DB – Deutschlands Bespitzlung AG

Man wollte ein »sauberes Unternehmen« ohne Korruption schaffen und versank im Sumpf der Mitarbeiterüberwachung

04.02.2009 / Von René Heilig, Neues Deutschland


Die Führung der Deutsche Bahn AG hat ihre Mitarbeiter bespitzelt. 173 000 Frauen und Männer. Planmäßig. Vorsätzlich. Heimlich. Man war und ist stolz, anderen Konzernen ein Beispiel zu sein. Es gehe nur darum, Korruption zu bekämpfen und den »Abfluss« von Informationen aus dem Konzern zu verhindern. Kein Zweifel: Korruption ist zu verurteilen, der Verrat von Geschäftsgeheimnissen kein Kavaliersdelikt. Doch wie verhältnismäßig ist Mehdorns Rasterfahndung?

»Die internen Untersuchungen in Sachen Network sind abgeschlossen, es bleibt dabei: Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte für strafbare Handlungen von Mitarbeitern.« O-Ton: Wolfgang Schaupensteiner am 30. Januar 2009. Da mögen sich die Datenschützer noch so erregen, mehr als eine Ordnungswidrigkeit ist dem Konzern wohl nicht »anzuhängen«. 250 000 Euro Strafbescheid, so sagen Experten, sind drin. Na und?!

Schaupensteiner weiß, wie weit er gehen kann. Er zählt zu den »profiliertesten Kämpfern gegen Korruption in Deutschland«, weshalb ihn die Bahn AG, die derart Lobendes verbreitet, von der Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main abgeworben und Mitte 2007 zum Chief Compliance Officer also dem Mehdorn direkt unterstellten Korruptionsbekämpfer, gemacht hat. Wenn Schaupensteiner sagt, die Bahn »hat nie etwas verborgen, nie etwas verschwiegen, auch nicht in diesem Zusammenhang«, dann ist das zwar nicht die ganze Wahrheit, doch auch nicht komplett gelogen.

Mehdorn »kurz und entschlossen«

Wer wissen wollte, konnte wissen. Die Regierung, die sich jetzt bis zur Kanzlerin hinauf empört, ist Aufsichtsbehörde des Staatsbetriebes DB. Sie wollte nicht wissen. Sonst hätte sie nachgelesen, was im DB-Korruptionsbericht 2005 steht: Es sei »kein guter Start für einen neuen Vorstandsvorsitzenden« gewesen, was da öffentlich bekannt geworden ist über Schmiergelder bei der Auftragsvergabe und andere unsaubere »Nebengeschäfte«, die einige Mitarbeiter betrieben haben. Hartmut Mehdorn »reagierte kurz entschlossen und entschieden«, liest man. Auf seine Veranlassung hin richteten die Leiter der Rechtsabteilung, der Konzernrevision und der Konzernsicherheit den »Lenkungsausschuss Compliance ein«. Und der sorgte in den vergangenen Jahren dafür, dass rund zwei Drittel der Bahnbeschäftigten sowie Personen aus ihrem »Nähebereich« (siehe links) systematisch und ohne Verdacht, also präventiv bespitzelt wurden. Mehdorn fasst unlängst ohne ein Quäntchen Schuldgefühl zusammen, man habe »hierfür schrittweise eine schlagkräftige Organisation in unserem Hause geschaffen, die vom Einsatz von Ombudsmännern, präventiven Schulungsmaßnahmen bis hin zur Gründung einer Antikorruptionsorganisation« reicht. Damit niemand denkt, das alles sei nur im nationalen Rahmen betrieben worden, fügt der Bahnchef hinzu: »Wir haben also schrittweise auch mit der Internationalisierung der Deutschen Bahn AG dieses auf das Ausland ausgeweitet.« Insgesamt, so Mehdorn, haben »wir eigentlich von Anfang an, von den ersten Jahren an, mit dieser Organisation sehr erfolgreich gearbeitet«. Die Bahn ist an 1100 Standorten in über 130 Ländern präsent.

