Regionalökonomie stärken

Von Christa Luft, Neues Deutschland

19.04.2011

Ist in Politik und Medien von »Wirtschaft« die Rede, sind gemeinhin global agierende, renditefixierte Unternehmen im Blick. Die regionale Ökonomie mit ihrem engen sozialen und ethischen Bezug steht im Schatten. Wirtschaft kann aber nicht im Interesse einer kapitalkräftigen Minderheit primär weltmarktorientiert organisiert werden. Die meisten Menschen sind abhängig von der Wirtschaft dort, wo sie leben. Sie brauchen für ein selbstbestimmtes Dasein existenzsichernde Kooperation, nicht zerstörerische Konkurrenz.

Auch für Transportreduzierung und Klimaschutz hat die regionale Ökonomie einen unersetzlichen Stellenwert. Hinzu kommt, dass über finanzschwachen ostdeutschen Kommunen und Bundesländern ein Damoklesschwert schwebt: das Auslaufen des Solidarpakts im Jahre 2019. Ohne entschiedene Stärkung ihrer ureigenen Wirtschaftskraft droht eine weitere Verödung. Und schließlich: Mit zunehmender Übertragung wirtschaftspolitischer Befugnisse auf die EU-Ebene wird eine kreative regionale Wirtschaftspolitik bedeutsamer.

Dafür gibt es kein allgemein gültiges Rezept, aber ein Spektrum von Maßnahmen. Dazu gehört die Ermittlung regionaler Wertschöpfungskompetenzen sowie die Bildung von Netzwerken zwischen Produktions-, Dienstleistungs- und Handelsunternehmen, Lehr- und Forschungseinrichtungen, Kreditinstituten, Vereinen und Verbänden. Der öffentliche Personennah- und Fernverkehr ist als Lebensader für die Funktionsfähigkeit von Regionen zu schützen und auszubauen. Eine gedeihliche Regionalwirtschaft braucht die zuverlässige Kreditversorgung für kleine und mittlere Unternehmen sowie die Bereitstellung von Serviceleistungen für den Zahlungsverkehr auch in dünn besiedelten Gebieten. Die jüngste Krise hat gezeigt, wie unverzichtbar dafür regional verankerte Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind.

In der Energieversorgung kommt Stadt- bzw. Gemeindewerken und dezentralen Energiekreisläufen ein hoher Rang zu. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gebührt aus Beschäftigungs- und Klimagründen regional ansässigen Leistungsanbietern Priorität. Dafür muss in der EU geworben werden. Zu prüfen ist, mit welchen steuer- und finanzpolitischen Akzenten Bund und Länder die regionale Wirtschaftskraft fördern können.

Einen gewissen Beitrag zur Stärkung lokaler bzw. regionaler Kaufkraft kann die Nutzung eines die Landeswährung ergänzenden Regionalgeldes leisten. Aktuell sind in Deutschland etwa 70 darauf beruhende Handelsnetze bekannt, so der Chiemgauer, die Havelblüte, der Donau-, Elb- oder Unstruttaler. Es handelt sich um zwischen Verbrauchern, Anbietern und Kommunen vereinbarte Mittel, die innerhalb einer Region für Zahlungs- und Investitionszwecke verwendet werden. Eine Kräftigung erhält so vor allem die regionale Land- und Nahrungsgüterwirtschaft mit entsprechender Wertschöpfung durch vorrangig dezentrale Verarbeitung und Vermarktung agrarischer Produkte.

Nicht um Regionalisierung contra Globalisierung geht es, sondern um eine gesunde Balance. Eine innovative Regionalökonomie kreiert auch Exportpotenziale und Exportbetriebe können ein Glied in regionalwirtschaftlichen Kreisläufen werden. DIE LINKE sollte die Entfaltung regionaler Wirtschaftskraft parlamentarisch und im Alltag offensiv als Reformprojekt angehen. Darin verbinden sich soziale und ökologische Belange mit Demokratieerfordernissen. Menschen würden aus der Rolle als Geiseln des Globalisierungswahns befreit.

In der wöchentlichen ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.