Arbeitslosenversicherung: Warum sind Sie gegen eine Beitragssenkung, Herr Troost?

NACHGEFRAGT

05.12.2008 / Freitag 49/2008

Die große Koalition wird zum Januar 2009 die Beitragssätze zur Arbeitslosenversicherung senken. Warum sind Sie dagegen?


Wir stehen unmittelbar vor der größten Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik und werden 2009 einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit haben. Die Beiträge werden gebraucht, sonst wird es im kommenden Jahr mit der Begründung, wir hätten nicht genug Geld, zu einer weiteren Kürzung der aktiven Arbeitsmarktpolitik kommen, das halte ich für völlig verfehlt.

Sie plädieren doch an anderer Stelle dafür, dass die Bürger mehr in der Tasche haben, weil dadurch die Binnennachfrage angekurbelt wird. Wäre das nicht genau hier der Fall?
Wir plädieren in der Tat für eine Stärkung der Massenkaufkraft, dafür ist es aber sinnvoller, steuerfinanziert sofort eine deutliche Anhebung des Arbeitslosengeldes II von derzeit 351 auf 435 Euro vorzunehmen. Dieser Schritt ist nicht nur sozialpolitisch endlich notwendig, er wäre auch konjunkturell unmittelbar wirksam, denn das Geld würde in vollem Umfang in den Konsum fließen - das wäre bei einer allgemeinen Einkommensteuersenkung oder auch der Auszahlung von Steuerschecks an die Bürgerinnen und Bürger nicht unbedingt der Fall.

Andererseits würde man doch dieselben Beitragszahler, die ab Januar durch erhöhte Kassenbeiträge belastet sind, bei der Arbeitslosenversicherung wieder entlasten?
Es trifft nicht unbedingt die gleichen: Die Rentnerinnen und Rentner, und alle diejenigen, die keine Einkommen beziehen, profitieren nämlich nicht von einer Beitragssatzsenkung der Arbeitslosenversicherung, sind aber mehrheitlich durchaus von einem erhöhten Kassenbeitrag betroffen.

Die Bundesregierung spricht von einem 32-Milliarden-Programm für die Konjunktur. Reicht das?
Die Bundesregierung behauptet, dass ihr Programm eine solche Dimension erreicht, aber selbst der Sachverständigenrat kommt zu dem Ergebnis, dass es sich um ein völlig unzureichendes Programm handelt, das maximal vier bis sechs Milliarden Euro umfasst. Dieses Programm ist angesichts der Krise lächerlich, es muss mindestens verfünffacht werden. Der DGB sagt zwischen 48 und 73 Milliarden seien notwendig, die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik spricht sogar von 110 Milliarden. Die Linke fordert mindestens 50 Milliarden. Darunter geht es nicht.

Das Gespräch führte Connie Uschtrin

Axel Troost ist finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke.