Präsidentin des Landfrauenverbandes: Probleme müssen vor Ort gelöst werden

14.01.2009 / Querblick, Infoblatt für feministische Politik und Geschlechtergerechtigkeit der Fraktion DIE LINKE.

Interview mit der Präsidentin des Landfrauenverbandes (dlv) Brigitte Scherb im Querblick, dem Infoblatt nicht nur für Frauen der Fraktion.

Im Deutschen Landfrauenverband konzentriert sich die Agrarpolitik besonders auf die Interessen von Frauen. Welche Schwerpunkte gibt es dabei?

Unser Kernthema ist die Verbraucherbildung. Wir sehen uns an der Schnittstelle zwischen Verbraucher und Landwirtschaft. Die Vermittlung von Wissen über Erzeugnisse ist eine wichtige Voraussetzung für beide Seiten. Zu diesem Dialog gehört auch, den Themen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes eine Stimme zu geben. Darüber hinaus ist uns die landwirtschaftliche Sozialpolitik sehr wichtig, so fordern wir beispielsweise die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge nach dem tatsächlichen Einkommen und nicht nach einer Bemessungsgrenze.

Wie bewerten Sie die Versorgung mit Kindertageseinrichtungen im ländlichen Raum? Welche Verbesserungsvorschläge hat der dlv?

Zur Realisierung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind Kindertageseinrichtungen auch im ländlichen Raum unerlässlich. Das Bild, das mehrere Generationen unter einem Dach wohnen und sich die Kinderbetreuung teilen, ist längst Vergangenheit. Es muss uns klar werden, dass junge Frauen und Männern, insbesondere die gut Ausgebildeten, nur dann auf dem Land bleiben, wenn sich ihnen Lebensperspektiven bieten. Bei der Kinderbetreuung wünschen wir uns neben einem Ausbau der Plätze auch eine Stärkung der Tagesmütter – bei beidem ist uns die Qualität der Betreuung sehr wichtig. Der dlv fordert darüberhinaus auch seit langem mehr Engagement der Unternehmen durch flexiblere Arbeitsplätze.

Es fahren nur noch wenige Busse und der »Tante-Emma-Laden« ist Geschichte. Welche Perspektive hat das Dorf angesichts immer weniger öffentlicher Infrastruktur?

Wenn wir es nicht schaffen, diese Entwicklung zu stoppen, dann hat der ländliche Raum keine Perspektive. Es ist eine zentrale Forderung des Deutschen LandFrauenverbandes, dass der Staat seiner Aufgabe zur Daseinsvorsorge – hier gehört Infrastruktur dazu - weiter nachkommen muss. LandFrauen haben gezeigt, dass sie flexible Lösungsansätze auf den Weg bringen können wie Hofläden, Tante-Emma-Läden oder Postagenturen in Eigenregie – sogar ein Bus im Nahverkehr wurde in Niedersachsen organisiert. Das kann aber keine Dauerlösung sein. Ehrenamtliches Engagement und staatliche Daseinsvorsorge müssen Hand in Hand gehen.

In Ihrer Verbandszeitschrift »LandFrauen AKTUELL« wurde darüber berichtet, dass Frauenrechte zur Not auch durch Quoten und Quoren zu sichern seien - wenn es nicht anders ginge. Wie halten Sie von der »Quote« als Instrument für mehr Gleichberechtigung?

Ich persönlich bin gegen Quoten und Quoren. Grundsätzlich vertraue ich darauf, dass »Qualität« sich durchsetzt ohne Ansehen des Geschlechts. Leider sind wir aber noch nicht soweit, deshalb ist die »Gehhilfe« Quote/Quoren noch notwendig.

DIE LINKE und der dlv sind zwei sehr unterschiedliche Organisationen. Was können beide voneinander lernen?

Als Präsidentin des dlv ist mir bewusst, was mein Verband lernen sollte oder besser sich immer wieder neu ins Bewusstsein zurückholen muss: Wir müssen die Probleme der Menschen, für die wir uns engagieren, pragmatisch dort lösen, wo sie anfallen. Außerdem müssen wir dringend dafür sorgen, dass gerade junge Frauen den Weg zu uns finden, denn nur so können die wichtigen Ideen der LandFrauen weitergetragen und fortentwickelt werden. Wenn wir dies von Ihnen lernen können oder Sie von uns – um so besser!

Querblick, erscheint am 16. Januar 2009
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