Regierung trägt Steuern ins Casino

480-Milliarden-Euro-Rettungspaket für Banken / Börse jubelt / Keine Garantie für Sozialstaat

14.10.2008 / Neues Deutschland

Die Bundesregierung hat einen gigantischen Bankenrettungsplan im Umfang von fast einer halben Billion Euro auf den Weg gebracht.

Berlin (Agenturen/ND). Mit einem beispiellosen Rettungspaket für die deutschen Banken will die Bundesregierung die Folgen der Finanzkrise bekämpfen: Das Kabinett beschloss am Montag einen Gesetzentwurf, der Kapitalspritzen und Kredit-Bürgschaften in Höhe von bis zu 480 Milliarden Euro vorsieht. Mit bis zu 400 Milliarden Euro bürgt der Staat für Kredite zwischen den Banken. 80 Milliarden Euro stehen für frisches Kapital an die Geldinstitute zur Verfügung.

Für den Rettungsplan soll ein Fonds geschaffen werden. Im Gegenzug zu Kapitalspritzen für Banken fordert der Staat Anteile und Mitsprache bei Entscheidungen der Bank, etwa bei Strategie oder Manager-Vergütung. Die Bürgschaften sollen die zuletzt weitgehend zum Erliegen gekommene Kreditvergabe zwischen Banken wieder in Gang bringen.

Die Bundesregierung rechnet mit maximalen Belastungen von 100 Milliarden Euro für den Staatshaushalt. 35 Prozent der Risiken sollen demnach von den Ländern getragen werden. Nach Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) stellt nun auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts 2011 in Frage. Nach der Verabschiedung des Rettungspakets im Kabinett sagte Merkel: »Das kann zur Folge haben, dass sich das Ziel des ausgeglichenen Haushalts zeitlich verschiebt. Das Ziel als solches bleibt erhalten.«

Das Gesetz soll im Eilverfahren bis kommenden Freitag Bundestag und Bundesrat passieren. SPD-Fraktionschef Peter Struck lobte, dass die Opposition auf alle formalen Einwände verzichtet habe.

Der LINKE-Vorsitzende Oskar Lafontaine begrüßte das Rettungspaket, forderte aber Gegenleistungen der Banken sowie ein staatliches Konjunkturprogramm. »Die Sicherung der Banken mit Steuer-Milliarden kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Bundesregierung zugleich alles tut, damit die Wirtschaft nicht einbricht«, erklärte er in Berlin. Zuvor hatte bereits DGB-Chef Michael Sommer ein Investitionsprogramm zum Ausbau von Infrastruktur und Bildung in Höhe von mindestens 25 Milliarden Euro gefordert. Das Wesentliche in dieser Situation sei »die Vermeidung einer Rezession«. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac kritisierte, die Rettungspakete seien »nicht an einen Systemwechsel gekoppelt«. Technische Reparaturen reichten nicht aus.

Zahlreiche Länder der Eurozone stellten am Montag ebenfalls nationale Rettungspläne vor. Die französische Regierung sichert die Kreditaufnahme unter den Banken bis zu einem Betrag von 320 Milliarden Euro ab und will 40 Milliarden Euro bereitstellen, um Banken in Schwierigkeiten mit frischem Kapital zu versorgen. Spanien und Österreich beschlossen Programme über je 100 Milliarden Euro.

Die Rettungspläne folgen britischem Vorbild. Dort hatte die Regierung ein Hilfspaket von bis zu 633 Milliarden Euro aufgelegt. Am Montag teilte London mit, dass drei Großbanken 37 Milliarden Pfund an Eigenkapital erhalten. Auch die USA arbeiten inzwischen an einem Rettungspaket nach britischem Vorbild, wie das Finanzministerium mitteilte.

Am Sonntagabend hatten sich die Staats- und Regierungschefs der 15 Länder der Eurozone auf ihrem Krisengipfel in Paris auf einen gemeinsamen Aktionsplan geeinigt. Darin verpflichten sie sich dem Ziel, Banken vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Das Programm solle zunächst bis Ende 2009 gelten, wie der französische Präsident Nicolas Sarkozy erklärte. Die Finanzkrise habe in den vergangenen Tagen Dimensionen erreicht, die jede Verzögerung im Handeln »unerträglich« machten. Die Europäische Union werde die USA zu einem Gipfeltreffen auffordern, bei dem das internationale Finanzsystem auf eine neue Grundlage gestellt werden solle.

Die abgestimmten Rettungspläne zeigten vorerst die erhoffte Wirkung an den Börsen. So stieg der DAX bis zum Nachmittag um rund sieben Prozent. Zuvor hatte es auch in Asien kräftige Kursgewinne gegeben.