Kein Wunder, Mehdorn hat sich ja auch die richtigen Leute für diese Spitzelarbeit zusammengekauft. Beispiel Regina Puls. Sie begann 2001 als Chefin der Abteilung »Ermittlungen und besondere Aufgaben« bei der Bahn. Zuvor war sie 17 Jahre lang beim Bundeskriminalamt. Endlich konnte sie ausleben, was Schily und Schäuble der Bundespolizeibehörde noch nicht gönnen konnten. Weil es im Lande, ganz im Gegensatz zum DB-Konzern, noch eine halbwegs wache Opposition gibt. Puls sagt stolz, »die Bahn hat ein bislang einzigartiges Modell in Deutschland geschaffen, effektiv und wirkungsvoll«. Nur über den Begriff »einzigartig« kann man streiten, schließlich erlebten wir die Telekom-Affäre und es gab ja auch die so gescholtene »Präventivfirma« namens MfS.

Zu denen, die den DB-IM-Spitzelbetrieb als sogenannter Ombudsmann aufgebaut haben, gehört Rechtsanwalt Dr. Rainer Buchert, der gleichfalls aus dem BKA kommt, Landeskriminaldirektor in Magdeburg sowie Polizeipräsident in Offenbach war. Die Liste der eingekauften Experten lässt sich fortführen. Man landet zwangsläufig beim derzeitigen Compliance Chief Schaupensteiner, der als Oberstaatsanwalt in Frankfurt am Main vor seiner Direktanstellung beim Konzern 15 Bahn-Korruptionskomplexe bearbeitet hatte.

15? Das ist für Mehdorn zu lasch. »Wir haben über 500 Verdachtsfälle verfolgt. Davon wurden ca. 150 weiterführende strafrechtliche Ermittlungen zugeführt. In vielen Fällen haben wir Verurteilungen mit Gefängnisstrafen und hohen Geldstrafen erreichen können.« Nun muss man nicht annehmen, dass die Korruptionsjäger der Bahn nur die großen Böcke jagen, die unser Steuergeld veruntreuen. Zitat aus internen Schriftstücken: »Als ein weiterer Trend zeichnet sich eine starke Zunahme der Fälle im sogenannten Niedriglohnsektor ab. Reinigungs- und Sicherungsunternehmen, die fast ausschließlich über Stundenlohnabrechnungen bezahlt werden, rechnen Leistungen ab, die sie nie oder nicht in der angegebenen Höhe erbracht haben.«

Auch das ist nicht in Ordnung. Doch im Vergleich zu den Spitzel-Übergriffen des Konzerns sind diese Fälle nahezu belanglos. Es hat doch einen Grund, dass der Konzern bei seiner geheimdienstlichen Rasterfahndung eine skandalträchtige Firma namens Network Deutschland GmbH einschaltet. Ohne schriftlichen Auftrag! Bei einem Auftragsvolumen von 800 000 Euro und dem Leumund, den Network durch die Telekom-Affäre »am Hacken« hat, muss das erstaunen. So bleibt auch nur eine Behauptung, was Schaupensteiner jüngst vor dem Bundestag-Verkehrsausschuss erklärte, nämlich, dass keine Aufträge erteilt worden seien, »Kontenbewegungen zu erheben« oder »Bewegungsprofile zu erstellen«.

Womöglich gibt es Politikerdossiers

Was wirklich geschah, darüber hat der Compliance Chief Dank der geschickten Auslagerung von Drecksarbeiten »keine Erkenntnisse«. So wie er angeblich auch nicht weiß, wer hinter der in Deutschland nur als Minifirma agierenden IT-Detektei Network Deutschland GmbH steckt. Die Network-Muttergesellschaft sitzt in Großbritannien und welcher deutsche Ermittler bekommt derzeit eine Reise nach London genehmigt, nur um von einem englischen Kollegen zu hören, dass da rechtlich nichts zu machen sei?!

Die Bahn ist ein Staatsunternehmen, ein Minister ist zuständig für Verkehr, der Bundestag bestimmt Abgeordnete zur Kontrolle. Offensichtlich sind die sich nicht so sicher, ob sie Kontrolleure oder Kontrollierte sind. So fragte jemand im Verkehrsausschuss: Gibt es auch Personendossiers, womöglich sogar über Politiker? Der DB-Mann Schaupensteiner antwortete darauf cool, man könne in diesem Leben »überhaupt nichts ausschließen«.