Worum geht es bei der Überprüfung der Hartz-IV-Regelleistungen für Kinder durch das Bundesverfassungsgericht?

Grundsicherung für Kinder

20.10.2009 / Jan Jurczyk, ver.di-Bundesvorstand

Grundsicherung für Kinder

ver.di hofft auf Verbesserung der finanziellen Situation von Kindern Erwerbsloser und prekär Beschäftigter

19.10.2009

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) vertritt im Rahmen des gewerkschaftlichen Rechtschutzes eine Familie, über deren Fall morgen (20. Oktober 2009) das Bundesverfassungsgericht auf Vorlage des Bundessozialgerichts verhandelt (Az. 1 BvR 3/09). Dabei geht es um die Frage, ob die Regelungen im Sozialgesetzbuch II (SGB II) zur Höhe der Grundsicherung für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (Sozialgeld) und für Erwachsene (Regelleistung) verfassungsgemäß sind.

ver.di vertritt die Auffassung, dass dies bei den Leistungen für Kinder und Jugendliche nicht der Fall ist. „Kinder haben andere Bedarfe als Erwachsene. Um dem Kindeswohl gerecht zu werden, müssen sich die Bedarfssätze künftig an den entsprechenden Rahmenbedingungen orientieren und dürfen nicht einfach dieselben Maßstäbe wie bei den Erwachsenen anlegen – zumal auch die schon vorne und hinten nicht ausreichen“, sagte ein ver.di-Sprecher.

Bildung, eine gesunde Ernährung, Kleidung und altersgerechte Aktivitäten müssten bei der Festlegung des Sozialgeldes eine grundlegende Rolle spielen. „Der damalige Satz von 207 Euro monatlich reichte für ein Schulkind nicht aus: Wer davon gesunde Ernährung bezahlen will, muss auf andere existentiell wichtige Ausgaben verzichten. Von einer Mitgliedschaft in Sportvereinen können die Kinder von Arbeitslosengeld II-Empfängern oftmals nur träumen. Durchschnittlich liegen die Ausgaben von Eltern für den Nachwuchs zwischen 500 und 700 Euro im Monat. Mehr Geld für eine Schulzeit mit gleichen Chancen muss auch den Kindern in den von Arbeitslosigkeit oder Niedriglöhnen betroffenen Familien zur Verfügung stehen“, forderte der ver.di-Sprecher.

Jan Jurczyk
ver.di-Bundesvorstand
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Hintergrund:

Worum geht es bei der Überprüfung der Hartz-IV-Regelleistungen für Kinder durch das Bundesverfassungsgericht?

Die drei wesentlichen Fragen

Der 20. Oktober 2009 ist ein wichtiges Datum für Familien und Kinder: An diesem Tag behandelt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mehrere Klagen von Hartz-IV-Empfängerinnen und Empfängern zur Bemessung von Regelleistungen für Kinder und Jugendliche. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) unterstützt die eingereichten Beschwerden. Drei wesentliche Fragen entscheiden darüber, ob die bisherigen Regelsätze verfassungskonform sind:

Ist das Verfahren zur Berechnung der Regelleistungen für Kinder bedarfsgerecht?

Klares Nein: Der Regelsatz für Kinder wird beim 2005 eingeführten Arbeitslosengeld II aus den Lebens- und Einkommensverhältnissen von älteren Erwachsenen abgeleitet und auf die Kinder übertragen. Bemängelt wird, dass der pauschal fixierte Regelsatz die sehr unterschiedlichen Bedarfslagen von Kindern und Jugendlichen ausblendet. Darüber hinaus verstößt die derzeitige Regelung gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Berücksichtigt die Grundsicherung die Ausgaben für Erziehung, Bildung und Ausbildung?

Nein. Beim steuerrechtlichen Existenzminium werden 180 Euro monatlich für Bildung veranschlagt, bei der sozialgesetzlichen Grundsicherung sind es nur rund 10 Euro. Das ist ein viel zu geringer Betrag, der bei den von Armut betroffenen Kindern eher gesellschaftliche Ausgrenzung statt Chancen auf Bildung „fördert“.

Haben Kinder von Hartz-IV-Empfängern neben den Regelleistungen Anspruch auf besondere Beihilfen?

Marginal, nur in extrem wenigen Ausnahmefällen. 2005 wurden die Regelsätze weitgehend pauschaliert, dafür der so genannte Eckregelsatz gegenüber dem Bundessozialhilfegesetz etwas erhöht. Eine Öffnungsklausel für einmalige oder unregelmäßig wiederkehrende Bedarfe könnte Abhilfe schaffen. Doch diese gibt es bisher noch nicht.

Fazit

Kommt das Bundesverfassungsgericht am 20. Oktober zu dem Schluss, dass die Bemessung der Hartz-IV-Regelleistungen verfassungswidrig ist, bedeutet dies einen weiteren Meilenstein in der Eindämmung der Kinderarmut und eine bessere Teilhabe von Kindern, die sich in prekären Lebenslagen befinden. Dass die Leistungen für Schulkinder von der Bundesregierung schon vorab teilweise erhöht wurden und ein kleiner Betrag für den Schulbedarf eingeführt wurde, sind erste Erfolge – die jedoch immer noch zu kurz greifen. Es gilt Kinderarmut zu bekämpfen, statt zu vertiefen. Dafür steht ver.di, die einen Kläger vertritt, auch im Gerichtssaal des Bundesverfassungsgerichtes ein.

ver.di-Aktionen

Anlässlich dieses Ereignisses veranstaltet ver.di vor Ort in Karlsruhe eine Kundgebung. Wir fordern eine bessere Existenzsicherung durch höhere Regelsätze für Kinder und Erwachsene, einen gesetzlichen Mindestlohn und ein Recht auf existenzsichernde Arbeit. Wir werden mit Mindestlohnwürfel, Erwerbslosenbanner, Fahnen und Transparenten sichtbar sein und Informationen verteilen. Parallel dazu berichten wir im Internet. Auch an anderen Orten wird es kleinere Aktionen geben.

ver.di Bundesvorstand