Finanztransaktionssteuer: Schlappe für die Bundesregierung beim deutsch-französischen Regierungsgipfel

Von Axel Troost und Rainald Ötsch

21.02.2014 / 21.02.2014

Die seit Monaten von elf europäischen Staaten verabredete Finanztransaktionssteuer droht zu versanden. Denn nachdem die französischen Sozialisten sich von ihrer Finanzlobby haben einwickeln lassen, fehlt dem Projekt der Rückhalt. Frankreich und Italien haben bereits im nationalen Alleingang stark abgespeckte Steuern beschlossen, mit denen sie sich begnügen wollen. Nur Deutschland und Österreich sprechen sich klar – und im Sinne der bisherigen Beschlusslage – für eine breite Steuerbasis aus.

Die auf europäischer Ebene verhandelnden Fachbeamten stehen folglich vor tiefen Gräben. Was ihnen fehlt, ist ein politischer Beschluss der Minister, damit die Verhandlung nicht zu ei­ner „Alibiveranstaltung“ (Schäuble) verkommen. Am Rande des gestrigen EU-Finanzminister­rats (Ecofin) gab es ein kurzes Treffen auf Ministerebene. Nach draußen drangen nur vage Erklärungen, so der Wunsch des französischen Finanzministers Moscovici nach einem „soli­den und realistischen Vorschlag“ bis zu den Europawahlen. Schäuble kommentierte, es sei derzeit unseriös, einen Zeitpunkt für eine Einführung der Finanztransaktionssteuer zu nen­nen: „Es wird noch eine Menge Arbeit sein.“ Dies scheint leider zuzutreffen.

Das heutige deutsch-französische Ministertreffen wäre eine optimale Gelegenheit gewesen, die Verhandlungen wieder auf Kurs zu bringen. Seit Wochen kursierte das Gerücht, am Ran-de des Gipfels würde es eine gemeinsame Erklärung zur Finanztransaktionssteuer geben. Doch während die Agenturen noch morgens eine entsprechende Gipfelerklärung ankündig­ten, fehlte die Steuer bereits auf der von der französischen Botschaft veröffentlichten Gipfela­genda. Offenbar war abzusehen, dass eine Einigung zwischen Frankreich und Deutschland derzeit nicht möglich ist. In der Pressekonferenz von Merkel und Hollande hieß es lediglich, dass beide Regierungen eine Einigung noch vor den Europawahlen anstrebten, als „wichtiges Signal für die Bürger“ (Merkel).

Mit dem Modell einer gestuften Einführung hat Schäuble bereits Anfang der Woche einen Vorschlag aufgegriffen, der einen Ausweg aus der Hängepartie bieten soll. Die Steuer soll demnach zunächst auf Aktien, dann auf Anleihen und später auf Derivate ausgedehnt wer­den. Eine solche Stufenlösung ist nicht per se schlecht. Transaktionen mit Aktien dürften in der Tat leichter und damit schneller zu erfassen sein als mit Derivaten. Doch der Vorschlag ist heikel: Eine gestufte Einführung müsste von vornherein verbindlich und mit vertretbaren Fris­ten geregelt werden. Andernfalls dürften die für später vorgesehenen Erweiterungen im Lauf der Verhandlungen unter den Tisch fallen – ganz im Sinne der französischen Regierung, die zugunsten ihrer Banken Derivate fast vollständig von der Steuer ausnehmen will. Dann bliebe nicht nur die regulative Wirkung der Steuer beschränkt, denn spekulative und riskante Fi­nanzgeschäfte werden meist mit Hilfe von Derivaten getätigt. Auch das Aufkommen dürfte bescheiden ausfallen. Denn von dem von der Kommission geschätzten Aufkommen von 34 Mrd. Euro entfallen 21 Mrd. Euro auf Transaktionen mit Derivaten. Der neue Stufenplan ist daher ein Spiel mit dem Feuer.

Bei aller Kritik an den französischen Sozialisten: In einem Punkt ist die französische Regie­rung sehr viel weiter als die deutsche. Frankreich hat bereits einen Teil der Einnahmen aus seiner nationalen Finanztransaktionssteuer an Entwicklungshilfe und Klimaschutz gebunden, was einer alten Forderung der Zivilgesellschaft entspricht. Die Bundesregierung hat dagegen eine solche Zweckbindung bisher kategorisch abgelehnt. Sie hat auch keinen Alternativvor­schlag, wie sie ihren internationalen Verpflichtungen in Punkto Entwicklungshilfe und Umwelt­schutz nachkommen will. Deswegen ist die fehlende Erklärung von heute eine weitere ver­passte Gelegenheit, sich endlich drängenden globalen Problemen zu stellen.