eigenkapitals stattfindet (»diluted equity«), was zur Folge hat, dass die EK-Rendite weiter sinkt.

Dann ist da die »tolle« Bilanz der Stadt Wedel vom 1.1.2011. Fragt sich zunächst jeder: Wieso »1.1.2011«, wir haben doch das Jahr 2014? Da fehlen doch die Schlussbilanzen von 2011, 2012 und 2013. Und die dazugehörenden Gewinn und Verlustrechnungen (GuV), im Stadtjargon »Ergebnisrechnung« genannt. Die gibt es auf telefonische Nachfrage im Rathaus gar nicht. Also: Was tut die/der fleißige Bürger/in? Sie/Er nimmt das Recht in Anspruch und fragt nach den fehlenden Unterlagen im Haupt- und Finanzausschuss am 31.3.2014 unter dem Tagesordnungspunkt »Bürgerfragestunde«. Und stellt folgendes fest: Die Fragen werden nicht beantwortet. Außerdem fällt man /ihrihm fortwährend ins Wort fällt. Das steigert nur die Bedenken.

Und dann ist da noch eine Merkwürdigkeit in der Bilanz der Stadt: Unter dem Passivposten »Rückstellungen« wird nur eine (!) einzige »Altlast« aufgeführt. Im Flächennutzungsplan 2007 (FNP2007) wird dagegen von 23 (!) Altlasten gesprochen. Die sind zwar nicht alle im Besitz der Stadt, aber der Sachverhalt hätte im Prüfungsbericht der KPMG erwähnt werden müssen. Auf eine entsprechende Nachfrage im Haupt- und Finanzausschuss gibt es wieder keine Antwort. Die Frage war zunächst ganz unverfänglich gestellt, ob der KPMG der FNP2007 vorgelegen hätte und diese Kenntnisse davon hatte. Auch hier keine Antwort im H+F-Ausschuss. Man sagt aber schriftliche Beantwortung zu. Das ist bis heute nicht geschehen (Stand 25.4.14).

Also: Was tut die/der fleißige Bürger/in? Da das Rathaus wohl nicht auskunftswillig ist, wendet sie/er sich vertrauensvoll an die Kommunalaufsicht: den Innenminister des Landes Schleswig-Holstein und bittet um die Beantwortung der Fragen. Sie ahnen was? Auch von dieser Stelle erfolgte bis heute keine Beantwortung. Das steigert die Bedenken nur noch weiter.

Kommen wir zurück zur Bilanz und der GuV der Stadt: Die fehlende Erfassung der Altlasten in den Rückstellungen und die dann nötige Korrektur wird das Eigenkapital (zur Zeit noch satte 83 Mio. Euro in der Bilanz der Stadt) schmälern. Der Verfasser dieser Zeilen schätzt überschlägig: Das dürfte heftig werden. Nun dient die Bilanz beim Kreditantrag als Beweis der Bonität und rechtfertigt einen besonders preiswerten Kredit (ohne »Spread«). Wenn dem aber gar nicht so ist, dass das Eigenkapital gar nicht so günstig ausfällt, wie in der Eröffnungsbilanz angegeben: Ja dann ... Hinzu kommt, dass der Bürgermeister in der Einwohnerversammlung am 19.3.2014 auf Defizite in der Ergebnisrechnung (GuV), die bisher nicht veröffentlicht worden ist, hingewiesen hat (vorläufig für 2012: minus 14,6 Mio. Euro, vorläufig für 2013: minus 7,6 Mio. Euro). Natürlich um die EinwohnerInnen einzustimmen auf Kürzungen und Belastungen. Alles nachzulesen im Bürgerinformationssystem der Stadt – bis auf die Frage zum Kredit.

Nun kommt einiges zusammen: eine wohl – sagen wir mal höflich - nicht ganz korrekte Bilanz zum 1.1.2011 und fehlende Unterlagen und angedeutete Verluste in der GuV. Wie dieser Sachverhalt von der Postbank als Gläubigerbank wohl eingestuft werden wird? Und wie dieser Vorgang wohl juristisch zu bewerten ist?