Steinmeier rief zur Gruppentherapie

SPD-Parteitag beschloss Übernahme des Kanzleramtes im nächsten Jahr

19.10.2008 / Von Uwe Kalbe und René Heilig, Neues deutschland


Knapp ein Jahr vor der Bundestagswahl hat die neue SPD-Spitze ihren republikweiten Machtanspruch deutlich gemacht. Parteichef Franz Müntefering berief sich auf soziale und demokratische Positionen und forderte in der fünfstündigen »Therapiesitzung« vor allem eines: Einigkeit!

Beim SPD-Sonderparteitag wählten rund 530 Delegierte am Samstag in Berlin die neue Doppelspitze. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, Vizekanzler und Außenminister der schwarz-roten Koalition, bekam 95,1 Prozent Zustimmung. Parteichef Müntefering erhielt bei seiner neuerlichen Wahl an die SPD-Spitze knapp 85 Prozent der Delegiertenstimmen.

Steinmeier hielt eine aufmunternde Rede an seine Genossen. Gemeinsam müsse man nun innerparteiliche Gräben überwinden. Vor der SPD liege ein »Jahr der Weichenstellungen«. Ähnlich mutmacherisch äußerte sich Müntefering, als er die SPD in eine sehr selektive historische Tradition bei der Verteidigung von Arbeitnehmerrechten stellte. Der unlängst zurückgetretene SPD-Chef Kurt Beck, der statt an dem Parteitag an der Beerdigung eines Freundes seines Vaters im rheinland-pfälzischen Heimatort Steinfeld teilnahm, wünschte seinem Nachfolger »viel Erfolg«.

Steinmeier ging vor allem auf die weltweiten Herausforderungen durch Bankenkrise und Wirtschaftsabschwung ein. Es sei an der SPD, wieder Vertrauen zu schaffen. »Jetzt kommt es auf uns an, dafür will ich in einem Jahr als Kanzler arbeiten, damit dann die Richtung stimmt«, sagte er. Der Union unter seiner Regierungschefin Angela Merkel warf der Vizekanzler vor, in der Finanzkrise nur zu taktieren. Auch Müntefering machte deutlich: Keine Partei stehe wie die SPD für das Soziale und Demokratische und sei zugleich zu pragmatischem Regierungshandeln fähig. »Wir wollen die Bundestagswahl gewinnen.« Die Delegierten spendeten ihm wie Steinmeier stürmischen Beifall.

Nach dem Parteitag wurde Müntefering mit Blick auf die Bundestagswahlen 2009 SPD-pragmatisch. Im Fernsehen wünschte er sich Rot-Grün, schloss eine Ampel mit der FDP nicht aus, doch auch eine Neuauflage der Großen Koalition sei denkbar.

Müntefering, Steinmeier sowie nachgeordnete Funktionäre wie Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit erteilten einer Koalition mit der Linkspartei auf Bundesebene eine klare Absage. Eine Partei, welche die Lissabon-Verträge ablehne und die NATO auflösen wolle, sei »schlicht und einfach nicht regierungsfähig«, sagte Steinmeier.

Die LINKE reagierte darauf zunächst gar nicht. Auf Nachfrage erklärte Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, dass Leute, die die Agenda 2010 verfasst und die Rente mit 67 festgeschrieben haben, von vornherein nicht glaubwürdig seien. »Vergangene Woche haben sie noch den Bundeswehr-Kriegseinsatz in Afghanistan um 14 Monate verlängert, die Gesundheitsreform gegen die Bürger in Gang gesetzt und Pleite-Banken ein weiches Bett bereitet.«

Die CDU gratulierte den Gewählten. Generalsekretär Ronald Pofalla geht davon aus, »dass wir trotz dieses erneuten Führungswechsels bis zum Ende der Legislaturperiode konstruktiv in der Großen Koalition weiterarbeiten. Er freue sich auf einen fairen Wahlkampf 2009, auf ein Durchstarten der neuen von Merkel geführten Bundesregierung. »Dann aber bitte ohne die SPD!«