»Ära von Ministerpräsident Mappus muß beendet werden«

Nicht nur Rheinland-Pfalz, auch Baden-Württemberg wählt am Sonntag. Im Mittelpunkt: »Stuttgart21«und Atompolitik. Ein Gespräch mit Marta Aparicio

23.03.2011 / Interview: David Schecher, junge Welt vom 23.3.2011


Am Sonntag wählt Baden-Württemberg einen neuen Landtag – werden CDU und FDP angesichts der Katastrophe in Japan über ihre Atompolitik stolpern?

Das von der Bundesregierung verfügte Moratorium ist noch längst kein Ausstieg. In Baden-Württemberg müssen die Atomkraftwerke (AKW) Neckarwestheim I und Phillipsburg I auf jeden Fall abgeschaltet bleiben, die anderen müssen folgen. Dafür brauchen wir aber eine neue Landesregierung, die Ära von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) muß beendet werden.

Das Land ist seit kurzem Miteigentümer des Energiekonzerns EnBW, der ja auch AKW betreibt. Kann eine neue Landesregierung über diesen Hebel eine andere Atompolitik durchsetzen?

Der Tsunami und das Erdbeben haben in Japan Hunderttausenden Menschen zwar die Apokalypse gebracht – gleichwohl ist dieser Atomunfall aber von Menschenhand gemacht. Er zeigt, wie wenig beherrschbar AKW sind, daran ändern alle Beteuerungen nichts. Die Beteiligung an diesem Konzern wurde von Mappus am Parlament vorbei durchgezogen, auf Pump und viel zu teuer. Sie darf jetzt nicht an der Börse verzockt werden – vielmehr muß der Konzern bei der auch von uns geforderten Energiewende vorangehen.

Die Linke liegt zur Zeit in den Umfragen bei vier Prozent, denken Sie, daß Sie den Einzug in den Landtag schaffen?

Natürlich werden wir den Einzug schaffen. Es gibt ja auch Umfragen, in denen wir bei fünf Prozent oder darüber liegen. Die brauchen wir auch, denn nur mit der Linkspartei im Landtag können wir es schaffen, daß Mappus geht.

Grüne und SPD scheuen sich – auch mit Blick auf Ihre Partei –, eine Koalitionsaussage zu treffen. Wie stehen Sie zu einer gemeinsamen Regierung mit diesen beiden Parteien?

Bevor wir über mögliche Koalitionen reden, müssen wir erst einmal in den Landtag einziehen. Vorher macht das wenig Sinn. Wenn wir unser Ziel erreicht haben, können wir aber nur in einer Koalition arbeiten, die unsere Positionen auch in einem guten Koalitionsvertrag festhält.

Da müßten dann Aussagen drin stehen wie etwa der Stopp weiterer Privatisierungen, das Verbot des Abbaus von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst oder die sofortige Einstellung der Umbauarbeiten am Hauptbahnhof. Oder die Forderung nach längerem gemeinsamen Lernen in den Schulen.

Das einzige, was wir sicher ausschließen können, ist eine Koalition mit der CDU, der FDP oder anderen rechten Parteien.

Ist das Bahnhofsprojekt »Stuttgart 21« noch zu stoppen?

Natürlich. Das von Fachleuten ausgearbeitete Gegenkonzept »K21« sieht einen modernisierten Kopfbahnhof vor, der viel leistungsfähiger sein wird. Dieses Konzept wird nach der Landtagswahl durchgesetzt.

Und wenn Schwarz-Gelb doch an der Regierung bleibt?

Die Protestbewegung in Baden-Württemberg ist viel zu stark, als daß die CDU nach 58 Jahren noch an der Regierung bleiben könnte. Sollte das aber doch passieren, wird sie die Kraft der Menschen im Land kennenlernen. Die Vergangenheit hat gezeigt, daß der Widerstand gegen »S21« so gut organisiert ist, daß er das Projekt stoppen kann. Unsere Aufgabe würde es sein, der Bewegung im Parlament eine Bühne zu bieten.

Was sind Ihre Schwerpunkte im Wahlkampf und darüber hinaus?

Neben einer Umverteilung von oben nach unten ist für mich die Bildungspolitik ein zentrales Anliegen. Dabei möchten wir alle einbeziehen, unabhängig von Herkunft und Geldbeutel. Wir fordern kostenlose Kita-Plätze für alle Kinder, eine gemeinsame Schule bis zur zehnten Klasse, die gezielte Förderung für Kinder mit Migrationshintergrund, die sofortige Abschaffung der Studiengebühren und mehr Geld für das gesamte Bildungssystem in Baden-Württemberg. Die jetzige Landesregierung macht mit ihrem Sparpaket genau das Gegenteil: Das wird nämlich in den nächsten Jahren 6000 Lehrer den Job kosten.