Barbara Höll: "Planierraupen zu Gärtnern gemacht"

11.11.2008 / Von Barbara Höll, www.linksfraktion.de

Die Bundesregierung stützt sich bei ihren Aktivitäten zur Eindämmung der Finanzkrise auf einschlägig bekannte Lobbyisten der Banken – ein sicherlich unvollständiger Überblick:

Laut Focus vom 27.10.2008 wurde die Rechtsverordnung zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz maßgeblich von Alexander Glos verfasst, dem Sohn von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos. Mit der Verordnung wurden entscheidende Regelungen zur Umsetzung des Bankenrettungsplans am Parlament vorbei festgelegt. Alexander Glos arbeitet als Rechtsanwalt für die Frankfurter Kanzlei Freshfields, die weltweit Finanzinstitute berät und vertritt. Die Vergabe der Ausarbeitung an eine private Kanzlei durch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück ist an sich schon ein höchst fragwürdiger Vorgang, verfügt das Bundesfinanzministerium doch über eine personell gut besetzte eigene Abteilung für Finanzmarktpolitik. Bis jetzt fehlen aus dem Ministerium jegliche Angaben zum Honorar. Laut Focus wurde die Vorlage aus Frankfurt nahezu 1:1 übernommen.

Die von Bundeskanzlerin Merkel ins Leben gerufene Expertengruppe „Neue Finanzarchitektur“ soll Vorschläge zur Verhinderung zukünftiger Finanzkrisen erarbeiten. Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel Hans Tietmeyer als Leiter für diese Gruppe nicht durchsetzen konnte – aufgrund des Protestes wegen seiner Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der Hypo Real Estate – verfiel sie auf Otmar Issing. Wie jener ist er Mitglied im Kuratorium der wirtschaftsliberalen Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung. Seit seinem Ausscheiden als Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank arbeitet er als Berater und sogenannter „Türöffner“ für die weltgrößte Investmentbank Goldman Sachs, zugleich größter Hedgefonds der Welt. Diese ist sowohl Mitverursacher als auch Profiteur der Finanzkrise. Zu Issings fortgesetzter Tätigkeit für Goldman Sachs befragt, äußerte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg, er sehe hier keine Interessenkollisionen. Auch Klaus Regling, ein weiteres Mitglied der Expertengruppe, weist eine ähnliche „Qualifikation“ auf: Er hat schon mal bei dem Hedgefonds Moore Capital Strategy Group gearbeitet.

Mitglied in besagter Expertengruppe ist auch Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen. Er forderte 2006 in einem Aufsatz für die „Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen“ den verstärkten „Einsatz neuer Finanzierungsinstrumente“ und dass den Banken nicht „unnötige Prüf- und Dokumentationspflichten“ auferlegt würden. Unermüdlich war sein Einsatz für Anlagezertifikate und noch massiver für sogenannte asset backed securities (ASB), entscheidende Auslöser der Finanzmarktkrise. Er ist der Initiator und war bis zu diesem Sommer Beiratsmitglied der 2003 gegründeten True Sale International GmbH (TSI), einer Handelsplattform und Lobbyvereinigung zur Förderung der Geschäfte mit ASB. Asmussen war auch Aufsichtsrat der Mittelstandsbank IKB, die in den Strudel um Derivate-Geschäfte geriet. Das Bundesfinanzministerium nimmt ihn jetzt in Schutz, indem es verlautbart, er hätte nur umgesetzt, was bereits im Koalitionsvertrag gestanden habe. Stimmt, dort ist im Kontext Finanzmarktpolitik zu lesen: „Produktinnovationen und neue Vertriebswege müssen nachdrücklich unterstützt werden“ und „Überflüssige Regulierungen abbauen“. In der Presse wird gemunkelt, dass es Asmussen selber war, der die entsprechenden Passagen im Koalitionsvertrag eingebracht hat.

Fazit: Das sind schon keine Böcke mehr, die hier zu Gärtnern gemacht werden, sondern Planierraupen.